Geduldsarbeit für Zappelphilipp

Es sind wahre Meisterwerke, die Andreas Zabicki in mühevoller Kleinarbeit erschafft und die nicht nur Liebhaber maritimer Gefährte begeistern. Der Bürgeler baut hölzerne Modellschiffe nach historischem Vorbild nach und macht dabei alles selbst - von der Segelnaht bis zur Galionsfigur.
Offenbach - Eigentlich hat er mit Schiffen nie etwas zu tun gehabt, erzählt der 79-Jährige. „Als junger Bursche hatte ich ein Segelpatent, aber das ist lange her, das war noch in Schlesien.“ Als er nach Deutschland kommt, macht er seinen Kfz-Meister, arbeitet als Elektroniker und Feinmechaniker, davon viele Jahre bei der Firma MAN. Eine Erkrankung zwingt ihn vor 17 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand. Dass dies der Startschuss für ein besonderes Hobby sein würde, das ihn nicht nur, aber gerade in Coronazeiten stets beschäftigt hält, ahnt er nicht.
Tatenlos zuhause rumzusitzen, das ist sowieso gar nicht seine Art. „Was Schlimmeres gibt es nicht“, findet der Tüftler, der auch viele seiner heimischen Möbel gebaut hat. Als ein Nachbar sich einen Modellsatz der Brigg „Blue Shadow“ von 1778 kauft, schaut er sich die Baupläne an, vergrößert sie - und beschließt, es selbst zu probieren. Aber nicht einfach mit den vorgefertigten Teilen, wenn schon, dann von A bis Z. Er kauft dünne Holzleisten, taucht sie in Wasser, biegt sie, tackert, leimt, streicht an. Filigranste Arbeit - und erst der Anfang.
„Es sind etwa 400 Meter Seil enthalten, mit zwei Pinzetten fein verknotet. „Die Seilleitern für den Mast sind besonders anspruchsvoll“, sagt er. Um Teile zu kleben, benutzt er eine Spritze, zum Schnitzen ein Skalpell. Vergoldungen und Verzierungen macht er selbst - inklusive der Flagge. „Nur die Kanonen sind gekauft“, gesteht er. Insgesamt gut 500 Stunden Arbeit stecken am Ende in einem Modell.
Sieben Exemplare nach Original-Bauplänen hat er bereits angefertigt, vom Segelkriegsschiff bis zum Walfänger. Vier davon waren fertige Bausätze. „Dafür brauche ich nur etwa 300 Stunden und es macht nicht ganz so viel Spaß“, sagt er augenzwinkernd.
Die Schiffe zu verkaufen, darüber habe er nie ernsthaft nachgedacht. „Wer würde das denn bezahlen?“, winkt er ab. Rund 8000 Euro würde ein Modell kosten, wenn man die Arbeitsstunden aufrechnet, „und das wäre noch nicht mal Mindestlohn“. Stattdessen verschenkte er lieber vier seiner Werke an Familienmitglieder und gute Freunde. So kann er selbst immer wieder ein Auge drauf werfen, wenn er sie besucht.
„Eigentlich ist er ein Zappelphilipp und Choleriker“, sagt seine Frau Angela mit liebevollem Seitenblick zu ihrem Mann. „Aber wenn er an seinen Schiffen arbeitet, ist er äußerst konzentriert und genau.“ So habe er schon mal elf Stunden an seiner Werkbank verbracht, nur „um ein Podest und ein Stück Treppe“ zu bauen. Sie wisse aber, wann sie ihn in Ruhe zu lassen habe. „Ich bin wirklich ein ungeduldiger Mensch“, bestätigt Zabicki, „aber wenn ich an meinen Modellen oder an einem Uhrwerk arbeite, vergesse ich die Zeit.“
Eine weitere Vorliebe des Bürgelers sind alte Fotoapparate, von denen er eine ganze Sammlung zuhause hat. Der älteste ist 100 Jahre alt. Auch daran fasziniert ihn die Technik. „Und die meisten funktionieren noch.“ So oder so, langweilig wird dem 79-Jährigen nicht: „Das ist die beste Übung für Finger und Kopf!“
Übrigens: Schwimmen können seine Schiffsmodelle auch. Er hat es ausprobiert - ist doch Ehrensache...