„Das schmutzigste Rechenzentrum“

Dass Anwohner und Lokale Agenda – eine Beteiligung politisch interessierter Bürger – kein gutes Haar an dem geplanten riesigen Rechenzentrum von Cloud HQ am Lämmerspieler Weg lassen, ist bekannt. Doch dass die Stadt nun die Bürger in ihrer Kritik unterstützt und mit ihnen zusammenarbeitet, um landesweit strenge Regeln für Rechenzentren zu erhalten, überrascht.
Offenbach – Schließlich hatte die Stadt früher Kritik der Bürger als unbegründet abgetan und auf dem Standpunkt beharrt, dass umwelttechnisch nicht mehr herauszuverhandeln war.
„Wir haben schon lange eine Arbeitsgruppe, die etwa mit dem BUND zusammenarbeitet“, berichtet Barbara Levi-Wach von der Lokalen Agenda. Nach einem Treffen mit Oberbürgermeister Felix Schwenke im vergangenen Jahr habe dieser zugestimmt, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet werde. Den Vorsitz hat das Umweltamt inne, halbjährlich trifft man sich. „Uns wäre monatlich lieber“, sagt Kurt Müller von der Lokalen Agenda, doch man sei froh, dass die Problematik rund um die Rechenzentren nun auch von der Stadt gesehen werde. „Unser Eindruck ist, dass zu viele in der Verwaltung und der Politik keine Ahnung von dem Thema hatten“, findet Levi-Wach.
Mit der Abwärme könnten Wohngebiete versorgt werden
Akribisch hat die Gruppe Fakten gesammelt und sich in die Thematik eingearbeitet. Dass die Stadt nun mit ihnen zusammenarbeitet und auch auf Landesebene allgemeingültige Regeln für Datencenter fordert, wird begrüßt. „Auch wenn es spät kommt“, wie Müller sagt. Das geplante Center von Cloud HQ sei das „schmutzigste in ganz Hessen“, ist er sich sicher.
Dabei sehe man auch durchaus die Chancen, die sich böten, betont Christoph Reiß: Eigentlich seien Rechenzentren riesige Wärmekraftwerke – mit der Abwärme könnten Wohngebiete versorgt werden. „Leider erfolgt das aber nicht bei Cloud HQ“, sagt Reiß. Denn das Gebiet An den Eichen werde durch ein Blockheizkraftwerk versorgt, ebenso ist für Bieber-Nord gerade eines im Bau. Die Lokale Agenda fordert, dass die Abwärme dringend genutzt werden muss – gerät damit aber in Konflikt mit den Heizkraftwerken der EVO.
Weniger Konfliktpotenzial mit der Stadt hat die Forderung nach sauberer Energie für das Rechenzentrum. „Die verschlingen so viel Strom, dass der gar nicht aus grünen Quellen stammen kann – wir vermuten, dass die EVO Atom- oder Kohlestrom nachkaufen muss, damit das Zentrum überhaupt betrieben werden kann“, so Reiß. Die Lokale Agenda fordert daher eine Stromtrasse für Windenergie von der Küste – auch wenn das zu Protesten bei denen führt, über deren Land diese Trasse verlaufen würde. Doch der Protest fiele in sich zusammen, so vermutet die Gruppe, wenn man die betroffenen Leute entschädigen oder am Betrieb beteiligen würde. Problematisch sei ebenfalls, dass Wasser für die Kühlung des Zentrums benötigt werde. „Auf das Dach kommen Luftkühler, doch die kühlen das Zentrum, die Luft ringsum wird erhitzt“, erläutert Reiß, „und die Luftkühler benötigen Wasser – wir haben festgestellt, dass sich die städtischen Ämter im Vorfeld wenig mit dieser Thematik beschäftigt haben.“ Zudem gebe es bei den mehrmals im Jahr im Probebetrieb eingesetzten Diesel-Notstromaggregaten eine Feinstaub-Problematik.
Die Liste mit Verbesserungsvorschlägen und Wünschen ist lang
Die Liste der Lokalen Agenda mit Verbesserungsvorschlägen, Wünschen nach Nachbesserung und gesetzlichen Regelungen ist lang. Dass es auch anders gehe, zeige das Beispiel des Rechenzentrumsbetreibers Equinix in Fechenheim. Dessen Datencenter seien wesentlich nachhaltiger ausgerichtet. „Da werden nicht nur freiwillig Umweltauflagen erfüllt, solche Betreiber fordern auch selbst strengere gesetzliche Regeln“, sagt Reiß. Denn bei börsennotierten Unternehmen sei durchaus ein Verständnis für Umweltbelange vorhanden, sagt er. Im Gegensatz zur Situation in Offenbach sei in Fechenheim mehr Wert etwa auf eine Beteiligung des Unternehmens an den Infrastrukturkosten für den Bau gelegt worden.
Es wird spannend werden zu verfolgen, welchen Forderungen der Lokalen Agenda sich die Stadt anschließt. Gemeinsam soll ein Katalog mit Umwelt- und Infrastrukturforderungen erstellt werden und mit Strafen für deren Nichterfüllung. „In Hanau wurde das mit den Strafen tatsächlich gemacht, es ist also möglich“, sagt Müller, „auch OB Schwenke möchte einen solchen Katalog haben.“ Die lokale Agenda fordert zudem, dass die Stadt eine Stelle schafft, die sich mit Rechenzentren beschäftigt. Außerdem hat man mit BUND und EVO gemeinsam mit der TH Mittelhessen ein Forschungsprojekt zur Abwärmenutzung angeregt. (Frank Sommer)