Trauerbegleitung bei der Ökumenischen Hospizbewegung in Offenbach

Die Trauer um einen geliebten Menschen kann einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Nichts ist mehr, wie es war – und der Schmerz scheint unüberwindbar. Mit diesem Gefühl, allein gelassen zu sein, macht die Situation noch schwerer. Darüber gemeinsam ins Gespräch zu kommen, sich mit anderen Trauernden auszutauschen, kann Last von den Schultern nehmen. Dies ist das Ziel der Trauerbegleitung, neben der Sterbebegleitung eine der Säulen der Ökumenischen Hospizbewegung.
Offenbach - In der Corona-Zeit waren viele Angebote nicht möglich. Lediglich Einzelgespräche mit den Trauerbegleitern haben – unter Hygieneauflagen – stattgefunden. „Am Anfang gab es nichts, danach haben wir uns langsam vorgetastet“, sagt Koordinator Andreas Schmidt. Nun werden auch Gruppenangebote wieder aufgenommen: der offene Treff für Trauernde, die angeleitete Selbsthilfegruppe für Trauernde nach Suizid eines nahen Menschen und die Ge(h)spräche, bei denen beim gemeinsamen Spazierengehen vieles leichter fällt, sich von der Seele zu reden.
Die coronabedingte Zwangs-Auszeit nutzte der Verein, für den sich rund 50 Ehrenamtliche engagieren, für Weiterbildungen. Die Sozialpädagogin Veronika Schäfer und die Pädagogin und Gestalttherapeutin Sabine Harer haben sich in 260 Unterrichtseinheiten zu Trauerbegleiterinnen ausbilden lassen. Die beiden werden ab September ein neues Angebot leiten: die Jahresgruppe für trauernde Menschen.
An zehn Terminen bis Mai 2022 kommt eine feste Gruppe jeweils Samstagsnachmittags zusammen, jedes Treffen hat ein anderes Schwerpunktthema – wie etwa Erinnerungsarbeit, veränderter Alltag, offen Gebliebenes und Versäumtes, der Umgang mit Jahrestagen oder auch Kraftquellen. „In einer festen Gruppe entsteht eine besondere Vertrautheit. Das und der Bogen, der sich durch dieses Jahr zieht, kann unheimlich viel Kraft und Energie geben“, sagt Sabine Harer.
Anders als Sterbebegleitung wird Trauerbegleitung von den Krankenkassen nicht übernommen. Dennoch sind alle Angebote kostenlos. „Wir finanzieren uns über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Unterstützer wie die Sparkassenstiftung oder die Evangelische Kirche“, erläutert Koordinator Schmidt.
Dabei ist es irrelevant, wie lange der Verlust zurückliegt. „Es gibt Menschen, die erst Jahre später zu uns kommen, weil sie merken, dass etwas offen geblieben ist“, berichtet Harer. Jeder habe seine Art, mit der Trauer umzugehen, Männer seien anders als Frauen, es mache einen Unterschied, ob das eigene Kind, ein Elternteil oder der Lebenspartner verstorben ist und auch, ob es sich um einen plötzlichen oder absehbaren Verlust handelt. Das Wort „verarbeiten“ mag sie im Trauerkontext nicht, weil es impliziere, dass man damit abschließt und die Trauer damit „weg“ ist. Aber: „Es ist ein Verlust, der in das eigene Leben integriert werden muss.“
Zudem sei die Trauer, entgegen der vorherrschenden Meinung, kein Prozess, bei dem bestimmte, feste Phasen zu durchlaufen seien. „Es gibt zwar einige typische Gefühlslagen, die immer wiederkommen, aber es ist eher eine Spirale als Stufen“, so die Expertin. Mittlerweile spreche man eher von Traueraufgaben. Dabei gebe es kein „richtig“ oder „falsch“, sehr unterschiedliche und individuelle Aspekte spielten eine Rolle. Manchmal brechen über die Trauer hinaus Dinge ans Tageslicht, die zuvor jahrelang gut unter Verschluss gehalten wurden. Es kann vorkommen, dass die Trauerbegleiter feststellen, dass eine weitergehende therapeutische Hilfe notwendig ist. „Wenn durch die Trauer etwas anderes, Belastendes freigeschaufelt wird, eröffnet sich damit eine Chance“, sagt Schmidt.
Bei den Angeboten wird geweint, aber auch gelacht, sich erinnert, aber auch nach vorne geschaut. Denn am Ende geht es um eins: die Trauernden zu unterstützen, wieder zurück ins Leben zu finden.
Infos im Internet: www.hospizoffenbach.de
Von Veronika Schade