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Taschendesign vom Main

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Von: Lisa Berins

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Dimitrios und Esther Tsatsas haben 2012 ihr Designerlabel TSATSAS gegründet. Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach widmet ihnen und ihren Taschen ab 1. April 2022 die Ausstellung „TSATSAS. Einblick-Rückblick-Ausblick“.
Die Schönheit liegt im Weglassen: Dimitrios und Esther Tsatsas haben 2012 ihr Designerlabel TSATSAS gegründet. Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach widmet ihnen ab 1. April 2022 die Ausstellung „TSATSAS. Einblick-Rückblick-Ausblick“. In der Schau wird nach den Arbeitsweisen und Inspirationsquellen des Designerpaares gefragt. © Patrick Scheiber

Berühmtes Design made in Offenbach: Das Deutsche Ledermuseum wirft einen Blick in die Werkstatt des Offenbach-Frankfurter Designerlabels TSATSAS, das mit minimalistischen Taschen und Koffern seit zehn Jahren weltweit Aufsehen erregt.

Offenbach – Wenn der britische Stararchitekt David Chipperfield um die Welt reist, trägt er ein Stück Offenbach mit sich: einen schlichten, schwarzen Koffer, den er von dem Designerlabel TSATSAS maßanfertigen ließ. Ein Anzug musste hineinpassen, und stylish aussehen sollte das Gepäckstück sowieso. Für das Label, das seinen Sitz in Frankfurt hat und in Offenbach produziert, eine willkommene Aufgabe. Das Designer-Ehepaar Esther Schulze-Tsatsas und Dimitrios Tsatsas feilte an Entwürfen, entwickelte Prototypen und besserte nach den Wünschen des Architekten nach. „Drei Jahre haben wir daran gearbeitet“, sagt Dimitrios Tsatsas. Eine beachtliche Zeit schon alleine deshalb, weil es das Unternehmen erst seit zehn Jahren gibt.

Schon seit Beginn ihrer Amtszeit als Direktorin des Deutschen Ledermuseums (DLM) im Jahr 2014 hat Inez Florschütz ein Auge auf das junge, aufstrebende Label geworfen, das perfekt die Offenbacher Ledertradition mit der Gegenwart verbinde. Jetzt, zu diesem kleinen Jubiläum, hat sie die Chance ergriffen, in einem vom alten Muff befreiten, großen Raum in der ersten Etage des Museums eine Schau mit dem Titel „TSATSAS. Einblick – Rückblick – Ausblick“ einzurichten: Exquisite Taschen stehen und hängen dort in modernen Vitrinen, Hochglanz in schönem Kontrast zum freigelegten, rauen Betonboden. Im hinteren Teil des Raums werden die Exponate auf einem Industrieförderband im Kreis gefahren, das normalerweise Autoteile in einer Fabrik transportiert.

Produziert wird in der Offenbacher Werkstatt von des Vaters Vassilios Tsatsas

Es geht nicht um eine Erhöhung von Kultobjekten, auch nicht um die chronologische Erzählung einer Firmengeschichte. „Es sollte keine Werkschau werden“, sagt Inez Florschütz. „Es geht um die Fragen: Was macht das Label aus? Was beeinflusst die Designer?“

Dimitrios Tsatsas und seine Frau Esther sind 2012 auf unkonventionellem Weg zum Taschendesign gekommen. Dimitrios hat Industriedesign an der Hochschule für Gestaltung studiert, Esther ist Architektin. Sie lernten sich in einer Agentur kennen und fingen zunächst an, Taschen für den privaten Gebrauch zu entwerfen, aus einem persönlichen Bedürfnis heraus, wie Dimitrios Tsatsas sagt: „Es gab einfach keine auf dem Markt, die meinen Vorstellungen entsprach: modern, handwerklich hochwertig, schlicht und gut gefertigt.“

Führungen und Film

Die Ausstellung „TSATSAS. Einblick – Rückblick – Ausblick“ ist vom 1. April bis zum 30. Oktober 2022 im Deutschen Ledermuseum, Frankfurter Straße 86, zu sehen. Begleitet wird die Schau von thematischen Führungen. Am Sonntag, 3. April, blickt Museumsdirektorin Inez Florschütz um 15 Uhr in die Designwelt von Esther und Dimitrios Tsatsas. Unter anderem wird der Gestaltungsprozess der Clutch „TAPE“ beleuchtet, die in ihrer roten Ausführung eines der Titelmotive der Ausstellung ist. Das Museum bittet um Anmeldung unter Tel. 069 829798-0. Kosten pro Person: 10 Euro. Im Zeichen der Ausstellung steht auch der Film „Dior und ich“ am 24. Juni um 19 Uhr. In der Dokumentation geht es um den Designer Raf Simons, der unter anderem bei Dior, Calvin Klein und Jil Sander wirkte und mit dessen Stoffen TSATSAS eine neue Taschen-Kollektion entworfen hat, die in der Ausstellung präsentiert wird. Weitere Infos zu Öffnungszeiten und Führungen unter www.ledermuseum.de

