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Gruppenschließungen im Herbst? Bürgermeisterin äußert sich zu Personalkrise in Kitas

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Von: Christian Reinartz

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Baustelle Kindertagesstätte: Die Einrichtungen in Offenbach leider besonders unter dem Erziehermangel. Dazu kommen hohe Krankenstände gegen Corona. Im Herbst könnte die Lage noch ernster werden.
Baustelle Kindertagesstätte: Die Einrichtungen in Offenbach leider besonders unter dem Erziehermangel. Dazu kommen hohe Krankenstände gegen Corona. Im Herbst könnte die Lage noch ernster werden. © DPA

Der Krankenstand beim Kita-Personal in Offenbach stellt die Kinderbetreuung auf die Probe. Die zuständige Bürgermeisterin erklärt, wie es weitergehen kann.

Offenbach – Nach dem Bericht über 171 krankgemeldete Kita-Erzieherinnen allein im März, liegen die Zahlen nun auf dem Tisch und lassen in der Elternschaft Fragen aufkommen. Die Redaktion hat deshalb mit der zuständigen Dezernentin, Bürgermeisterin Sabine Groß, über die schwierige Situation und über mögliche Vorbereitungen auf die nächste Corona-Welle im Herbst gesprochen.

Fast ein Drittel der Erzieherinnen in den städtischen Kitas sind im März krank gewesen. Wie kam es dazu?

Wir sprechen dabei von der Gesamtzahl des krankgemeldeten Personals im Monat März 2022, nicht täglich. Dennoch ist der Personalausfall überdurchschnittlich hoch: Erkrankungen, Quarantäne und die Betreuung eigener Kinder führen dazu. Hinzu kommt, dass viele Mitarbeitende aufgrund von persönlichen Betreuungsaufgaben ihren Stellenumfang reduziert haben. Und der Personalbedarf ist in der Pandemie höher als während des Regelbetriebes.

Was heißt das genau?

Im Normalbetrieb werden die Kinder, die in den Randstunden ein Betreuungsangebot benötigen, gruppenübergreifend betreut. Dafür braucht es bedeutend weniger Personal. Wenn aber die Kinder aus den verschiedenen Gruppen nicht gemischt werden können, ist es oft so, dass nur sehr wenige Kinder aus jeweils einer Gruppe in den Randzeiten ein Betreuungsangebot benötigen.

Man könnte mehr Personal einstellen...

Das würden wir gern. Das scheitert auch nicht daran, dass wir dafür nicht genug Geld oder Stellen im Stellenplan vorsehen. Es herrscht Fachkräftemangel. Dies trifft auf das ganze Rhein-Main-Gebiet zu. Deswegen versuchen wir auf vielfältige Weise Personal zu gewinnen und auch auszubilden. Zusätzlich wird die kritische Situation durch den Bevölkerungsanstieg, gesetzliche Veränderungen und auch durch die von uns in Offenbach 2018 im Sinne der Elternbedarfe beschlossene Erweiterung des Betreuungsumfangs verschärft.

Kita-Situation in Offenbach: Finanzlage erschwert Arbeitsalltag

Ist Offenbach von dieser Entwicklung besonders betroffen?

Offenbach ist mehrfach strukturell benachteiligt. Das Bevölkerungswachstum erfordert zusätzliches Personal. Gestiegene Wohn- und Lebenshaltungskosten in den Ballungsgebieten wirken sich im Werben um Fachkräfte nachteilig aus. Auch vor dem Hintergrund, dass in der Pandemie viele im Umland wohnende Fachkräfte einen wohnortnahen Arbeitsplatz gesucht und gefunden haben. Aufgrund der Finanzlage Offenbachs sind Maßnahmen, die den Arbeitsalltag erleichtern und im Werben um Fachkräfte entscheidende Argumente sein könnten – etwa die Reduktion der Gruppengröße unter die gesetzlich vorgesehene Höchstzahl – oftmals schwer umzusetzen, da sie nicht finanzierbar sind.

Was tun Sie, um die Situation in den Griff zu bekommen?

