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„Die Chemie stimmt“

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Von: Matthias Dahmer

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Notar Stephan Haack gilt als Kenner des Immobilienmarkts und des damit verbundnen Wandels der Stadt. Seine Kanzlei beurkundet eine Vielzahl von Grundstücks- und Immobilienverkäufen.
Notar Stephan Haack gilt als Kenner des Immobilienmarkts und des damit verbundnen Wandels der Stadt. Seine Kanzlei beurkundet eine Vielzahl von Grundstücks- und Immobilienverkäufen. © p

Nach dem Boom beim Wohnungsbau wird Offenbach nun offenbar auch als Gewerbestandort zunehmend interessant. Stephan Haack von der HaackSchubert Partnerschaftsgesellschaft gilt als einer der profiliertesten Kenner des Immobilienmarkts in Offenbach und im Rhein-Main-Gebiet.

Offenbach - Der 56-Jährige ist seit 27 Jahren Rechtsanwalt und seit 14 Jahren Notar. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der immobilienrechtlichen sowie erbrechtlichen Beratung.

Herr Haack, sind die Ansiedlungen von Samson und Biospring jetzt die Initialzündungen für einen Boom bei gewerblichen Immobilien in Offenbach?

Ich würde es nicht Initialzündung nennen, sondern lassen Sie es mich so formulieren: prominente Sichtbarkeit einer von langer Hand geplanten Stadtentwicklung. Offenbach befindet sich nach wie vor in einem Strukturwandelprozess, der an Fahrt aufgenommen hat. Ich meine hiermit nicht nur die viel beschriebene Gründerszene, die Ansiedlung von Dienstleistern verschiedenster Couleur sowie von kreativen Unternehmen, sondern insbesondere auch von hoch innovativen zukunftsorientierten und wachsenden Unternehmen, wie sie zweifellos Biospring oder Samson sind.

Was meinen Sie mit der von Ihnen beschriebenen planvollen Entwicklung und worin sehen Sie die Hintergründe dafür?

Nehmen Sie den Masterplan, die Entwicklung der Hafeninsel sowie die Entwicklung des Kaiserleigebietes oder den Ankauf des ehemaligen Clariant-Geländes. Alle diese Maßnahmen sind keine Zufallsprodukte, sondern Folgen einer auf viele Jahre angelegten Stadtplanung, ohne die der eben beschriebene Strukturwandel hin zu einer modernen Stadt mit innovativen, zukunftsorientierten Unternehmen nicht möglich wäre. Nur durch diese langen und teilweise für die Bürger und die städtischen Finanzen auch schmerzhaften Planungsprozesse, wie den Umbau des Kaiserleikreisels, können Kommunen nachhaltig ausgerichtet werden und im Wettbewerb um Neuansiedlungen bestehen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, die für Neuansiedlungen aber auch Standorterweiterungen unerlässliche Planungssicherheit.

Wo sehen Sie denn – abgesehen vom Clariant-Gelände – noch Flächenpotenzial für Neuansiedlungen?

Beispielhaft hervorzuheben ist natürlich das Kaiserlei-Gelände, die Entwicklung des Design-Ports am Hafen rund um den Neubau der Hochschule für Gestaltung, die wenigen noch vorhandenen Gewerbeflächen auf der Hafeninsel, aber auch die Entwicklung des Offenbacher Ostens mit dem Gewerbegebiet Daimlerstraße / Lämmerspieler Weg. Es stehen daher hochinteressante Flächen mit verschiedenen Schwerpunkten zur Verfügung, wobei dies allerdings nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Luft für Großansiedlungen eingeschränkt ist.

Zählt bei den Standort-Entscheidungen von Unternehmen eigentlich allein die verfügbare Fläche oder muss auch die Chemie mit den städtischen Verantwortlichen stimmen?

