Wie ein schlichter Erbfall in Offenbach Nachlassgericht und Finanzamt überfordert
Es ist kein Geheimnis, dass die Mühlen der Gerichte in Offenbach langsam mahlen. Ein schlichter Erbfall am Nachlassgericht Offenbach treibt das nun auf die Spitze.
Offenbach – Es ist still geworden ums Offenbacher Nachlassgericht. Was aber nicht heißt, dass monatelanges Warten auf dringend benötigte Dokumente, dass Dutzende erfolglose Telefonanrufe und Mails, die im Nirwana landen, nun der Vergangenheit angehören.
Zahlreiche Beschwerden über die schleppende Arbeitsweise am Offenbacher Amtsgericht, welche die Redaktion in den vergangenen Monaten erreichten, glichen dem, was seit Jahren angeprangert wird, weshalb wir von einer Veröffentlichung abgesehen und versucht haben, den Betroffenen mit Adressen etwa beim zuständigen Ministerium zu helfen, wo sie möglicherweise mit ihren Anliegen weiterkommen.
Erbfall am Nachlassgericht Offenbach: Bürokratie und Behördenirrsinn
Der jüngste Fall ist jedoch zu haarsträubend, um unerzählt zu bleiben. Wobei – das sei eingeräumt – diesmal das Nachlassgericht nicht der einzige Schuldige ist. Die Chronologie: Mitte März 2021 stirbt ein Verwandter von Georg Stehr. Er hinterlässt ein Testament, in dem er seinen Nachlass geregelt hat. Dieses Testament reicht Stehr Ende März 2021 postalisch, per Einschreiben beim Offenbacher Nachlassgericht ein.

Das nächste, was passiert: Das Finanzamt Fulda meldet sich beim 81-jährigen Vater von Georg Stehr, weil der laut Totenschein als nächster Verwandter des Verstorbenen gilt, und fordert ihn zur Abgabe einer Erbschaftssteuererklärung auf. „Ich habe mit dem Finanzamt Kontakt aufgenommen und angegeben, dass ein Testament vorliegt, welches aber noch nicht eröffnet ist und dass mein Vater darin nicht als Erbe genannt wird. Sehr wohl aber ich und eine weitere Angehörige“ berichtet Georg Stehr.
Einige Monate gehen ins Land. Dann flattert den Stehrs – mit Fristsetzung -– die Aufforderung zur Erbschaftssteuererklärung ins Haus. Der Umstand, dass sie noch nicht offiziell Erben sind und dass sie noch keinen Zugriff auf den Nachlass haben, interessiert die Finanzbehörde nicht.
Erbfall am Nachlassgericht Offenbach: Ämter lassen nicht locker
„In der Hoffnung, das Procedere beschleunigen zu können, stellte ich Ende 2021 einen Online-Erbscheinantrag wie er in Hessen angeboten wird. Dieser ist bisher gänzlich unbeantwortet geblieben. Keine Eingangsbestätigung, keine Rückfragen kein Garnichts“, ärgert sich Stehr. Mit dem Hinweis, dass noch kein Erbschein existiert, gibt er mit den ihm zu dem Zeitpunkt vorliegenden Zahlen die angeforderte Erbschaftssteuererklärung ab. Einige Wochen später geht der Steuerbescheid zu – innerhalb von 30 Tagen soll Erbschaftsteuer in fünfstelliger Höhe entrichtet werden.
Eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt bleibt wieder erfolglos. Antwort der Behörde: Falls Stehr nicht zahlen könne, müsse er entweder einen Kredit aufnehmen oder einen Stundungsantrag stellen. „Einfach bizarr. Man stelle sich vor, der Erblasser hätte am Samstag vor seinem Ableben noch den Lotto-Jackpot geknackt. Dann hätte das Finanzamt Fulda ernsthaft einen höheren Millionenbetrag eingefordert – auf Vorschuss gewissermaßen“, sagt Georg Stehr.
Erbfall am Nachlassgericht Offenbach: Keine Reaktion auf Schriftverkehr
Da ist der Moment, in dem er einen Anwalt einschaltet. Der bewirkt, dass zumindest der Vollzug des Steuerbescheids ausgesetzt wird und erreicht, dass nach Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Präsidenten des Offenbacher Amtsgerichtes die Testamentseröffnung zugesandt wird. Stehr: „Nach exakt 15 Monaten. Die Kopie war rückdatiert auf Ende März 2021. Also wurde das Testament angeblich wenige Tage nach dem Einreichen erfasst, nur hat die postalische Zustellung dieser Erfassung fast 15 Monate gedauert.“
Der beauftragte Anwalt stellt nochmals einen Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins, was auch schon wieder mehr als drei Monate her ist. Stehr: „Schriftliche Nachfragen bewirken nichts. Es gibt einfach keinerlei Reaktion des Amtsgerichts Offenbach. Nicht per Post, nicht per Mail, nicht per Telefon. Einfach ein schwarzes Loch.“
Erbfall am Nachlassgericht Offenbach: „Inzwischen mehrere hundert Stunden“
Richter Christoph Eckert, stellvertretender Pressesprecher des Amtsgericht, redet zumindest nicht lange drumherum: In dem Fall ist es leider zu einer vom Gericht zu vertretenden erheblichen Verzögerung durch einen Bearbeitungsfehler gekommen. Das Gericht bedauert dies sehr.“ Hinzu komme, dass der Betroffene in diesem Fall offenbar von mehreren Behörden „zerrieben“ worden sei. Er könne aber versichern, dass Verfügungen vom Gericht nicht rückdatiert würden. Die Datumsabweichung spiegele nur den Zeitraum zwischen der Abfassung der Verfügung und deren Ausfertigung beziehungsweise Versendung wieder, so Eckert. Er verspricht, es sei nur noch wenig zu klären, bis Stehr seinen Erbschein erhalte.
Der zieht unterdessen ein bitteres Fazit: „Es sind inzwischen mehrere hundert Stunden, rund hundert E-Mails und postalische Schreiben, tausende Euro und unendlich viele Nerven in dieses Thema geflossen. Für einen völlig trivialen Erbfall – ein Mensch verstirbt, ohne direkten Angehörigen, mit klarem Testament, ohne Immobilienbesitz, ohne sonstige Beteiligungen an irgendwas. Schon dies überfordert die hessische Verwaltung und Justiz. Ich will nicht wissen - wie es anderen Menschen in Offenbach und drumherum ergeht, bei denen die Dinge etwas komplizierter sind. Da müssen sich wirkliche Dramen abspielen.“ (Matthias Dahmer)