Wir haben eine Werbeoffensive für den EKO auf den Weg gebracht und wir unterstützen Mitarbeitende und Auszubildende, sich weiter zu qualifizieren. Das reicht von Sprachkursen bis hin zum Abschluss einer pädagogischen Ausbildung. Damit können Mitarbeitende, die als Seiteneinsteiger anfangen, als Fachkräfte mitarbeiten. Die städtischen Kitas erweitern neben diesen mittel- und langfristigen Maßnahmen auch kurzfristig ihre Angebotsstruktur, zum Beispiel durch die Finanzierung von Angeboten mit Kooperationspartnern. So wollen wir nicht nur quantitativ den Einschränkungen entgegenwirken, sondern Kindern auch ein qualitativ gutes Angebot sichern.

Gibt es Ansätze, wie man für den Herbst vorbeugen kann?

Was im Herbst unternommen werden kann und muss, wird wesentlich von der Entwicklung des Virus abhängen. Seit Beginn der Pandemie ist das Virus mehrfach mutiert und hat sich auch in Bezug auf die Erkrankung von Kindern verändert. Kinder waren zu Beginn kaum betroffen. Dann sind bei den Kindern die Infektionszahlen gestiegen. Das wirkt sich auf den Betrieb von Kitas in doppelter Hinsicht aus.

Erklären Sie das, bitte.

Einerseits wollen wir die Kinder vor Infektionen schützen und dies auch vor dem Hintergrund möglicher Langzeitschäden. Zudem stellt sich bei einer hohen Anzahl von erkrankten Kindern bei uns die Frage der Verfügbarkeit von Personal. Wie sich das Virus weiter entwickeln wird, vermag niemand vorherzusagen. Ebenso wenig ist die Frage geklärt, ob es für Kinder im Kitaalter zukünftig einen Impfstoff geben wird und wie sich insgesamt die Wirksamkeit der Impfstoffe bei möglichen weiteren Varianten entwickelt.

Kitas in Offenbach: Impfungen helfen beim Aufrechterhalten des Betriebes

Es bleibt also nichts, als sich überraschen zu lassen?

In zwei Jahren Pandemie sind bereits viele Maßnahmen entwickelt und Strukturen aufgebaut worden, auf die wir zurückgreifen können. Wie wichtig es ist, auch während der Pandemie Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder zu gewährleisten, ist auf allen Ebenen bekannt. Die Aufrechterhaltung des Betriebs wird daher von allen Ebenen unterstützt. Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und es geht auch um das pädagogische Angebot für Kinder und den Kontakt zu Gleichaltrigen. Oft gesagt, aber nicht zu unterschätzen, ist, dass sich die Bevölkerung möglichst durch Impfungen immunisiert, weil die Infektionen milder verlaufen. Das hilft uns auch bei der Aufrechterhaltung des Kita-Betriebes.

Bürgermeister Sabine Groß
Bürgermeister Sabine Groß © -

Ist eine interkommunale Aushilfe denkbar?

Steuerungspolitisch und arbeitsrechtlich ist dies schwer umsetzbar. Zudem müsste es hierfür Träger oder Kommunen geben, die selbst in der Pandemiesituation mehr Fachkräfte beschäftigt haben als benötigt. Der Aufbau eines Fachkräfte-Pools für Krisensituationen, zum Beispiel durch das Land, wäre eine theoretisch denkbare Variante. Angesichts des akuten Fachkräftemangels würden diese Personen aber bereits im Regelbetrieb benötigt, was den Aufbau eines Pools für Krisenzeiten wiederum unrealistisch erscheinen lässt.

Was erwarten Sie von Bund und Land, um das System in Zukunft krisenfester zu machen?

Die Maßnahme zur Erhöhung des Personalmindestbedarfs in Kitas im Rahmen der Umsetzung des KiQuTG (Gute-KiTa-Gesetz) in Hessen ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie ist aber zum einen vom Land nicht ausreichend gegenfinanziert und zum anderen ist die vorgegebene Umsetzung zum 1. August angesichts der Pandemie- und aktuellen Personalsituation für viele Einrichtungen nicht einzuhalten.

Was wären die Folgen?

Das Ergebnis wäre nicht ein Mehr an Personal pro Gruppe – das Ziel der Maßnahme – sondern wegen der Nichterfüllung des höheren Personalbedarfs die Notwendigkeit, Gruppen zu schließen. Hier müsste das Land unseres Erachtens nach, den verpflichtenden Zeitpunkt zum 1. August verschieben, Stufenpläne und Übergangsregelungen ermöglichen und gegebenenfalls den Fachkräftekatalog nochmals erweitern.

Das Gespräch führte Christian Reinartz.

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