Einzelhändler bei „Heimat shoppen“ im Fokus: „Wir geben Inspiration“

Die Aktion „Heimat shoppen“ rückt lokalen Handel in den Mittelpunkt und lockt Besucher in die Innenstadt.
Offenbach – Eine der wohl bekanntesten Interpretationen des Wortes „Heimat“ sind dem, kurzzeitig mit der Offenbacherin Lili Schönemann liierten, Dichter Johann Wolfgang Goethe zu verdanken. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein,“ ließ der seinen Faust schwärmen. Vor einigen Jahren wandelt eine große Drogeriemarktkette Goethes Definition ab und macht sie zu ihrem Werbeslogan – aus dem Sein wurde Konsum. Eben diese großen Handelsketten, oft außerhalb der Innenstädte, stehen bei der Aktion „Heimat shoppen“ zumindest nicht im Fokus. Stattdessen soll mit der bundesweiten Aktion, die am vergangenen Freitag und Samstag stattgefunden hat, die Bedeutung des lokalen Handels, lokalen Dienstleistungsunternehmen und Gastronomiebetrieben herausgestellt werden – sowohl für die Versorgung vor Ort als auch für das Miteinander der Stadtgesellschaft. Unterstützt von der Industrie- und Handelskammer Offenbach, beteiligt sich die Stadt in diesem Jahr zum zweiten Mal an der Aktion, bei der viele Geschäfte aus der Innenstadt und den Stadtteilen mitwirken.
Ein kleiner Streifzug durch die City führt zu einem Ort, an dem das Miteinander gelebt wird: Maschenwahn, ein Fachgeschäft für Wolle, das auch Kleidung für Groß und Klein im Sortiment führt. Inhaberin Ulrike Janssen bietet außerdem Strickkurse für Neulinge und Fortgeschrittene an, lädt zwei Mal im Monat zum Stricktreff. „Mittlerweile ist das Interesse an diesem Angebot, gemeinsam zu stricken, so groß, dass eine Anmeldung per E-Mail nötig ist – sonst wird es hier einfach zu voll“, sagt sie lächelnd.
So schafft Janssen einen Raum der Begegnung im Offenbacher Nordend. Besonders Menschen, die in der IT-Branche arbeiten, entwickelten zunehmend Begeisterung am Stricken, verrät die Inhaberin: „Sie wollen einfach auch mal ein Ergebnis ihrer Arbeit sehen, das hat man beim Stricken sofort.“
Ein besonderer Service von Ulrike Janssen ist das Ausliefern der Ware mit ihrem Drahtesel: „Das Fahrrad ist sozusagen mein Markenzeichen.“ Und wenn eine Kundin im Krankenhaus ist, aber große Lust hat zu stricken, kommt die Wolle eben zur Kundin. Für Janssen ist das selbstverständlich. Das wissen ihre Stammkunden zu schätzen, zu denen auch Jürgen Berneaud und seine Frau zählen. Er ist heute vor Ort, um Wolle für die noch zu strickenden Wintersocken zu kaufen. „Man hat eine gute Auswahl, gute Beratung und wenn mal was nicht da ist, wird es bestellt“, sagt der zufriedene Kunde.
Beim „Heimat shoppen“ kommen auch die Kleinen auf ihre Kosten. So gibt es in der Innenstadt als Rahmenprogramm diverse Angebote für Kinder. Sie können zum Beispiel am Aliceplatz basteln oder sich Tattoos aufmalen lassen und diese sogar noch mit Glitzersteinen verzieren. Diese kostenlose Aktion wird gut angenommen, wie Gwen Gründel berichtet: „Auch gestern waren schon viele Kinder da. Wir hatten immer was zu tun.“ Auf dem Platz sind auch wunderschöne Klavierklänge zu hören, die zum Musikhaus André führen. Der 13-jährige Aristotelis spielt auf einem der von der Beethoven-Schule gestalteten Klaviere, die in den letzten Wochen in der Innenstadt zum Musizieren eingeladen haben. Beim „Heimat shoppen“ können auch die E-Drums, die das Musikhaus im Sortiment hat, vor dem Geschäft ausprobiert werden, was ein kleiner Junge begeistert und ausgiebig nutzt. Bereits am Morgen hat das Musikhaus ein solches Instrument verkauft, wie Mitarbeiter Dogan Tekin verrät. Das Traditionsgeschäft existiert seit fast 250 Jahren und ist eines der wenigen Musikfachgeschäfte im Umkreis. „Wir sind eine kulturelle Institution in Offenbach – ein kleines Kulturzentrum – und für Musiker, die neu in Offenbach sind, die erste Anlaufstelle“, erläutert Inhaber Hans-Jörg André. „Das Netzwerk, das man bei uns findet, ist wichtig für Musiker und häufig sind wir auch der erste Kontakt zur nächsten Stelle“, führt er aus. „Wir sind mit den Menschen über die Musik verbunden, auch über Sprachgrenzen hinweg. Und wir verkaufen ja nicht nur, wir haben eine Intention und unsere Aufgaben gehen weit über den Aspekt des Verkaufens hinaus – wir geben Inspiration. Das ist unser Erfolgsrezept“, schlussfolgert Hans-Jörg André.
Und so wie Musiker und Musikerinnen heute, hat schon Goethe das Zusammensein mit den Andrés genossen. Während seiner Ausflüge nach Offenbach nutzte der Dichter gern die Gelegenheit, im Wohnhaus der Familie – das ganz in der Nähe von Lili Schönemanns Zuhause lag – vorbeizuschauen, wo gemeinsam musiziert wurde. Hans-Jörg André: „Ein Blick in Goethes Memoiren, ‚Dichtung und Wahrheit‘, lohnt sich, da kommen auch die Andrés vor.“