Natürlich stellt die Verfügbarkeit von entsprechenden Flächen beziehungsweise deren Lage und Verkehrsanbindung ein ganz wesentliches Entscheidungskriterium dar. Neben diesen Grundvoraussetzungen kommt nach meiner Wahrnehmung der – wie Sie sagen – „Chemie“ mit den städtischen Verantwortlichen eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Neben den Genehmigungs- und Planungsprozessen, welche eine lange Zusammenarbeit mit den verantwortlichen und handelnden Personen in der Stadt nach sich ziehen, zeichnen sich im besonderen Maße Unternehmer und Unternehmerinnen dadurch aus, dass sie ihre Entscheidung für eine bedeutsame Sache wie eine Standortveränderung von ganz zwischenmenschlichen Dingen und – davon bin ich überzeugt – letztendlich von ihrer Intuition und einem guten Gefühl leiten lassen. Die Chemie muss daher von Anfang an passen. Wie ich persönlich anhand vieler Beispiele weiß, ist man sich dessen in Offenbach nicht nur bewusst, sondern lebt dies über alle Ebenen hinweg.

Welche Rolle kommt bei solchen Gesprächen dem Wirtschaftsdezernenten, in den konkreten Fällen Samson und Biospring OB Felix Schwenke, zu?

Nach meiner Wahrnehmung kommt Herrn Dr. Schwenke eine ganz erhebliche, persönliche Bedeutung zu. Obwohl Herr Dr. Schwenke einen – wie ich weiß – unglaublich vollen Terminkalender hat, ist er (nicht nur) für ansiedlungswillige Unternehmen auch deutlich außerhalb der üblichen Geschäftszeiten jederzeit erreichbar und setzt sich für diese persönlich sehr ein. Durch verschiedene Unternehmer und Unternehmerinnen wurde mir bestätigt, dass dieser persönliche und unbürokratische Einsatz des Oberbürgermeisters, aber auch seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Ansiedlungsentscheidungen deutlich befördert hat.

Kommen wir zurück zu den Gewerbeimmobilien: Problemfall ist seit Jahren der City Tower. Wann und wie gelingt nach Ihrer Einschätzung dort endlich eine Vollvermietung? Der Brexit hat ja wohl nicht die erhofften zusätzlichen Mieter gebracht.

Warum sich der City Tower so schwertut, frage ich mich auch seit Langem. Meines Erachtens kommen hier verschiedene Dinge zusammen. So befindet sich die Innenstadt in einem langwierigen Umbauprozess mit Großbaustellen, wie zum Beispiel dem ehemaligen Toys’r’Us. Hinzu kommt, dass sich die Mieten für Gewerbeimmobilien im Innenstadtbereich sehr lange Zeit auf einem – vor allem für Hochhausimmobilien – deutlich zu niedrigem Niveau bewegt haben. Dem -– soweit ich weiß -– durch die Eigentümerin thematisierten Brexit hat man nach meiner Wahrnehmung im Kontext zur Gesamtbeschäftigtenzahl im Rhein-Main-Gebiet eine zu große Bedeutung beigemessen. Eine nicht zu unterschätzende Problematik ergibt sich hinsichtlich des City Towers zudem aus – wie soll ich es ausdrücken – einem zwischenzeitlich anhaftenden Makel, welcher durch die zahlreichen Verkäufe und vor allem sichtbaren Leerstände erzeugt wird.

Ist Besserung in Sicht?

Zumindest die beiden erstgenannten Punkte ändern sich derzeitig. So kommen endlich die Baustellen rund um den City Tower für jedermann sichtbar voran. Ferner schwappt das deutliche höhere Mietniveau der umliegenden Gewerbeneubauten langsam, aber stetig in zumindest die äußeren Teile der Innenstadt über. Sicherlich haben die beiden zurückliegenden Coronajahre der insgesamt sehr positiven Entwicklung einen gewissen temporären Dämpfer erteilt. Ich hoffe und ich denke aber, dass sich dies zeitnah wieder normalisieren wird und dass insgesamt durch das Hinzutreten von weiteren Hochhäusern, die teilweise ja bereits in Planung sind, sich auch für den City Tower in den nächsten Jahren verdiente Mieter finden lassen.

