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„Unerträglich geworden“ - Anwohner leiden unter Alkoholexzessen am Offenbacher „Pöbel-Eck“

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Von: Christian Reinartz

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Verzweifeln an den Zuständen rund ums „Pöbel-Eck“: Ladenbesitzer Hasan Gültekin (links) protokolliert die Eskapaden vor Ort. Kiosk-Betreiber Recep Serce wusste sich nicht anders zu helfen und hat zusammen mit anderen Geschäftsleuten die Bank vor seinem Laden abgesperrt.
Verzweifeln an den Zuständen rund ums „Pöbel-Eck“: Ladenbesitzer Hasan Gültekin (links) protokolliert die Eskapaden vor Ort. Kiosk-Betreiber Recep Serce wusste sich nicht anders zu helfen und hat zusammen mit anderen Geschäftsleuten die Bank vor seinem Laden abgesperrt. © Reinartz

Täglich Alkoholexzesse, Stadtpolizei ständig im Einsatz, Freiluftklo vor Schule: In der Offenbacher Geleitstraße gibt es immer wieder Ärger mit einer Gruppe Südosteuropäer.

Offenbach – Wer Offenbach von seiner übelsten Seite kennenlernen will, wird an der Ecke Geleitsstraße/Herrnstraße bedient. Und zwar oft schon früh am Morgen, in jedem Fall aber ab den Nachmittagsstunden. Und nach 23 Uhr sowieso. Laut Polizei sind es fast ausschließlich Rumänen und Bulgaren, die dort in prekären Verhältnissen wohnen, deswegen auf den Sitzbänken im Freien herumlungern und den ganzen Tag trinken, trinken, trinken. In Polizeikreisen hat die Kreuzung ihren Namen längst weg: „Pöbel-Eck“.

Das Einsatzprotokoll der Stadtpolizei spricht Bände:

„Und das sind nur die Einsätze, die auch tatsächlich von der Bevölkerung gemeldet werden“, sagt Stadtpolizeichef Lothar Haack. Man gehe davon aus, dass sich viele der Anwohner und Ladenbetreiber bereits mit der schwierigen Situation arrangiert haben und nur noch anrufen, wenn etwas Außergewöhnliches passiert. Heißt im Klartext: Wenn dort vornehmlich schweralkoholisierte Männer herumpöbeln, Frauen nachpfeifen oder sich gegenseitig lautstark anbrüllen, gehört das zum normalen Alltag.

Alkoholexzesse in der Offenbacher Geleitsstraße: „Es wird hier von Monat zu Monat schlimmer

„Es ist hier mittlerweile unerträglich geworden“, schimpft Ladenbesitzer Hasan Gültekin. „Und es wird hier von Monat zu Monat schlimmer. Aber im Rathaus lässt man die Situation einfach so laufen, ohne etwas zu unternehmen.“ Er habe die Stadt schon mehrfach angeschrieben und über die Probleme berichtet. „Aber da kommt gar nichts. Als wenn man sich mit dem Problem nicht beschäftigen will.“

Am schlimmsten seien die Rundbänke um die Bäume vor den Läden. „Das ist für die ein Sammelpunkt“, erklärt der Geschäftsmann. „Wir haben darum gebeten, aber die Stadt will die Bänke nicht abbauen.“ Also haben er und andere Ladenbesitzer sich nun selbst geholfen. Mit weiß-rotem Flatterband haben sie eine der Sitzinseln fast schon kunstvoll eingesponnen und so die Benutzung unmöglich gemacht. „Seitdem ist es etwas besser“, sind sich alle einig.

Gleichbleibend widerwärtig ist dagegen das Freiluftklo, hinter einem Gebüsch direkt am Bürgersteig in der Geleitsstraße. Gültekin deutet auf einen Baum, um den ein kleiner Trampelpfad herum hinter ein Gebüsch führt. Dahinter türmt sich Toilettenpapier und Müll. „Das stinkt hier oft fürchterlich“, sagt er. Sogar Frauen würden dort völlig unverhohlen ihre Notdurft verrichten. Der Geschäftsmann ist überzeugt: „Hier kann nur ein Zaun helfen.“

Solche Szenen sehen Grundschüler täglich.
Solche Szenen sehen Grundschüler täglich. © Reinartz, Christian

Offenachbacher „Pöbel-Eck“: Mütter lassen ihre Kinder nicht alleine zur nahegelegenen Schule gehen

Sein Nachbar, Kioskbesitzer Recep Serce, hat ebenfalls genug von den Zuständen, vor allem aber von den tägliche Alkoholexzessen vor seinem Laden. Den oft gehörten Vorwurf, er würde in seinem Kiosk ja selbst Alkohol verkaufen, kann er entkräften. „Die kaufen ihren Alkohol im Supermarkt oder trinken ihren Selbstgebrannten.“ Zum Beweis holen er und Gültekin einen Leitzordner hervor. Darin haben die beiden die Exzesse vor ihren Ladentüren inklusive der Getränke dokumentiert. Zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos zeigen die Zustände vor Ort. Alles fein säuberlich mit Datum und Uhrzeit abgeheftet.

