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Offenbachs ältester Baum wächst seit 1590

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Von: Julius Fastnacht

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Im Offenbacher Wald steht die August-Reiß-Eiche. Ein Förster erklärt, wie sie über 400 Jahre alt werden konnte – und warum sie eine Zukunft hat.

Offenbach – Einmal war Förster Viktor Soltysiak-Voß schon zu Besuch beim Baum, der die Jahrhunderte überdauert hat. „Aber eben nur einmal in 30 Jahren Amtszeit“, sagt er und lächelt. Jetzt, beim Spaziergang durch Offenbachs Stadtwald, muss er suchen. Bis die Eiche plötzlich vor ihm in die Höhe ragt, abseits des Waldwegs: dunkle Rinde, grüne Krone, so dick, dass es vier Menschen bräuchte, um sie zu umfassen.

Die Rinde der Eiche hat sich wegen eines Blitzeinschlags verfärbt, sagt Förster Viktor Soltysiak-Voss.
Die Rinde der Eiche im Offenbacher Wald hat sich wohl wegen eines Blitzeinschlags verfärbt, sagt Förster Viktor Soltysiak-Voß. © fastnacht

Offenbacher Stadtwald: Offenbachs ältester Baum ist nach Förster benannt

Die August-Reiß-Eiche ist vermutlich der älteste Baum Offenbachs. Laut einem Handbuch des Offenbacher Vereins für Naturkunde soll er vor mehr als 430 Jahren, um 1590, gepflanzt worden sein. „Höhe ca. 40 m, Durchmesser 1,70 m, starkes Astloch, sonst in Ordnung. Wird noch einige Generationen überstehen“, steht da über das Gewächs, das sich zwischen Dietzenbacher Straße und Waldstraße versteckt.

Benannt wurde es nach August Reiß (1844 bis 1929), langjähriger Chef-Förster der Reviere Offenbach und Sprendlingen. Viktor Soltysiak legt eine Hand auf die Rinde. „Wie alt ein Baum wird, hängt von mehreren Punkten ab.“ Zum Beispiel könne der Baum ab einem gewissen Alter gefällt werden, um ihn für Bauholz, Möbel oder Papier zu nutzen. „Wenn ein Baum so lange steht, wie die August-Reiß-Eiche, dann hat er sich dafür vermutlich nicht geeignet.“

Und dann ist da noch ein anderer, ganz natürlicher Faktor: Wer auf den Stamm der Reiß-Eiche schaut, entdeckt im Zentrum eine dunkle Verfärbung – wie ein Mal oder eine Narbe. „Da ist irgendwann der Blitz eingefahren“, sagt der 64-Jährige. Häufige Todesursache für Bäume sind Stürme, die den Baum entwurzeln, seine Lebensadern kappen. Oder eben Gewitter, deren Blitze den Baum spalten. „Wenn das passiert, können Schadorganismen eindringen, die den Baum von innen zersetzen.“

Die Krone strahlt weiter grün – ein Zeichen dafür, dass der Baum dem Wald weiter erhalten bleibt.
Die Krone strahlt weiterhin grün – ein Zeichen dafür, dass der Baum im Offenbacher Wald erhalten bleibt. © Fastnacht, Julius

Offenbacher Stadtwald: Eichen sind resilient gegen Blitze, standhaft bei Trockenheit

Den Einschlag scheint die Reiß-Eiche jedenfalls verkraftet zu haben – eine Eigenschaft, die Eichen allgemein auszeichnet. „Blitze haben ihnen tendenziell weniger an. Das Holz im Kern ist nämlich recht trocken. Die wasserführenden Bahnen, die den Strom leiten, liegen im äußeren Bereich“, erläutert Soltysiak. Zum Vergleich: Der Holzkörper einer Fichte ist durch und durch wassergetränkt. „Wenn die vom Blitz getroffen wird, explodiert sie förmlich.“

Und dann ist da noch ein anderes Attribut, das die Eiche, immerhin im Stadtwappen verewigt, zu einem Baum mit Zukunftspotenzial macht: ihre Standhaftigkeit bei Trockenheit.

„Als ich vor 30 Jahren in Offenbach angefangen habe, gab es eine längere Trockenwetterphase“, erinnert sich der Förster. „Damals hat sich der Baumbestand von alleine regeneriert. Heute erholt der Wald sich nicht mehr so schnell.“ Stichwort Klimawandel. „Der Wald ist feinfühliger als wir Menschen. Die Natur bemerkt, wenn sich die Temperatur um einen Grad verändert.“

Offenbacher Stadtwald: „Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht“

Der Zustand der Wälder in Deutschland bleibt nach bundesweiten Daten angespannt. Die Baumschäden seien „weiterhin auf einem sehr hohen Niveau“, heißt es in der Waldzustandserhebung 2022 des Agrarministeriums. Deutliche Schäden zeigten über alle Arten hinweg 35 Prozent der Bäume – bei ihnen war mehr als ein Viertel der Krone licht.

Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als Indikator für den Gesundheitszustand. Bundesumweltminister Cem Özdemir (Grüne) sagt: „Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht.“ Das Ökosystem leide unter den Folgen der Klimakrise. (dpa)

Offenbacher Wald soll widerstandsfähiger gegen Klimawandel werden

Soltysiak und seine Kollegen kämpfen damit, einen klimaresistenten Baumbestand heranzuzüchten. Ziel ist ein Mischwald, der auch Dürreperioden übersteht – in dem könnte die Eiche eine wichtige Rolle spielen. „Grundsätzlich sind das sehr komplexe Entscheidungen. Wir wissen erst in 40, 50 Jahren, ob sie richtig waren“, sagt Soltysiak.

Und die August-Reiß-Eiche? Der bescheinigt Förster Viktor Soltysiak noch ein langes Leben: „Wenn man sieht, wie gesund und vital die Krone ist – die wächst noch 100 Jahre.“

Seit einem dreiviertel Jahr fügen Unbekannte dem Wald in Offenbach bewusst Schaden zu, indem ganze Gebiete mit Wasser geflutet werden. Die Folge: Die Wurzeln der Bäume werden faul, die Pflanze stirbt ab. (Julius Fastnacht)

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