In der Offenbacher Werkstatt des Vaters starteten die ersten Versuche: Vassilios Tsatsas war in den 1980ern aus Griechenland gekommen, hatte in Offenbach das Täschnerhandwerk gelernt und betrieb noch immer seine alte Lederwerkstatt. „Wir hatten natürlich ästhetisch ganz andere Ziele, wir wollten Dinge weglassen, so gut es geht“, sagt Dimitrios.

Handwerklich gesehen war das Weglassen aber gerade das Schwierige. Die Designer hinterfragten Methoden und Arbeitsschritte, der Vater tüftelte und feilte. Auf Fotos sieht man ihn am Holztisch an der Nähmaschine sitzen. Seine Arbeiterhände tauchen in einem Film auf, der in der Ausstellung einen Einblick in die Werkstatt gibt. Sogar ein eigenes Werkzeug stellte der Täschner für die neuen Anforderungen her, auch das ist ausgestellt: ein kleiner Holzblock mit im Halbkreis angebrachten Messern, die dem Leder an den richtigen Stellen die Spannung nehmen.

Wir gehen bewusst nicht mit den Trends.

Dimitrios Tsatsas

Es geht viel um Kraftübertragung. Die erste Tasche, „LUCID“, die gleich am Eingang der Schau zu sehen ist, hat in ihrer minimalistischen Eleganz die Besonderheit, dass der Griff nur an einer einzigen Naht befestigt, aber dennoch reißfest ist. Die schlichte Ästhetik ist nur möglich, weil das Handwerk unsichtbar bleibt. Dieses Prinzip ist auch in den nachfolgenden Modellen erkennbar: eine drastische Klarheit der Form, die in ihrer Zeitlosigkeit Statements setzt – und mit zum Erfolg geführt hat. „Wir gehen bewusst nicht mit Trends“, sagen die Designer. Die üblichen Taschen auf dem Markt könnten im Grunde auf fünf Modelle heruntergebrochen werden. „Wir hingegen greifen sehr stark in den Schnitt ein.“

Um neue Taschen zu entwickeln, arbeiten die Designer nicht am Computer, oft noch nicht mal mit dem Stift. Sie greifen zu Papier und formen ihre Ideen, wie auch in der Schau gezeigt wird. Nach den 3D-Papiermodellen werden Filzdummys genäht. „Designing by doing“, nennt Dimitrios das. Auch das Material selbst inspiriert die beiden: die Eigenarten des Leders, das sie im Übrigen als Verwertungsprodukt aus der Fleischindustrie beziehen und möglichst nachhaltig und klimaschonend gerben lassen. Vor allem Rindleder, Bison, Ziegenvelours und Lammnappa.

Auch Hillary Clinton wurde schon mit einer TSATSAS-Tasche gesehen

Als die Ecken eines an einem Haken hängenden Prototyps der „LUCID“ einsackten, gab das die Idee für die nächste Tasche: „FLUKE“ – eine der am meisten getragenen TSATSAS-Taschen, die als Unisex-Entwurf vor allem an Männer in Asien verkauft wird. Mittlerweile sei die „931“ der Bestseller: Sie wurde in den 60ern von dem ehemaligen Braun-Chefdesigner Dieter Rams für seine Frau entworfen, existierte aber immer nur als Einzelstück. 2018 legte TSATSAS eine minimal veränderte Version auf. „Gekauft wird sie vor allem von Kundinnen in New York“, sagt Esther Schulze-Tsatsas.

Den Erfolg ihrer Taschen, die von Berühmtheiten wie David Chipperfield oder 2016 auf einer Wahlkampfreise von Hillary Clinton durch die Welt getragen werden, nehmen die Designer ohne großes Überraschtsein hin. Auch das erklärt die Ausstellung: Die Taschen sind nicht nur verkäufliche Schönheit, sondern tragen Bedürfnisse und Visionen in sich – Dinge, die eben nicht sichtbar sind.

Luxus auf dem Förderband: 32 Taschen fahren im Kreis.
Luxus auf dem Förderband: 32 Taschen des Designerlabels TSATSAS werden im Deutschen Ledermuseum in einer riesigen Vitrine präsentiert. © Patrick Scheiber

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