„Dann können wir der Stadt wenigstens beweisen, was hier wirklich Tag für Tag los ist.“ Doch dafür müsse sich erstmal jemand aus der Politik für das Problem interessieren. Das Engagement der Stadtpolizei dagegen loben die beiden Ladenbesitzer. „Die sind wirklich immer sofort da, wenn wir anrufen“, sagt Gültekin. „Aber die können halt auch nur die Leute wegschicken. Das Grundproblem wird dadurch nicht angegangen.“

Auch die benachbarten Schulen leiden unter dem Pöbel-Eck. Eine Mutter, die gerade ihre neunjährige Tochter abholt, wird deutlich: „Ich habe sie noch keinen einzigen Tag alleine zur Schule gehen lassen.“ Viele der betrunkenen Männer würden den kleinen Mädchen hinterherpfeifen oder anzügliche Gesten machen. Sie und ihr Mann, aber auch andere Eltern hätten sich deswegen schon an Polizei und Stadt gewandt. An der Situation habe sich aber bis heute nichts geändert.

Freiluftklo hinter einem Gebüsch: Direkt vor der Grundschule verrichten reihenweise Menschen ihre Notdurft.
Freiluftklo hinter einem Gebüsch: Direkt vor der Schule verrichten reihenweise Menschen ihre Notdurft. © Reinartz, Christian

Offenbacher Polizist fordert Alkoholverbot: „Ansonsten bekommt man hier nie Ruhe rein“

Immerhin: Am Dienstagmorgen hat eine Streife der Stadtpolizei schon in den Morgenstunden den Platz geräumt und einen Reinigungstrupp des ESO geordert, der in einer Eilaktion zerbrochene Glasflaschen, abgeknabberte Hähnchengerippe und bergeweise anderen Müll einsammelte. Der Grund: Die Erstklässler der benachbarten zwei Grundschulen sollten zumindest an ihrem ersten Tag nicht durch eine Horde Betrunkener hindurchmüssen. So zumindest schildert es ein Stadtpolizist, der das Pöbel-Eck wie seine Westentasche kennt. „Das einzige, was hier noch helfen kann, ist ein striktes Alkoholverbot in diesem Bereich“, sagt er. „Ansonsten bekommt man hier nie Ruhe rein.“

Wer sich die Zeit nimmt und das Treiben am Pöbel-Eck beobachtet, erkennt das Problem. Kaum ist die Stadtpolizei verschwunden, füllt sich der kleine Platz innerhalb weniger Minuten wieder. Vor allem aus den Hauseingängen der umliegenden Wohnhäuser kommen die Männer, begrüßen sich lautstark und oft nicht mehr ganz nüchtern. Die ersten Bierflaschen werden geöffnet und Wodkaflaschen angesetzt. „Denen ist doch alles völlig egal“, klagt Gültekin. „Die sagen dir mitten ins Gesicht, dass du ruhig die Polizei rufen kannst, aber nichts passieren wird.“

Streifengang am Einschulungstag: Zwei Stadtpolizisten haben kurz zuvor das „Pöbel-Eck“ geräumt und den ESO zum Aufräumen bestellt.
Streifengang am Einschulungstag: Zwei Stadtpolizisten haben kurz zuvor das „Pöbel-Eck“ geräumt und den ESO zum Aufräumen bestellt. © Reinartz, Christian

Offenbach: Stadt will mit Alkoholverbot vor Schulen und Kitas reagieren

Bei der Stadt will man nun offenbar reagieren. Aufgrund der Nähe zu den beiden Schulen sei der Standort besonders im Fokus der Stadtpolizei, versichert Ordnungsdezernent Paul-Gerhard Weiß: „Es ist beabsichtigt, die Straßenordnung so zu ändern und der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen, dass vor Kitas und Schulen ein räumlich beschränktes Alkoholverbot ausgesprochen werden kann.“ Die genauen Bestimmungen befänden sich derzeit in Erarbeitung und rechtlicher Prüfung. Mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen könne die Bildung solcher Treffpunkte allerdings nicht grundsätzlich verhindert werden, es besteht auch eine soziale Aufgabe und eine Integrationsaufgabe, sagt Weiß: „Punktuelle örtliche Ordnungsmaßnahmen führen in der Regel zu Verdrängung und zu anderen Treffpunkten.“ (Christian Reinartz)

Immer wieder steht ja die Offenbacher Geleitsstraße im Fokus der Öffentlichkeit. Anfang des Jahres bedrohte hier ein Mob die Polizei.

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