Vor finalen Arbeiten an der Sprendlinger Landstraße: Verantwortliche ziehen positive Bilanz

Das Auto wird zwar nicht abgeschafft, aber alternative Verkehrsmittel rücken immer mehr in den Mittelpunkt. Speziell Fahrräder, elektrisch oder mit reiner Muskelkraft angetrieben, spielen eine wachsende Rolle und gelten als ökologische Hoffnungsträger. Lokal übernimmt das Bike Offenbach die Ausgestaltung – und zieht zum Start ins letzte Projektjahr eine positive Bilanz, obwohl finale Arbeiten noch anstehen.
Offenbach - Diese betreffen die sichtbarste Änderung zugunsten des Velos – die abgetrennte Radspur auf der Sprendlinger Landstraße (B 459) zwischen Offenbach und Neu-Isenburg. Um es kurz zu machen: Der Selbstversuch endet bereits am Ortsausgang. Den Wechsel von der gut ausgebauten Verbindung im Waldstück zwischen Caritas-Pflegeheim und Radstreifen verhindern ein Verbotsschild für Fußgänger/Radfahrer, Plastikbaken, Baumaschinen und aufgerissener Asphalt. Schade, also zurück in die Redaktion.
Am Abend folgt die erklärende Pressemitteilung von der Landesbehörde Hessen Mobil, die in dem zweijährigen Verkehrsversuch die Ausschreibung, Auswertung, Vergabe der Arbeiten sowie die Bauausführung übernimmt: „Nach der planmäßigen Winterpause starten am Donnerstag, 20.01.2022, die Arbeiten des zweiten Bauabschnitts.“ Übersetzt: Die Radverbindung ist scheinfertig. Vollendet wird sie im Frühjahr 2022...
Erheblich weiter ist das Projekt Bike Offenbach innerhalb der Stadtgrenzen: Neun Kilometer Fahrradstraßen und sechs Radachsen wurden seit Mitte 2018 auf den Weg gebracht. Stets wichtig für den Hinterkopf: Die Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs ist Teil der kommunalen Strategie, umwelt- und klimafreundliche Mobilität zu fördern. „Damit bringen wir den Luftreinhalteplan der Stadt voran“, sagt Bürgermeisterin Sabine Groß: „Um Luftverunreinigungen nachhaltig in den Griff zu bekommen, ist es wichtig, die Attraktivität anderer Verkehrsträger zu steigern und so zum Umstieg vom motorisierten Individualverkehr zu motivieren. Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur ist dabei ein wichtiger Baustein.“
„Bike Offenbach hat uns bei unserer Stadt- und Verkehrsentwicklung ein gutes Stück vorangebracht“, betont Baudezernent Paul-Gerhard Weiß. Um in einer wachsenden Stadt wie Offenbach die Mobilität für alle zu gewährleisten, sei es unabdingbar, den Radverkehr auszubauen: „Damit können wir die Straßen entlasten und Staus reduzieren, die Lebensqualität im Wohnumfeld verbessern und Standortvorteile schaffen.“
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) hatte im Sommer 2018 die finanziellen Mittel für das Verbundprojekt Fahrrad- (Straßen-) Stadt Offenbach bewilligt und stellte rund 4,53 Millionen Euro aus der Nationalen Klimaschutzinitiative zur Verfügung. Die neuen Fahrradstraßen finden sich nun in der Innenstadt und im Senefelderquartier ebenso wie im Nordend und in Bürgel. Radelnde haben dort grundsätzlich Vorrang und damit auch Vorfahrt – sie dürfen nebeneinander fahren und es gilt Tempo 30 für alle. Zudem heißt es in Offenbach in den meisten Fahrradstraßen „Anlieger frei“, es ist dort kein Durchgangsverkehr erlaubt. Zumindest theoretisch...
Um den Beitrag zur lokalen Verkehrswende umzusetzen, wurde für das Projekt ein Planungs- und Expertenteam zusammengestellt und zur Unterstützung die bei den Stadtwerken angesiedelte Projektentwicklungsgesellschaft mit dem Projektmanagement beauftragt. An der Gestaltung der Fahrradstraßen, für die es bundesweit bislang keine einheitlichen Vorgaben gibt, wirkte die HfG mit. Die Hochschule Darmstadt begleitet das Projekt wissenschaftlich und per Monitoring.
Insgesamt erfährt das Projekt viel Rückenwind: Wie eine Umfrage der Frankfurter Goethe-Universität und der HfG zeigte, finden gut 60 Prozent aller Autofahrer und 83 Prozent der Radler die Idee der Fahrradstraßen gut. Dass es bei der Umsetzung manchmal hapert, ist für die Radverkehrsbeauftragte Ivonne Gerdts nachvollziehbar: „Bis sich alle Verkehrsteilnehmenden an neue Regeln gewöhnt haben, braucht es einfach Zeit.“ Auch das Planungsteam setzte sich mit der neuen Materie auseinander und justierte etwa bei der Markierung der „Dooring-Zonen“ (aufschlagende Autotüren) nach.
Die neuen Fahrradstraßen und -achsen, die wichtige Verkehrswege in und um Offenbach abdecken, sollen alle Generationen zum Radfahren motivieren und dafür begeistern. „Wir haben sichere und direkte Verbindungen geschaffen und sprechen damit auch Nutzergruppen an, die bisher nicht mit dem Rad gefahren sind, etwa Schülerinnen und Schüler sowie Berufspendelnde“, sagt Projektmanager Ulrich Lemke. Gerade die innerstädtische Fahrt berge ein enormes Verlagerungs- und CO2-Einsparpotenzial: „40 Prozent der hier zurückgelegten Wege sind kürzer als vier Kilometer – und damit für die allermeisten gut mit dem Fahrrad zu bewältigen.“
Bis zum offiziellen
Abschluss des Projekts im Sommer 2022 stehen unter anderem noch die Fertigstellung der Schutzstreifen in der Seligenstädter Straße sowie der Bau von Querungshilfen (Dietzenbacher Straße, Seligenstädter Straße) an.
Von Martin Kuhn