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Ein Raum voller Möglichkeiten

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Von: Veronika Schade

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Einst eine Schlosserei, ist der 100 Quadratmeter große „Zweitlofft“ nun ein vielfältiger Raum zum Mieten. Die Holzdielen sind noch original aus den 1960ern und kamen erst bei der Renovierung wieder zum Vorschein.
Einst eine Schlosserei, ist der 100 Quadratmeter große „Zweitlofft“ nun ein vielfältiger Raum zum Mieten. Die Holzdielen sind noch original aus den 1960ern und kamen erst bei der Renovierung wieder zum Vorschein. © privat

Etwas versteckt in einem Hinterhof an der Bernardstraße 13 im Nordend findet sich ein Raum, der in der Region wohl einzigartig ist: Knarrende alte Holzdielen, ein backsteinumrahmter offener Kamin – Industriecharme der 1960er-Jahre, als er noch eine Schlosserei war, vereint mit moderner Ausstattung, einer kleinen Bühne, Kunst an den Wänden. Ein Ort der Kreativität und des Austausches, ein Raum, der verbindet. Alt und neu, Offenbach und die Region, Menschen miteinander. Ein Möglichkeitsraum. So nennen auch Adelheid „Bobbel“ Jacobs und Matthias Bringmann ihren „Zweitlofft“.

Offenbach - Er, 67 Jahre alt, gelernter Bühnenbildner, und sie, 56 Jahre alt, gelernte Grafikerin, lernen sich vor einigen Jahren über gemeinsame Bekannte kennen. Beide sind an einem beruflichen Scheideweg, sprechen zunächst unverbindlich über mögliche Zukunftsprojekte. Als sie von Bringmanns Vermieter erfahren, dass der Raum unter seiner Wohnung frei wird, der zuvor von einem Filmclub genutzt wurde, entwickeln sie die Vision von einem Ort der Begegnung. Der Entschluss fällt schnell, obwohl der 100 Quadratmeter große Raum sich in einem erbärmlichen Zustand befindet. „Die Decke war fast nicht mehr vorhanden, die Holzdielen von Matthias‘ Wohnung von unten zu sehen, die Fenster zugenagelt“, erinnert sich die Gründerin. „Doch wir konnten das ausblenden, haben uns darauf konzentriert, welches Potenzial er hat.“

Ende 2019 beginnen sie mit der Sanierung. Und zwar zunächst auf eigene Kosten. „Banken werben doch so gern damit, dass sie Gründern und Start-ups mit Krediten helfen wollen. Doch die Realität ist anders – wer kein Geld hat, bekommt auch keins.“ Vier Monate lang habe sie alle möglichen Banken abgeklappert. „Die Antworten waren teilweise unverschämt“, sagt sie kopfschüttelnd. Sie hat alle in einem Ordner aufgehoben. Auch einen KfW-Kredit habe es trotz energetischer Sanierung nicht gegeben.

Die notwendige Unterstützung erfolgt schließlich durch eine private Investorin – und die Stadt Offenbach mit ihrem Förderprogramm Groundfloor. „Alles, was die Stadt angeht, schätze ich sehr“, schwärmt Jacobs. Die Verwaltung erlebe sie als kommunikativ und offen, fühle sich ernstgenommen.

Auch für Offenbach an sich begeistert sich die Frankfurterin. „Hier tut sich unheimlich viel Gutes. Auch immer mehr Frankfurter finden Offenbach richtig cool.“ Kunden und Gäste kämen aus der ganzen Region, von Aschaffenburg bis in den Taunus. „Es spricht sich mittlerweile rum“, freut sie sich.

Ein richtiger Start aber wird zunächst von Corona ausgebremst, ist doch ein Ort für Treffen in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ein schwieriges Geschäftsmodell. „So konnten wir uns in Ruhe auf die Sanierung konzentrieren und uns Zeit lassen“, findet Jacobs einen positiven Aspekt. Seit vergangenem Jahr aber nimmt der „Zweitlofft“ endlich Fahrt auf.

Zum einen bietet er Platz für Kunst und Kultur. An der Wand hängen stets Bilder, die Ausstellung wechselt alle vier bis sechs Wochen. Dazu gibt es Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen, Vorträge – für Klein und Groß. „Wir haben hier in der Adventszeit schon gemütlich mit Kindern auf Sitzsäcken vor dem Kamin gesessen und gelesen“, erzählt Jacobs. Ein Wunsch von ihr ist, einen Seniorentanztee zu etablieren.

Doch von kulturellen Veranstaltungen allein könne man keine Miete bezahlen, weiß die Gründerin. So sind Tagungen, Workshops und Seminare ein wichtiges Standbein – Parteitreffen und Wirtschaftsmeetings finden ebenso statt wie „Business-Speed-Datings“, kleine Verkaufsmärkte regionaler Anbieter oder Wein- und Gin-Verkostungen.

Apropos Verkostung: Catering kann mitgebucht werden, ist aber nicht zwingend. Bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit „Nina‘s Food“ aus Dreieich, die rein vegane Gerichte anbietet. „Die Leute waren bisher durchweg begeistert“, betont Jacobs.

Die Kapazität des „Zweitloffts“ beträgt 70 Stühle, insgesamt ist Platz für 120 Menschen. Und obwohl der Raum nur fünf Meter schmal ist und sich dadurch in die Länge zieht, ist das Geschehen auf der Bühne auch hinten gut zu vernehmen – es wurde eigens ein Akustiker engagiert. Stundenweises Mieten ist ebenso möglich wie für mehrere Tage oder eine ganze Woche. „Wir versuchen, alle Wünsche möglich zu machen“, sagt die 56-Jährige.

Ihr eigener Wunsch hat sich auf jeden Fall mit der erfolgreichen Gründung erfüllt, die Arbeit bereitet ihr Freude, das Team soll erweitert werden. „Manchmal wünscht man sich einen Tag mit 48 Stunden“, sagt sie und lacht. „Aber das ist gut so.“

Von Veronika Schade

Die Zweitlofft-Gründer Adelheid Jacobs und Matthias Bringmann.
Die Gründer Adelheid Jacobs und Matthias Bringmann. © p

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