Ein immerwährender Kampf

Angela Sindermann, Laura Dinger und ihre Kolleginnen sind in den vergangenen Monaten an ihre Grenzen gekommen. Mehr noch als sonst. Sie arbeiten für den Verein Frauen helfen Frauen, der das Offenbacher Frauen- und Kinderhaus sowie eine Beratungsstelle an der Bieberer Straße betreibt. Corona hat die Situation des Vereins, der seit Jahren mit personellen Engpässen, finanziellen Sorgen und den schlechten Bedingungen im Frauenhaus zu kämpfen hat, weiter verschärft.
Offenbach – Denn auch in Offenbach wurde in den vergangenen beiden Pandemie-Jahren deutlich, was bundesweit immer wieder thematisiert wurde: Dadurch, dass sich das Leben verstärkt in den eigenen vier Wänden abspielte, häufte sich häusliche Gewalt. „Da hat sich in vielen Familien die Lage zugespitzt“, sagt Angela Sindermann, die seit 22 Jahren für den Verein in der Beratungsstelle und mit den Frauen im Frauenhaus arbeitet.
Es wird ein neues Frauen- und Kinderhaus geben
Zwar sind die Zahlen in der Beratung nur leicht gestiegen. „Wir hatten vor allem sehr viele Anrufe und Online-Anfragen“, berichtet Sindermann. Und das, obwohl sich betroffene Frauen im Lockdown, wo der Partner ständig anwesend war, nur schwer Hilfe suchen konnten. Die Expertinnen gehen darum außerdem von einer hohen Dunkelziffer aus. Vor allem aber die Tatsache, dass die Anfragen im Frauenhaus in die Höhe schossen, zeigt, wie ernst es für viele Frauen und ihre Kinder in der Pandemie wurde. Dabei ist die Unterkunft in Offenbach ohnehin seit Jahren am Limit. In der Regel sind alle zehn Familien- und zwei Einzelzimmer – 32 Plätze insgesamt – belegt. Für Notfälle steht noch ein Sofa zur Verfügung. Ein neues Haus ist darum dringend notwendig, da sind sich Laura Dinger, Angela Sindermann und ihre Kolleginnen einig. Denn das alte ist laut Istanbul-Konvention nicht nur zu klein für eine Stadt wie Offenbach, es fehlt dort auch an der richtigen Ausstattung, um Frauen und Kindern den Neustart nach einer Gewalterfahrung so leicht wie möglich zu machen. „Es gibt keine richtigen Beratungsräume, kein Außengelände für die Kinder, außerdem ist alles in die Jahre gekommen“, zählt Laura Dinger auf, die seit Anfang des Jahres mit im Team ist.
„Nach wie vor wird Gewalt an Frauen von vielen als Einzelschicksal wahrgenommen“
Mittlerweile steht fest, es wird ein neues Frauen- und Kinderhaus geben. Es soll all das haben, woran es bislang fehlt. Im November machten die Stadtverordneten den Weg dafür frei. Frauen helfen Frauen ist als Trägerverein bereits in die Planung involviert. Auch wenn sich die pädagogischen Mitarbeiterinnen, die auch die Geschäftsführung übernehmen, darüber freuen: Für sie bedeutet es auch ein gutes Stück Arbeit. „Die Pandemie, die unsere Arbeit in der Beratung und im Frauenhaus erschwerte, dann hatten wir im vergangenen Jahr einen Wasserschaden und mussten das Haus zeitweise evakuieren, und zusätzlich die Vorbereitungen für die neue Unterkunft, das ist schon alles sehr viel“, sagt Angela Sindermann. Und das, obwohl das Team ohnehin schon längst unterbesetzt ist. Alleine für die Arbeit im Frauenhaus in seiner aktuellen Größe müsste es laut Empfehlung der Zentralen Informationsstelle der Autonomen Frauenhäuser insgesamt 10,8 Vollzeitstellen geben. Inklusive Vereinsgeschäftsführung stehen Frauen helfen Frauen allerdings nur etwa 4,3 Vollzeitstellen zur Verfügung. Das Problem: Die Zuwendungen von Stadt und Land seien zu gering, sagt Laura Dinger. Doch auch ohne all die Besonderheiten der vergangenen Monate habe sich die Arbeit in den vergangenen Jahren verändert, erzählt Angela Sindermann. Mittlerweile bleiben die Frauen deutlich länger im Frauenhaus, weil sie keine bezahlbaren Wohnungen finden, gleiches gilt für Kinder-Betreuungsplätze. „Außerdem haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen stark verändert, es gilt, viel mehr zu berücksichtigen, mehr Papierkram zu erledigen.“
Manches aber ändert sich nie: „Nach wie vor wird Gewalt an Frauen von vielen als Einzelschicksal wahrgenommen, stark an die Personen geknüpft, die betroffen sind“, sagt Laura Dinger. Ihre Kollegin Angela Sindermann bestätigt und ergänzt: „Dabei ist das kein Frauenproblem, sondern ein gesellschaftliches. Es wäre schön, wenn das endlich auch so wahrgenommen werden würde.“ (Lena Jochum)