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„Wir müssen umdenken“: Grundwasserspiegel im Raum Offenbach bereiten Sorge

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Von: Frank Sommer

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In der Filterhalle des Wasserwerks Hintermark wird das Wasser „entspannt“, der PH-Wert angepasst. ZWO-Chef Bernd Petermann prüft vor den vier Meter tiefen Becken den Filter-Ablauf.
In der Filterhalle des Wasserwerks Hintermark wird das Wasser „entspannt“, der PH-Wert angepasst. ZWO-Chef Bernd Petermann prüft vor den vier Meter tiefen Becken den Filter-Ablauf. © Sommer

Durch den Bevölkerungszuwachs in der Region steigt der Wasserverbrauch. Der Zweckverband Wasserversorgung Stadt und Kreis Offenbach ruft zu einem Umdenken auf.

Offenbach – Wenn in Offenbach ein Wasserhahn aufgedreht wird, stammt das herausströmende Nass mit großer Sicherheit aus der Gegend zwischen Heusenstamm und Dietzenbach. Circa 20 Brunnen gibt es rings um das Wasserwerk Hintermark nahe Patershausen. Von dort wird seit Jahrzehnten Wasser Richtung Offenbach gepumpt, um die Bevölkerung zu versorgen. 1 800 Kubikmeter werden dort pro Stunde gefördert.

Was aber, wenn das Wasser nicht mehr ausreicht, um die Bevölkerung zu versorgen? Eine Frage, die in diesem Sommer heftig diskutiert wurde: Denn der für Stadt und Kreis zuständige Zweckverband Wasserversorgung (ZWO) musste Plänen für Neubaugebiete bei Seligenstadt und Mainhausen eine Absage erteilen – die Wasserversorgung könne nicht garantiert werden, erklärte der Verband.

Die Forderung von Lokalpolitikern, dann müsse der ZWO eben mehr Wasser fördern und mehr Wassergewinnungsrechte ausrufen, sei zu kurz gedacht, sagt Peter Schneider, Vorstandsvorsitzender des ZWO. „Wir haben inzwischen eine bedenkliche Situation bei den Grundwasserständen erreicht“, erklärt der frühere Offenbacher Bürgermeister. ZWO-Chef Bernd Petermann bestätigt dies: „Im August meldeten 17 der 109 Messstellen eine Unterschreitung des Grundwassergrenzwerts.“

Starker Bevölkerungszuwachs in Offenbach: Pflanzen sind gefährdet

Mehr zu fördern würde bedeuten, das Grundwasser weiter abzusenken – und die Gefahr herbeizuführen, dass das Wasser nicht mehr für alle in der Region ausreicht. Im Vogelsberg etwa musste bereits in vergangenen Jahren die Bevölkerung per Tankwagen versorgt werden, da die Brunnen nicht mehr genug führten. Besonders im Gebiet Lange Schneise bei Rodgau sei es um die Grundwasserstände schlecht bestellt, da dort die Beschaffenheit des Bodens problematisch sei. „Das Wasser fließt Richtung Main, die Grundwasserstände erholen sich nicht. Wenn wir dort mehr fördern, haben die Pflanzen keinen Zugang mehr zum Grundwasser“, sagt Petermann.

Der starke Bevölkerungszuwachs macht sich zudem deutlich bemerkbar: Wurden 2005 für die Stadt Offenbach noch 5,7 Millionen Kubikmeter Wasser gefördert, werden mittlerweile sieben Millionen benötigt. „Wir haben Wasserrechte für 20,2 Millionen Kubikmeter, in den Jahren seit 2017 müssen wir mehr als 90 Prozent davon ausschöpfen“, erklärt Schneider. Mit aktuell 19,5 Millionen kratze man gefährlich an der maximalen Fördermenge von 20,2 Millionen Kubikmetern. „Bei dieser Auslastung muss es einem eiskalt den Buckel runterlaufen“, sagt er.

Offenbach: Zweckverband Wasserversorgung ruft zum „Umdenken in Sachen Trinkwasser“ auf

Daher habe der Verband die Reißleine ziehen müssen, als Ostkreis-Kommunen ohne Absprache neue Baugebiete ausweisen wollten. „Wir wurden gar nicht gefragt, sondern es hieß, dass der ZWO das Wasser einfach zu beschaffen habe.“ Die Verärgerung über dieses Vorgehen ist Schneider deutlich anzumerken. „Wir müssen umdenken in Sachen Trinkwasser“, fordert er.

Der Zweckverband

Aufgabe des 1965 gegründeten Verbands ist die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Wasser. Der ZWO versorgt 480 000 Einwohner in Stadt und Kreis Offenbach, davon werden 350 000 voll und 130 000 teilweise versorgt. Außerdem werden die Hanauer Stadtteile Steinheim und Klein-Auheim mit Wasser beliefert. Jährlich werden bis zu 19,5 Millionen Kubikmeter an die Bevölkerung abgegeben, allein für die Stadt Offenbach etwa sieben Millionen Kubikmeter – 20 Millionen Kubikmeter dürfen allerdings maximal gefördert werden. Der ZWO unterhält sechs Wasserwerke in der Region, das Wasser stammt aus 109 Förderbrunnen, die sich auf elf Wassergewinnungsgebiete verteilen. In den Wasserwerken wird das geförderte Wasser chemisch-physikalisch oder nur physikalisch aufbereitet. Der ZWO beschäftigt 83 Mitarbeiter. Weitere Infos unter zwo-wasser.de

Der ZWO hat daher alle Bürgermeister der Region angeschrieben und ihnen dringend empfohlen, Wassernotstandsverordnungen zu erlassen. Während etwa Offenbach jüngst eine entsprechende Verordnung verabschiedet hat, sind andere Kommunen untätig. „Fast die Hälfte hat bisher nicht reagiert“, sagt Schneider. In Zukunft, da sind sich Petermann wie Schneider einig, müsse verantwortungsvoller mit dem kostbaren Nass umgegangen, der Verbrauch gesenkt werden. „Muss der Rasen wirklich mit Trinkwasser gesprengt werden?“, fragt Petermann rhetorisch.

Bei Bauprojekten müsse mehr auf die Nutzung von Niederschlagswasser geachtet werden, es brauche Zisternen oder andere Systeme für Toilettenspülungen. Doch dafür gibt es keine gesetzliche Pflicht, die Umsetzung ist freiwillig – und mit hohen Kosten verbunden. Das, erklärt Schneider, müsse sich ändern. „Die Lage ist ernst.“ (Frank Sommer)

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