„Der Bund ist in der Pflicht“

„Daten sind das neue Gold“, hat Oberbürgermeister Felix Schwenke bei der Eröffnung des Rechenzentrums „Main DC“ erklärt, eine gewisse Goldgräberstimmung in der Branche ist auch nicht von der Hand zu weisen. Und doch gibt es zahlreiche mahnende Stimmen, etwa von Anwohnern oder Umweltschützern: Da es keine einheitlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für Umweltstandards bei Rechenzentren gibt, wird in jeder Kommune anders gebaut.
Offenbach - Sabrina Engelmann, Stadtverordnete der Grünen, hat sich eingehend mit der Problematik beschäftigt und schon Vorträge dazu gehalten. „Es muss immer die Frage gestellt werden, wie nachhaltig solche Rechenzentren sind“, sagt sie, „natürlich brauchen wir alle schnelle Verbindungen und Datenspeicher, aber es muss verbindliche Regeln geben.“
Schon bei den ersten Schritten zur Errichtung eines Datenzentrums zeigt sich, dass die zur Verfügung stehenden Mittel der Kommunalpolitik nicht den Erfordernissen entsprechen: Die Baugenehmigung laufe über ein normales Genehmigungsverfahren, ein B-Plan ist nicht nötig, da Rechenzentren als „nicht störende Gebäude“ eingestuft sind. Nur wenn das Gelände im städtischen Besitz sei, habe die Stadt wirklich Handlungsmöglichkeiten, um dem Betreiber Auflagen zu machen. „Als normale Stadtverordnete erfahren wir also eigentlich im Vorfeld überhaupt nichts, wir können nur hoffen, dass der Magistrat gut mit den Betreibern verhandelt und auf ökologische Auflagen drängt“, sagt Engelmann.
Das Problem liege darin, dass Kommunalpolitik und die IT-Branche unterschiedliche Zeitspannen für ihre Vorhaben ansetzen. „In der Politik wird Stadtplanung sehr langfristig gedacht, die IT-Branche ist dagegen sehr schnelllebig“, sagt sie. Gerade für ehrenamtliche Kommunalpolitiker sei dies eine immense Herausforderung, doch auch in den Dezernaten sorge diese unterschiedliche Herangehensweise für Probleme. In der Kommunalpolitik werde Entwicklung eher in Zehn- oder 20-Jahres-Schritten gedacht – Zeiträume, in denen sich die IT-Branche mehrfach neu erfindet. Die Kommunen müssen somit auf gesetzliche Vorgaben zurückgreifen aus Zeiten, in denen es weder Cloud- noch Edge-Datencenter gab.
Fehlende zeitgemäße gesetzlichen Vorgaben sind auch bei anderen Feldern zu beklagen, sagt Engelmann. „Eigentlich müsste das Bundesemissionsschutzgesetz dringend geändert werden“, stellt sie fest. Denn weder der Lärm der Dieselaggregate – die für die Notstromversorgung der Zentren wichtig sind – noch die Frage der Abwärme wird von der bestehenden Regelung erfasst.
Dazu komme, dass bestimmte Auswirkungen der Emissionen noch überhaupt nicht erforscht seien. „Die Auswirkungen der Abwärme im Boden sind bisher kaum bekannt“, sagt Engelmann, bei diesem Thema werde meist nur an die oberirdische Abwärme gedacht. „Die sollte zwar unbedingt genutzt werden, aber man muss auch schauen, was die Erwärmung des Bodens für Folgen hat, etwa für das Grundwasser.“ Bei einer Veranstaltung, auf der Engelmann kürzlich über Rechenzentren referierte, hatte ein Geologe auf diese bisher kaum beachteten Thematik hingewiesen.
„Der Bund ist in der Pflicht, hier gesetzliche Vorgaben zu machen“, sagt sie, ähnlich den Pandemie-Schutzmaßnahmen sei es wenig hilfreich, wenn jede Kommune eigene Regeln entwerfe. Engelmann wünscht sich, dass die Thematik als eine gesamtgesellschaftliche begriffen werde.
Von Frank Sommer