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Gefangen im Solardach-Deal

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Von: Matthias Dahmer

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Auch das Dach der Schillerschule ist großflächig mit Solarmodulen bestückt.
Auch das Dach der Schillerschule ist großflächig mit Solarmodulen bestückt. © stadt

Vertrag mit Investor läuft noch bis 2028 /  Stadt Offenbach baut und nutzt Photovoltaikanlagen mittlerweile selbst

Offenbach – Die Offenbacher Energiewende begann am 31. Mai 2008. An diesem Tag unterzeichnete die damalige Rathaus-Spitze, Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) und Bürgermeisterin Birgit Simon (Grüne), nach einem Ausschreibungsverfahren einen über 20 Jahre laufenden Vertrag mit einem privaten Investor. Dessen Inhalt: die Nutzung von insgesamt 19 Dachflächen auf städtischen Schulen für die Errichtung und den Betrieb von Solarstromanlagen.

Die noch bis 2028 laufende Vereinbarung sieht vor, dass der Investor eine jährliche Pacht von 20 Euro netto pro Kilowatt-Peak (kWp) bezahlt. Zur Erläuterung: kWp ist der Begriff für die Nennleistung (Dauerleistung) einer Photovoltaikanlage. Moderne Anlagen erzeugen pro kWp im Jahr etwa 1000 Kilowattstunden Strom. Die Gesamtleistung der Photovoltaikanlagen auf den verpachteten Schuldächern beläuft sich auf etwa 720 kWp.

Ein Geschäft, das sich lohnt für die Stadt oder hat sich die Kommune seinerzeit über den Tisch ziehen lassen? Auf den ersten Blick scheint Letzteres zuzutreffen. Die jährlichen Pachteinnahmen der Stadt belaufen sich den Angaben zufolge auf gerade mal 17 000 Euro (720 kWp mal 20 Euro plus einem nicht näher erläuterten Zuschlag).

Das, was der Pächter erzielt, war zumindest in den Anfangsjahren um ein Vielfaches höher: Die Einspeisevergütung lag seinerzeit bei 44 Cent pro Kilowattstunde. Legt man zugrunde, dass damaligen Anlagen pro 1 kWp rund 900 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugten, ergibt das bei 720 kWp insgesamt 648 000 Kilowattstunden per anno. Multipliziert mit 44 Cent kommt man auf eine Summe von 285 120 Euro im Jahr. Im Laufe der Zeit ist die Vergütung zwar rapide gesunken: Seit 30. Juli dieses Jahres gibt es fürs Einspeisen bei Anlagen ab 40 kWp gerade mal 6,2 Cent pro Kilowattstunde. Macht aktuell unterm Strich aber immer noch knapp 39 000 Euro für den Investor – mehr als das Doppelte dessen, was die Stadt als Pacht einnimmt.

Ein Branchenkenner nimmt die Stadt dennoch in Schutz. Der ausgehandelte Vertrag bewege sich – auch in Sachen Laufzeit – im damals üblichen Rahmen. Er kenne andere Städte, in denen die Pacht zwischen 10 und 15 Euro pro kWp betrage. Der Fachmann gibt zu bedenken, zur damaligen Zeit seien etwa die Investitionskosten für eine Solaranlage auch wesentlich höher gewesen.

Ähnlich argumentiert man bei der Stadt: „Seinerzeit waren die technischen und rechtlichen Möglichkeiten zur Erzeugung von Photovoltaik noch ganz andere als heute, auch in Bezug auf die technisch erforderliche Einspeisung“, sagt Stadtsprecher Fabian El Cheikh.

Anna Heep, Bereichsleiterin Hochbau, ergänzt: „Bei Start des Schulbausanierungsprogramms konnten wir nicht auch noch den Bau von PV-Anlagen auf den Dächern finanzieren. Deshalb hatten wir uns für das Pachtmodell entschieden, wozu es auch einen Stadtverordnetenbeschluss gab.“ Dennoch: Einen solchen Kontrakt würde man wohl nicht mehr abschließen. „Das Thema hat deutlich an Relevanz gewonnen. Deshalb hat die Stadt bereits bei Schulbauprojekten in den letzten Jahren selbst Photovoltaikanlagen errichten lassen und nutzt die erzeugte Strommenge selbst für die Gebäude“, berichtet El Cheikh.

Das Thema Solarenergie soll entsprechend seiner Bedeutung in Zukunft auf breiter Front angegangen werden. Die Stadtwerke befassen sich nach Angaben von El Cheikh mit dem Vorhaben, Photovoltaik in größerem Stil zu nutzen und erarbeiteten derzeit ein ganzheitliches Konzept, das unter anderem auch die komplizierten Betreiberfragen regele. „Ziel dabei ist immer zuerst die Eigenbedarfsnutzung. Auch die GBO beispielsweise prüft die Erzeugung von eigenem Strom zur Abnahme für ihre Mieter“, informiert der Stadtsprecher.

Derzeit sei – neben dem Projekt Einrichtung einer Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum – auch ein Vorhaben zu Photovoltaik auf städtischen Dächern in Vorbereitung. Es befinde sich in der politischen Vorabstimmung, Beschlüsse würden folgen. El Cheikh: „Geprüft werden dabei alle Liegenschaften in städtischem Eigentum unter anderem bezüglich der Eignung für Photovoltaik, der Fördermöglichkeiten und der Investitionskosten.

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