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Der lange Weg zur Abstinenz

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Von: Stefan Mangold

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Selbsthilfegruppen, die ihr Engagement gegen die Trunksucht verbindet: Blaues Kreuz, Blaues Kreuz der evangelischen Kirche, Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Kreuzbund und Anonyme Alkoholiker.
Selbsthilfegruppen, die ihr Engagement gegen die Trunksucht verbindet: Blaues Kreuz, Blaues Kreuz der evangelischen Kirche, Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Kreuzbund und Anonyme Alkoholiker. © mangold

Offenbach – Anlässlich der bundesweiten „Aktionswoche Alkohol“ stellten sich unter dem Dach des Freiwilligenzentrums am Samstag Selbsthilfegruppen auf dem Wilhelmplatz vor.

Monika Körtge erzählt, ihr habe Alkohol noch nie geschmeckt, „mit der Wirkung kann ich auch nichts anfangen“. Ihr vor zwei Jahren verstorbener Mann hatte als Fliesenleger gearbeitet, „früher gehörte das Bier dazu“. Ihr Gatte sei nicht der Typ des aggressiven Trinkers gewesen, aber irgendwann habe es im Beruf nicht mehr funktioniert. Monika Körtge: „Sein Chef setzte ihm die Pistole auf die Brust: Entweder er macht was, oder er fliegt“.

Das erste Mal ging der Mann noch heimlich zu einem Treffen der Guttempler, „die sagten ihm, die Ehefrau solle mitkommen“. Nach einem halben Jahr stationärer Therapie ging der Alkoholiker zu Hause erst mal in den Keller, um einen Kasten Bier hoch zu tragen. „Er sollte selbst die Flaschen ausschütten“, berichtet Monika Körtge. In den Jahrzehnten bis zu seinem Tod rührte er keinen Tropfen mehr an. Monika Körtge arbeitet mittlerweile seit 30 Jahren für die Guttempler, „ich sitze auch am Nottelefon“. „In einer Selbsthilfegruppe weiß jeder, von was der andere spricht“, sagt Thomas Schüler, der Leiter des Selbsthilfebüros. Sozialdezernent Martin Wilhelm erwähnt, es sei oft schwer, sich dem Alkoholgenuss zu verweigern, „wenn jemand das Sektglas ablehnt, muss er sich rechtfertigen“.

Über Jahrzehnte kam der 61-Jährige, der sich Theo nennt, nicht auf die Idee, zu irgendeinem Weinglas Nein zu sagen. Sein neues Leben begann am 14. März 2007. Der Rechtsanwalt erzählt, „eigentlich habe ich schon mit elf Jahren anfangen“. Die Menge steigerte sich mit der Zeit, „das half lange gegen meine Depressionen“. Irgendwann nicht mehr. Schließlich habe er mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen, „bis ich dachte, ‘ich saufe mich tot’.“

Ein Vierteljahr bedeckten in seiner Kanzlei die ungeöffneten Brief den Boden, summierten sich die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter „Irgendwann machte es ‘Knacks’ in meinem Kopf: ‘Ich will nicht mehr saufen’.“ Bis dahin bestand seine tägliche Dosis aus vier Litern Wein. Theo ließ sich mit dem Taxi in die Klinik fahren, „ich hatte 5,9 Promille“. Seitdem 0,0. Er habe damals großes Glück gehabt, „letztlich verlor ich nur einen Mandanten“. Bei den Anonymen Alkoholikern (AA) kümmert sich der Advokat um die Öffentlichkeitsarbeit.

Vor zweieinhalb Jahren stieß Markus, der tatsächlich so heißt, zu den AA. Er habe nur in Geselligkeit gesoffen, „die fand sich aber mindestens viermal die Woche“. Einmal setzte er mit 2,4 Promille intus sein Auto gegen eine Hauswand, was ihn 20 000 Euro kostete. „Bis zur MPU trank ich elf Monate nichts“, erzählt er. Mit einem Weizenbier ging es neu los, dann kamen wieder die Whisky-Colas hinzu. Das ging so lange, bis die Ehefrau des 47-Jährigen drohte, ihn zu verlassen. „Der Moment meiner Kapitulation“, sagt Markus.

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