„Fresstourismus“ verdrängt Stammkundschaft: Offenbach ringt um die Zukunft des Wochenmarkts
Offenbach diskutiert emotional über den Wochenmarkt am Wilhelmsplatz. Dieser habe sich zu einem „Fressmarkt“ entwickelt, kritisieren viele.
Offenbach – Eine emotionale Diskussion ist nach der Berichterstattung über die Probleme der Marktbeschicker am Wilhelmsplatz in der Stadt entbrannt. Diese hatten über die nachlassende Kaufbereitschaft und Kundenfrequenz geklagt. Die Vorsitzende des Vereins der Marktbeschicker hatte sich darin die Masse an Kaffeetrinkern und Spritz-Schlürfern mokiert, die „mit einem Salatkopf im Beutel, aber drei Latte Macchiato im Bauch nach Hause gehen“.
Die Reaktionen aufgeregter Marktbesucher ließen nicht lange auf sich warten. „Wir wurden jetzt von Kunden angesprochen, warum sie jetzt keinen Kaffee mehr trinken dürfen“, sagt eine Händlerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Es hat doch nie einer gesagt, dass es um die Kunden geht, die hier einkaufen und sich dann noch einen Kaffee genehmigen“, sagt sie, sichtlich entrüstet über die vielen Menschen, die „nicht verstanden haben, wo das Problem liegt“.
Es seien die Massen an Menschen gemeint, die den Wilhelmsplatz an Markttagen überrennen und belagern, dabei aber fast nie etwas auf dem Markt kauften. „Die sorgen nämlich dafür, dass die ohnehin schon schlechte Parkplatzsituation noch schlechter wird und sich viele unserer Stammkunden den Besuch deshalb am Samstag gar nicht mehr antun.“

Wochenmarkt in Offenbach: „Fresstourismus“ verdrängt Stammkundschaft
Eine Kundin, die das Gespräch gehört hat, pflichtet bei. „Hier findet durch den Fresstourismus schon länger eine Verdrängung der Stammkunden statt.“
Andere Beschicker dagegen sind wegen der Berichterstattung besorgt. Ein Händler befürchtet: „Wenn man so was Heikles anspricht, dann schadet es dem Markt und dem Geschäft mehr, als dass es hilft.“ Er müsse aber zugeben, dass sich das Beschrieben auch mit seiner Wahrnehmung decke.
Während nun manche Kunden, wie etwa Kommentator Elmar W. von „Kundenbeschimpfung“ sprechen, sieht das Marktkunde Hanns M. ganz anders: „Als passionierter Marktgänger fühle ich mich in keiner Weise beschimpft. Es ist doch wirklich so, es klaffen immer mehr Lücken, die ich mir nicht erklären konnte. Und tatsächlich kommen doch viele nur noch zum Essen und Trinken.“ Er habe den Wochenmarkt vor allem am Samstag wegen der großen Vielfalt sehr geschätzt. „Aber die Vielfalt schwindet. Wenn die Entwicklung wie am Konstabler Markt weitergeht, wird der Offenbacher Markt beliebig. Das wäre schade.“
Auch Kunde Rudi Hirschmüller ist am Dienstagmorgen über die vielen Lücken auf dem Platz bestürzt. „Mir fällt es schon länger auf, dass es gerade an den Dienstagen weniger wird“, sagt er. Auch hätten sich einige Händler komplett vom Offenbacher Wochenmarkt verabschiedet. Die Schuld dafür nur der Kaffeetrinker-Fraktion in die Schuhe zu schieben, ist ihm zu einfach. „Natürlich wäre es besser, wenn jeder, der den Vormittag auf dem Wilhelmsplatz verbringt, davor oder danach auf dem Markt einkauft“, sagt er. „Aber so entsteht ja auch ein tolles Flair, das den Markt so besonders macht.“
Offenbach: „Ein so früher Markt ist doch längst nicht mehr zeitgemäß“
Kunde Ömer Z. sieht das kritisch. Er kauft immer freitags auf dem Markt ein. „Früher bin ich samstags hin, aber das tue ich mir nicht mehr an“, sagt er. Der Markt bewege sich zumindest am Wochenende in Richtung des Marktes auf der Konstablerwache. „Das ist mittlerweile ein reiner Fressmarkt.“ Eine Vorstellung, wie man wieder mehr Kunden anlocken könnte, hat er auch. „Ein so früher Markt ist doch längst nicht mehr zeitgemäß.“ Vor dreißig Jahren habe das vielleicht noch funktioniert. „Heute arbeiten immer mehr Leute und die Zahl der Hausfrauen hat sich minimiert.
Wer soll denn da zwischen 7 und 14 Uhr unter der Woche auf den Markt kommen?“ Auch im Netz wird immer wieder an den Öffnungszeiten gerüttelt. Kommentatorin Petra S. schreibt: „Mir nützt zweimal Markt unter der Woche gar nichts. Bis ich vom Office in Offenbach bin, ist schon geschlossen.“
Ömer Z. sieht da aber die Verantwortung bei Marktbeschickern und Stadt. „Wenn dienstags keiner mehr kommt, sollte man diesen Tag vielleicht in einen Spätmarkt von 12 bis 19 Uhr umwandeln.“ So würde die arbeitende Bevölkerung nicht mehr ausgeschlossen. „Das sind garantiert nicht wenige Kunden.“ (Christian Reinartz)