Ein Schwenk zum Kaiserlei: Dort scheint es – abgesehen vom Projekt Vitopia – zu laufen?

Beim Kaiserlei handelt sich um einen, bereits wegen seiner Infrastruktur hochinteressanten Gewerbestandort, der nicht nur im Rhein-Main-Gebiet seinesgleichen sucht. Ich bin daher zutiefst davon überzeugt, dass sich der Kaiserlei nach dem nunmehr sichtbaren baldigen Abschluss der Rückbauarbeiten des Kreisels vergleichsweise kurzfristig mindestens ähnlich erfolgreich wie die Hafeninsel entwickeln wird. Diese Meinung wird nicht nur durch die bereits erfolgten beziehungsweise heranrückenden Baumaßnahmen, wie beispielsweise der Helaba, das Hyundai-Gebäude oder das im Bau befindlichen Danfoss-Gebäudes, sondern auch durch die zunehmenden, uns bekannten Flächenanfragen und konkreten Gesprächen genährt. Ich bin daher davon überzeugt, dass der Kaiserlei zeitnah ein hochattraktives Eingangstor für Offenbach und Frankfurt sein wird.

Blicken wir in die jüngste Vergangenheit: Der Wohnungsbau in Offenbach boomte. Wurde also alles richtig gemacht, oder haben wir in einigen Jahren irgendwo ein Getto?

Wie die Entwicklung des Wohnungsbaus zeigt, wurde jedenfalls sehr viel richtig gemacht. Wie man bereits an der stetig wachsenden Einwohnerzahl ablesen kann, haben die Vielzahl der Neubauvorhaben zumindest bis heute zu keiner signifikanten Verdrängung, sondern vielmehr zu einer – dringend notwendigen – komplementären Ergänzung des Angebots geführt. Ich sehe auch keine Abschottungstendenzen. Im Gegenteil: Nehmen sie das Beispiel des Hafens.

Gibt es etwa im Nordend bereits die viel befürchtete Gentrifizierung oder ist das Panikmache?

Natürlich kann sich auch das Nordend nicht den steigenden Mieten vollständig entziehen. Von einer Gentrifizierung, zumindest im messbaren Umfang, kann man allerdings nach meiner Wahrnehmung weder im Nordend noch in der Innenstadt noch lange nicht sprechen. Wie in allen attraktiven und damit wachsenden Städten wird auch in Offenbach die Kunst darin bestehen, eine gesunde Mischung zwischen notwendigen Sanierungen, der Schaffung neuen Wohnraums bei gleichzeitigem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum zu schaffen. An dieser Stelle bin ich froh, nicht in der Politik zu sein.

Zum Abschluss: Wagen Sie doch mal eine Prognose – ist Offenbach in zehn Jahren ohne Geldsorgen und immer noch attraktiv für Ansiedlungen oder bleibt es weiterhin Sorgenkind des Rhein-Main-Gebiets?

Wie man an vielen Stellen sehen kann und wie durch die mediale Aufmerksamkeit dokumentiert wird, befindet sich Offenbach in einem hoch spannenden Wandlungsprozess. Auch wenn sicherlich noch viele Aufgaben und Probleme zu bewältigen sind, kann man meines Erachtens Offenbach bereits seit Längerem nicht mehr als das Sorgenkind bezeichnen. Offenbach wird sicherlich auch noch in zehn Jahren attraktiv für Ansiedlungen sein, die Geldsorgen werden auch nicht über Nacht verschwunden sein. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sich auch die finanzielle Situation durch die beschriebene, strukturelle Weiterentwicklung und dadurch bedingte Ansiedlung von interessanten Unternehmen sukzessive verbessern wird. Man muss aber realistisch bleiben. Offenbach ist nach dem Wohnungsbaumarkt nunmehr offensichtlich auch deutlich besser am Gewerbemarkt angekommen. Der Weg zu einer finanziell normalen Stadt wird aber noch ein ordentliches Stück sein.

Die Fragen stellte

Matthias Dahmer

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