Heftige Kritik aus Offenbacher Caritas-Zentrum an ÖPNV-Einsparung
Geplante Änderungen im ÖPNV-Netz in Offenbach sorgen für Kritik. Senioren in Pflegeheimen fragen sich, ob sie künftig noch Besuch bekommen werden.
Offenbach - Der geplante Wegfall der Haltestellen der Linie 106 in der Schumannstraße in Offenbach stößt gerade bei den Betroffenen des dortigen Caritas-Zentrums auf heftige Kritik: In den beiden dortigen Alten- und Pflegeheimen St. Elisabeth und St. Ludwig leben 167 Personen, knapp 210 Menschen arbeiten dort, dazu kommen noch 26 Auszubildende.
„Wenn der 106er und die beiden Haltestellen wegfallen, sind wir hier völlig abgeschnitten“, sagt Edith Rosenberger, die seit sechs Jahren in St. Elisabeth wohnt. Für die Bewohner, die noch mobil seien, stelle der 106er die Verbindung zur Teilhabe am Leben in Offenbach und der Umgebung dar. „Den kann man doch nicht einfach streichen – hier wohnen Menschen, die auf ihn angewiesen sind“, pflichtet ihr Heinrich Vollmer bei. Der Senior besucht täglich seine Frau im Pflegeheim, der Bus ist für ihn unabdingbar. Nicht jeder könne sich ein Taxi leisten, der 106er sei nicht ersetzbar, sagt Angela Goetz vom Einrichtungsbeirat.
Offenbach: Aufregung unter Heim-Bewohnern über ÖPNV-Pläne
Seit die Einsparpläne bekannt wurden, herrscht bei Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern Aufregung. „Viele unserer Mitarbeiter kommen aus dem zweiten Arbeitsmarkt und können sich kein Auto leisten“, berichtet Caritas-Geschäftsführerin Katja Roßwog. Gerade mit Blick auf die Situation der Mitarbeiter sei der Vorschlag der Stadt unverständlich. „75 Prozent unserer Mitarbeiter kommen mit dem Bus“, sagt sie. Wie von der Stadt vorgeschlagen, auf die X-Linien an der Sprendlinger Straße auszuweichen, sei keine Lösung. „Die fahren viel zu selten und sind von der Route her zu umständlich“, kritisiert Pflegerin Rocchina Peter. Zudem sei die Aussicht, frühmorgens oder spätabends bei Wind und Wetter durch ein Waldstück zum Bus zu laufen, problematisch. „Das hatten wir früher und als Frau hatte ich immer ein mulmiges Gefühl dabei“, sagt sie. Für die Bewohner mit Rollstuhl oder Rollator sei die X-Linie ebenfalls keine Lösung, betont der Heimbeirat. „In den 106er komme ich mit dem Rollstuhl hinein, dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Bewohner Helmut Beyer, der täglich den Bus nutzt. Die Argumentation der Stadt, dass täglich nur rund 70 Leute die Haltestelle nutzen, zweifelt man an. „Und selbst wenn die Zahl stimmt – diese 70 sind aber tatsächlich auf den Bus angewiesen“, erklärt Caritas-Direktor Michael Klein.
ÖPNV-Pläne: Heim-Bewohner und -Mitarbeiter enttäuscht von Stadt Offenbach
Wie die Bewohner und Mitarbeiter ist er enttäuscht von den Akteuren der Stadt, die die Buslinie streichen wollen. „Für die Wirtschaftsförderung reist der OB ins Ausland – aber wir als Arbeitgeber für die Allgemeinheit werden nicht einmal gefragt“, ärgert er sich. Dabei wisse man bei der Stadt, dass die Caritas expandieren und rund 50 neue Stellen auf dem Gelände schaffen möchte. „Wir investieren 40 Millionen Euro in das Gelände, ein Bauantrag wird gerade vorbereitet“, berichtet Klein, „hier werden eine Kita, Tagespflege und betreutes Wohnen entstehen.“ Außerdem plane die Caritas als weiteres Bauprojekt die Errichtung eines Schulungszentrums im Pflegebereich. „Und alles das ist dann vom ÖPNV abgeschnitten“, ärgert sich Klein. Die Anbindung gehöre zur Daseinsvorsorge.

Viele Bewohner sorgen sich derweil, ob sie ab Juli noch Besuch erhalten werden, wenn das Senioren-Zentrum nicht mehr angefahren wird. Andere versuchen, den Weg zu den umliegenden Haltestellen einzuüben – ein mühevolles Unterfangen, denn die Schumannstraße verfügt größtenteils nicht über Bürgersteige, der Weg ist teils uneben, auf der Straße fahren schwere Lkw.
„Wir haben bei der Stadt gefragt, ob der 108er unsere Station bedienen könnte, doch das wurde abgeschlagen“, sagt Klein. Verständnis haben weder Bewohner noch Mitarbeiter dafür. „Alt werden ist einfach, aber alt sein, das ist schwer – das sollten sich die Verantwortlichen im Rathaus vor Augen führen“, sagt Bewohnerin Goetz. (Frank Sommer)