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Flüchtlinge in Offenbach: Provisorium als Unterkunft

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Von: Frank Sommer

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Das Bürgerbüro Offenbach
Nach Offenbach geflüchtete Personen aus der Ukraine sollen sich im hiesigen Bürgerbüro melden. © Sommer (Archiv)

Die Flüchtlingsbewegung als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Wohnungssituation in Offenbach weiter verschärft: Es fehlt an regulären Wohnungen für die Flüchtlinge. Für die Stadt ein Dilemma, denn längst können nicht alle Hotels für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden – schon gar nicht dauerhaft. Sämtliche Turnhallen aber kostenaufwendig umzubauen, auf unbestimmte Zeit zu sperren und anschließend wieder zurückzubauen wie bei der letzten Flüchtlingsbewegung, ist jedoch auch keine Alternative.

Offenbach - Und so musste sie in den vergangenen Wochen auch Provisorien dulden: Etwa, dass in Gebieten, die nicht für Wohnnutzung ausgewiesen sind, übergangsweise Unterkünfte errichtet wurden. Vergleichsweise unproblematisch geht das im Gewerbegebiet Waldhof, wo die Organisation International Youth Fellowship (IYF), eine christlich orientierte Jugendorganisation mit Wurzeln in Südostasien, ihren Sitz hat. Vor einigen Wochen hat die Organisation in einer leer stehenden Etage des Gebäudes eine provisorische Unterkunft eingerichtet samt Betreuung und Spielmöglichkeiten für Kinder. Ehrenamtliche Helfer, die etwa Lebensmittel gespendet oder mit den Müttern und deren Kindern Zeit verbracht haben, berichten unserer Zeitung von einer engagierten Flüchtlingsarbeit, bei der vor allem den traumatisierten Kindern Zeit zur Eingewöhnung gegeben werde.

Wie problematisch gerade für die Kinder die neuen Begebenheiten in Deutschland sind, berichtet Natascha Tolochko, die in Kiew in einem deutschen Kindergarten gearbeitet hatte, bis sie fliehen musste. „In den ersten Tagen waren die Kinder sehr beunruhigt, wenn sie die Flugzeuge über Offenbach gehört haben – aus ihrer Erfahrung der letzten Tage bedeuteten Flugzeuge eben Angriffe mit Bomben“, sagt sie. Mittlerweile hätten die Kinder aber gelernt, dass der hiesige Fluglärm keine Angriffe künde.

Für Timotheus Chin vom IYF ein Beleg, dass man sich intensiv um die geflüchteten Kinder kümmern und ihnen Zeit geben müsse, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. „Wir haben mit den Kindern eine Fußballmannschaft aufgestellt und konnten samstags auf einem Platz trainieren, und wir haben ein Tanzprojekt gegründet“, erklärt er. „Viele unserer Unterstützer sind selbst einmal aus Korea geflüchtet und möchten nun anderen mit ihrer Hilfe etwas zurückgeben“, sagt Chin. Sehr beeindruckt zeigt er sich von der Hilfsbereitschaft der Offenbacher, die mit Lebensmitteln oder ihrem Engagement den Flüchtlingen Gutes tun wollten.

Die Unterbringung in Waldhof sei aber nur übergangsweise, betont er, lediglich für wenige Tage. „Um zur Ruhe zu kommen“, wie Chin sagt. Dann würden die Menschen durch die Kontakte der Organisation in private Wohnungen vermittelt. Auch im Offenbacher Bürgerbüro seien die Menschen gemeldet, betont er.

Ukrainische Flüchtlinge in Offenbach

Bis zur ersten Maiwoche sind 797 ukrainische Flüchtlinge in Offenbach gemeldet. In den ersten Wochen kamen bis zu 200 Personen nach Offenbach, mittlerweile sind die Zahlen stark rückläufig, in der Woche von Ende April wurden 40 ukrainische Flüchtlinge gemeldet. Die Stadt erinnert daran, dass sich Flüchtlinge im Bürgerbüro anmelden sollten. Menschen, die keine Unterkunft haben, sollen sich an die Erstaufnahmeeinrichtungen in Gießen oder Frankfurt wenden. Weitere Informationen in deutscher und ukrainischer Sprache gibt es auf der Seite der Stadt unter t1p.de/rcmk2.

Für die Stadt ein wichtiger Punkt, denn in Gewerbeimmobilien ist Wohnen nicht gestattet. Man habe der besonderen Situation der Flüchtlinge wegen eine Ausnahme gemacht, hieß es bereits vor einigen Wochen. Die Unterkünfte würden nicht dauerhaft geduldet und entsprechend kontrolliert.

Tatsächlich gab es beim IYF auch eine Kontrolle durch die Stadt, da der Verdacht bestand, es handele sich um „menschenunwürdige Zustände“ – was sich aber nicht bestätigte. Andernorts gab es aber wohl Unterkünfte, in denen Flüchtlinge unwürdig untergebracht wurden. So wurde eine Unterkunft in der Sprendlinger Landstraße geräumt und anschließend versiegelt, um weitere illegale Nutzung auszuschließen. Es sei ein schmaler Grat und viel Fingerspitzengefühl dabei von Nöten, sagt Sozialdezernent Martin Wilhelm. So müsse auch bei der Räumung darauf geachtet werden, dass die traumatisierten Menschen nicht weiter verunsichert würden.

Von Frank Sommer

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