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Heftige Debatte um Radstreifen-Testbetrieb auf Offenbacher Waldstraße

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Von: Frank Sommer

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Auf der Waldstraße zwischen der Kreuzung Hessenring und der Bahnüberführung sollen die äußeren Fahrspuren für den motorisierten Verkehr wegfallen – Busse dürfen den Radstreifen nutzen.
Auf der Waldstraße zwischen der Kreuzung Hessenring und der Bahnüberführung sollen die äußeren Fahrspuren für den motorisierten Verkehr wegfallen – Busse dürfen den Radstreifen nutzen. © Bräuner

Um die Sperrung der äußeren Fahrspuren auf der Offenbacher Waldstraße zugunsten des Radverkehrs wird in der Stadtverordnetenversammlung heftig gestritten, auch innerhalb der Ampel-Koalition.

Offenbach – „Wichtiger Schritt“ oder „absoluter Irrsinn“: Die geplante testweise Umwandlung der äußeren Fahrbahnen auf der Waldstraße zu Radspuren erhitzt die Gemüter, auch die der Stadtverordneten. Eine Mehrheit findet sich zwar, doch die Debatte verläuft turbulent – und zwischen den Koalitionspartnern SPD, Grünen und FDP knirscht es.

Wie berichtet, gehört der einjährige Testversuch an der Waldstraße zu den Vereinbarungen des Magistrats mit der Initiative Radentscheid und soll im Frühjahr nach einer Verkehrszählung und Markierungsarbeiten beginnen. Die Vorbehalte gegenüber dem Versuch sind bei den Stadtverordneten groß, auch innerhalb der Ampel-Koalition.

Nur die Grünen befürworten das Projekt uneingeschränkt: Sabrina Engelmann erklärt, dass ihre Fraktion auf mehr Rad- und weniger Autoverkehr durch den Probebetrieb hofft. Mit einer besseren Radinfrastruktur, sagt sie, würden auch mehr Menschen vom ÖPNV auf das Fahrrad umsteigen.

Offenbacher Waldstraße: „Ich bin nicht überzeugt, dass dieser Testbetrieb zum Erfolg führt“

Bei den Koalitionspartnern SPD und FDP klingt die Zustimmung wesentlich weniger enthusiastisch. Beide melden sogar deutliche Zweifel am Vorhaben an.

„Ich bin nicht überzeugt, dass dieser Testbetrieb zum Erfolg führt“, sagt Oliver Stirböck von den Freidemokraten. Die von CDU und Freien Wählern formulierte Kritik, dass die Innenstadt dadurch Kunden verlieren könnte, müsse ernst genommen werden, findet er: „Wir als FDP haben den Mut, es auszuprobieren – wir haben aber auch den Mut, es abzubrechen und nein zu sagen.“

Die radikale Drosselung einer Hauptverkehrsstraße solle nicht leichtfertig heruntergebrochen werden, mahnt Holger Hinkel von der SPD. Auch er äußert nicht nur Vorbehalte, seine Wortwahl lässt manchen Stadtverordneten aufhorchen: „Die SPD erwartet tatsächlich dieses Mal eine ernsthafte Evaluation, einen Dauerbetrieb wird es nur bei einem deutlichen Nutzen geben.“

Der Vorschlag von CDU und Freien Wählern, die bestehenden Fahrradstraßen, die fast parallel zur Waldstraße ein Radwegenetz bilden, besser auszubauen, findet keine Mehrheit. Dass es für Handwerker und ihre Kunden entlang der Waldstraße durch den Testbetrieb deutlich schwieriger werde, mahnt Anja Fröhlich von der CDU. „Wollen wir die letzten Kunden noch vergraulen?“, fragt sie. Während des einjährigen Testbetriebs würden die letzten Innenstadtkunden abwandern.

Gewerbetreibende an Offenbacher Waldstraße: „Positive Rückmeldungen gab es keine“

„Ich habe die Gewerbetreibenden an der Waldstraße nach ihrer Meinung gefragt, und positive Rückmeldungen gab es keine“, sagt Dominic Leiendecker von den Freien Wählern. Ohne Not werde eine Hauptverkehrsstraße gedrosselt. Selbst die Koalitionspartner seien nicht überzeugt vom Testlauf, betont Leiendecker.

Dass, wie von den Grünen beschrieben, so mehr Menschen aus dem Kreis mit dem Rad in die Innenstadt kämen, sei Wunschdenken, räumt auch Stirböck ein. „Es gibt nur wenige Menschen aus Heusenstamm, die einen Großeinkauf in der Innenstadt mit dem Fahrrad machen – die fahren eher auf einen Cappuccino zum Wilhelmsplatz“, glaubt er.

Aber man werde es dennoch ausprobieren. „Ein Test kann so oder so verlaufen“, meint Stirböck. Man werde genau auf die Evaluation schauen, heißt es bei den Freien Wählern, die aber schon beim Testbetrieb des Radstreifens auf der Sprendlinger Landstraße monieren, dass die Zählstelle nicht an einem sinnvollen Ort eingerichtet sei. (Frank Sommer)

Kommentar: Wer Koch ist und wer Kellner

Der Wegfall zweier Fahrspuren auf der Waldstraße, wenngleich auf einem überschaubaren Abschnitt und erst einmal testweise, teilt die Gemüter. Kein Wunder, dass besonders die, welche die Folgen vor den Bürgern zu verantworten haben, heftig diskutieren. Wobei zwei Erkenntnisse auszumachen sind.

Die erste ist nicht wirklich neu, aber dass ein SPD-Vertreter sie derart offen ausspricht, ist ungewöhnlich. „Dieses Mal“ hätte man also gern eine ehrliche und aufrichtige Untersuchung und Bewertung des Projekts – unter der Hand war schon oft zu vernehmen, dass in manchen Dezernaten ideologische Vorgaben wichtiger sind als harte Zahlen. Während des ÖPNV-Debakels wurde das öffentlich, als deutlich höhere Kosten für die E-Ausleihe eingeräumt wurden als bis dahin gegenüber Medien und Fraktionen kommuniziert.

Und zweitens: Wer Koch und wer Kellner ist in dieser Koalition, das wurde sichtbar. Von drei Partnern haben zwei – der große und der kleine – Zweifel und Bedenken, doch sie fügen sich dem mittleren, dem grünen Partner. Früher war die SPD wenig zimperlich, wenn es darum ging, Führungsanspruch zu zeigen. Einen Rückfall in diese Zeiten braucht es zwar nicht, aber dass man heute lediglich bittet, doch keine manipulierten Zahlen vorgelegt zu bekommen, um dann artig die Suppe zu servieren, ist doch etwas zu servil. (Frank Sommer)

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