Sana-Klinikum Offenbach stellt neuen Chirurgie-Roboter vor

Der Operateur der Zukunft trägt eine 3D-Brille, sitzt an einer Steuerkonsole und bedient am Bildschirm einen Roboter, dessen gewaltige Arme die filigransten Eingriffe vornehmen. Am Offenbacher Sana-Klinikum ist dies bereits Realität: Vor einem dreiviertel Jahr hat das Haus ein robotisches Operationssystem erworben. „Das ist ein besonderes Ereignis für unser Haus“, sagt Geschäftsführerin Kirsten Kolligs.
Offenbach - Innerhalb der „Robotik Week“ in dieser Woche soll das millionenteure Gerät namens „Senhance“ der Marke Asensus Surgical der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das hiesige Sana-Klinikum ist eines von nur sechs Krankenhäusern bundesweit, das mit diesem System arbeitet.
Während in den USA und Frankreich robotische Chirurgie einen hohen Stellenwert hat, kommt sie in Deutschland bisher hauptsächlich in der Urologie zum Einsatz. „Wir wollen uns aber nicht nur darauf begrenzen, sondern ein ganzes Stück weiter denken“, betont Kolligs. So setzt mittlerweile auch die Frauenklinik, die Viszeralchirurgie, die Thorax-Chirurgie sowie das Adipositaszentrum den hochmodernen Operateur ein. „Bei unseren fünf klassischen OP-Tagen ist das bisher völlig ausreichend“, erläutert die Geschäftsführerin. Es geht um laparoskopische Eingriffe, also um minimalinvasive, kameragestützte Chirurgie „durchs Schlüsselloch“.
Die Patienten seien in den meisten Fällen offen gegenüber der neuen Technik. „Das ein oder andere Mal ist es vorgekommen, dass sie einen klassischen Eingriff bevorzugten“, sagt Dr. Michael Pauthner, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Sie hätten Bedenken, sich sozusagen in die Hände der Maschine zu begeben, fragten sich, welche Rolle überhaupt noch der Arzt spiele. „Es ist aber keineswegs so, dass der Arzt den Nachmittag auf dem Golfplatz verbringt, während der Roboter operiert“, formuliert es Gynäkologie-Chefarzt Prof. Christian Jackisch. Der Faktor Mensch spiele nach wie vor die entscheidende Rolle – und die Erfahrung eines Arztes sei niemals zu kompensieren oder gar zu ersetzen.
Nach wie vor ist es der Operateur selbst, der den Eingriff vornimmt, die Maschine ist sein Werkzeug und führt keine eigenständigen Bewegungen aus. Die Instrumente führt der an einer Steuerkonsole sitzende Operateur in seinen Händen, während er vor einem Monitor sitzend ein dreidimensionales Bild aus dem Inneren des Körpers erhält. Die Kamera reagiert auf Bewegungen der Pupille, passt ihr Bild entsprechend an. Die Roboterarme mit den daran befestigten Instrumenten ermöglichen eine Beweglichkeit und zitterfreie Präzision, die über die eines menschlichen Armes hinausgeht. Und ersparen den Operateuren und ihren Assistenten viel Kraft. „Das Halten der Kamera bei laparoskopischen Operationen ist in der Adipositas-Chirurgie durch die schweren Bauchdecken sehr anstrengend“, weiß Dr. Oliver Scheffel, Leiter des Adipositaszentrums. Für die Operateure, die sonst teils stundenlang über ihren Patienten gebeugt stehen müssen und nicht selten in Folge dessen Bandscheibenvorfälle erleiden, bringt der Roboter eine enorme körperliche Erleichterung mit sich. Thorsten Brandt von der Herstellerfirma Asensus Surgical spricht von einem „ermüdungsfreien Arbeiten“. Mental bleibt allerdings höchste Konzentration gefordert.
Roboterassistierte Chirurgie
Robotergestützte Interventionssysteme eröffnen immer neue und noch vor Jahren ungeahnte Perspektiven hoch präziser, minimalinvasiver Operationstechniken. Im Sana-Klinikum haben die Abteilungen für Urologie, Gynäkologie, Viszeralchirurgie, Adipositas-Chirurgie und Thoraxchirurgie diese innovativen Techniken zum Teil schon fest etabliert und bieten sie ihren Patienten für eine besonders schonende Behandlung bei laparoskopischen Operationen als chirurgische Alternative an, wo immer dies möglich ist. Das Roboter-System Senhance der Firma Asensus ist 1200 Kilogramm schwer, kostet je nach Aussführung 1 bis 2 Millionen Euro und hat drei bis vier Arme, mit denen am Patienten gearbeitet werden kann.
Aus jeder Abteilung sind mehrere Ärztinnen und Ärzte auf den Roboter geschult, haben in Italien an Tiermodellen geübt. Für jeden Benutzer merkt sich das System die jeweiligen Einstellungen. „Ganz ähnlich, wie das Auto verschiedene Fahrer erkennt“, erläutert Jackisch. Die künstliche Intelligenz lernt bei jedem Eingriff dazu, digitalisiert Operationsschritte – und verhindert Fehler. So ist es möglich, bestimmte verbotene Bereiche zu kennzeichnen. Zudem vermittelt der Sensor ein authentisches Berührungsgefühl des Gewebes. Ziel ist, dass die Operation so schonend wie möglich für die Patienten ist. „Eine Patientin ist mit mir kürzlich einen Tag nach der OP durchs Haus spaziert, das wäre nach einer klassischen Schnitt-OP kaum zu erreichen“, berichtet Prof. Peter Kleine, Chefarzt der Klinik für Thorax-Chirurgie.
Der Roboter leistet allein, wofür sonst ein mehrköpfiges OP-Team notwendig wäre. Doch Assistenten und OP-Schwestern sollen nicht ihre Funktion verlieren, werden zum Teil mitgeschult. „Ihre Arbeit wird sich verändern, aber wir brauchen sie weiterhin. Es geht keineswegs darum, sie zu ersetzen“, betont Geschäftsführerin Kolligs.
Die Chefärzte, die seit Jahrzehnten medizinische Errungenschaften miterlebt haben, zeigen sich über diese begeistert. So könnten sie eines Tages mit Kollegen in den USA und anderen Ländern gemeinsam operieren – eine reizvolle Zukunftsvision....
„Robotik Week“
Am Donnerstag, 28. und Freitag, 29. Oktober, haben Interessierte im Sana-Klinikum die Möglichkeit, die neue Technik direkt aus erster Hand kennenzulernen und auch selbst mit kleinen praktischen Übungen auszuprobieren. Der Chirurgie-Roboter ist im Foyer aufgebaut. Chirurgen der beteiligten Fachdisziplinen sowie Experten des Industriepartners informieren in kleinen Gruppen mit maximal fünf Teilnehmern über das System. Dauer der Vorführungen und Übungen: jeweils 30 Minuten. Die Teilnahme ist kostenlos. Voraussetzung ist eine schriftliche Anmeldung unter https://bit.ly/2YdZM0x. Das Hygienekonzept ist einzuhalten, es gilt die 3-G-Regel.
Von Veronika Schade
