Fahrradstraßen in Offenbach: Ein ausbaufähiges Erfolgsprojekt

Die Fahrradstraßen in Offenbach sind ein Erfolg - das ist das Ergebnis einer Studie des städtischen Fahrradprojektes Bike Offenbach. Doch in puncto Sicherheit gibt es Verbesserungspotenzial.
Die Fahrradstraßen werden in Offenbach immer bekannter und beliebter. Eine große Mehrheit hält deren Einrichtung seit 2018 für sinnvoll, allerdings ist das Gefühl der Sicherheit auf den Velopisten gesunken – auch, weil viele Autofahrer dort weiter zu schnell unterwegs sind.
Dies sind die zentralen Ergebnisse des Monitoring-Abschlussberichts für das städtische Fahrradprojekt Bike Offenbach, den die Hochschule Darmstadt jetzt vorgelegt hat. Die Aktiven des lokalen Radentscheids teilen diese Einschätzung weitgehend, formulieren aber konkrete Forderungen.
„Das wissenschaftliche Monitoring ist für uns sehr wertvoll“, unterstreicht Bürgermeisterin Sabine Groß (Grüne). „Mobilitätsthemen werden emotional diskutiert. Eine gute und wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Bewertung des Ausbaus von Fahrradinfrastruktur ist für die Beurteilung und Kommunikation daher zunehmend wichtig.“ Der Abschlussbericht zeige, dass es bei den Fahrradstraßen Verbesserungsbedarf gebe: „Die Stadtverordneten haben den Magistrat beauftragt, hier tätig zu werden, indem sie der Vereinbarung mit dem Radentscheid zugestimmt haben. Im Amt für Mobilität wird bereits daran gearbeitet.“
Sperrung von Verkehrswegen kann helfen
Aber fünf Jahre Fahrradstraße in der Senefelderstraße – und es wird immer noch zu schnell gefahren? Aus Sicht des Radentscheids muss gehandelt werden, um die Sicherheit der Fahrradstraßen „signifikant zu erhöhen“. Sprecher Jochen Teichmann sagt: „Moderne bauliche Maßnahmen wie Modalfilter oder Diagonalsperren können helfen, den Kfz-Durchgangsverkehr in Fahrradstraßen zu unterbinden.“ Ein weiteres Problem sei, dass einige Fahrradstraßen (etwa Hospital- oder Arndtstraße) durch beidseitiges Parken so verengt sind, dass Radfahrende und entgegenkommende PKWs nicht aneinander vorbeikommen. „Hier muss das Parkangebot im Sinne der Sicherheit der Radfahrenden entfallen.“
Wie in den meisten deutschen Städten seien auch in Offenbach bei der Aufteilung der Verkehrsflächen jahrzehntelang Autofahrer bevorzugt worden. Teichmann: „Eine Neuverteilung des öffentlichen Raumes ist Voraussetzung für die Verkehrswende.“ In der konkreten Umsetzung macht das jedoch oft Schwierigkeiten. Baulich getrennte Radwege sind wünschenswert, jedoch in den gewachsenen Strukturen der Städte nicht in allen Straßen räumlich machbar und stellen auch einen hohen finanziellen und planerischen Aufwand dar. „Hier gilt es genau abzuwägen, zeitnah umzusetzen und die gefundenen Lösungen zu evaluieren. Momentan gibt es in Deutschland ein breites Spektrum verschiedenster Radverkehrsanlagen. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich“, rät er.
Das Sicherheitsempfinden ist in der Nachher-Befragung schlechter geworden. Viele zweifeln, ob Fahrradstraßen für Schwächere eine sichere Radverkehrsanlage darstellen.
Bislang sind im Stadtgebiet neun Kilometer Fahrradstraßen entstanden. Die Begleitforschung konzentrierte sich auf die Teststrecke in der Senefelderstraße zwischen Starkenburgring und Bahndamm – seit jeher eine Haupt-Radler-Achse aus dem Offenbacher Süden. Wie der Bericht anhand von Verkehrszählungen belegt, ist der Anteil der Radelnden dort gestiegen, während die Zahl der Autos sinkt. Auch die gefahrenen Geschwindigkeiten im Kfz-Verkehr nehmen deutlich ab, sind aber immer noch teilweise zu hoch.
Fahrräder fahren mutiger in der Fahrbahnmitte - Folge: weniger Unfälle
Weiteres Ergebnis: Die Velos fahren nun mittiger – und damit selbstbewusster – auf der Fahrbahn. Dadurch ging die Zahl der Konflikte zwischen Rad- und Autofahrern messbar zurück. „Die Anzahl der Unfälle hat sich von 2018 bis 2020 deutlich reduziert“, zitiert die Leiterin des Amtes für Mobilität, Ivonne Gerdts, aus dem Bericht. Die frühere Radverkehrsbeauftragte hält dafür die „Dooring Zones“ für wesentlich: Diese blauen Markierungen wurden in Zusammenarbeit mit der HfG erarbeitet, um Radler in Fahrradstraßen vor eventuell aufschlagenden Türen der parkenden Autos fernzuhalten.
Denn gerade Unsichere, die sich in der Mitte der Straße nicht wohlfühlen, sind dadurch besonders gefährdet. 2021 gab es aber wieder mehr Unfälle, vor allem mit „ruhendem Verkehr“ – also parkenden Autos. Das zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, dass die Radler mittiger fahren – und dass die Verhaltensänderungen Zeit brauchen.

Für das Darmstädter Hochschulteam (Fachrichtung Bau- und Umweltingenieurwesen) sind die Ergebnisse aufgrund der ähnlichen Beschaffenheiten auf die anderen Fahrradstraßen in Offenbach übertragbar. Auf Basis der bisherigen Erfahrungen wünsche sich ein Großteil der Befragten nun regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen oder auch bauliche Maßnahmen, vor allem an den Kreuzungen. Insgesamt könne „Bike Offenbach“ als Erfolg gewertet werden, heißt es: „Die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges ist deshalb klar zu empfehlen.“
In der Summe stellt die Stadt pro Jahr mindestens 600 000 Euro eigene Mittel für den Radverkehr zur Verfügung – in Form von Markierungen, Beschilderungen und Baumaßnahmen. Der Monitoring-Abschlussbericht ist nachzulesen auf: www.bikeoffenbach.de