Im Facebook-Filter hängen geblieben

Wegen des Besitzes und der Verbreitung eines Kinderpornos verurteilte das Amtsgericht eine 32-Jährige zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Zugleich muss die in Offenbach lebende Frau mit vietnamesischem Pass 2000 Euro in Raten an das Theresien-Kinderheim zahlen, wobei sich die Höhe der Geldstrafe an ihrem Einkommen orientiert.
Der vergleichsweise unspektakuläre Prozess am Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Manfred Beck bot zugleich Einblicke in die Mechanismen der länderübergreifenden Verfolgung von Kinderpornografie.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die verheiratete Mutter von zwei Kinder (neun und drei Jahre alt), die in einem Nagel-Studio arbeitet, im August 2021 ein Video an eine Arbeitskollegin verschickt hat, in dem zwei Minderjährige miteinander sexuelle Handlungen ausführen. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung im Januar 2022 stellte die Polizei das Handy sicher, auf dem das Video gespeichert war.
Wie es den Ermittlern gelang, die Angeklagte dank internationaler Vernetzung der Verfolgungsbehörden aufzuspüren, erläuterte ein als Zeuge geladener Kriminalbeamter des Polizeipräsidiums Südosthessen: So wurde der 32-Jährigen ihr Facebook-Account zum Verhängnis. Das soziale Netzwerk wird bekanntlich von den USA aus betrieben, dort sind die Internetprovider per Gesetz verpflichtet, Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch umgehend an das „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC) zu melden. Von diesem „Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder“, einer privaten, gemeinnützigen Organisation, die 1984 vom Kongress der Vereinigten Staaten gegründet wurde, werden die Daten, die einzelnen Ländern und Tätern zugeordnet werden können, weitergeleitet. In Deutschland ist die zentrale Stelle das Bundeskriminalamt (BKA), das die Fälle an die jeweiligen Landeskriminalämter schickt, die dann die Kinderporno-Fälle an die Polizeipräsidien weiterleiten. Wie der Kriminalbeamte im Zeugenstand weiter berichtete, habe das BKA die IP-Adresse geliefert, in Offenbach sei es dann Aufgabe gewesen, die Daten zu verifizieren und die weiteren Schritte einzuleiten.
Die gesetzliche Regelung in den USA hat dazu geführt, dass in Deutschland die Zahl der Verfahren wegen Kinderpornografie ansteigt. Allein 2020 sind laut Veröffentlichungen 58 000 Fälle aus den NCMEC-Verfahren in den USA ans BKA gegangen.
Im Prozess vorm Offenbacher Schöffengericht ließ die Angeklagte, der ein Dolmetscher zur Seite gestellt war, über ihren Anwalt mitteilen, die Sache sei ihr „höchst peinlich“. Sie habe zwar gewusst, dass es sich um ein „heißes Video“ gehandelt habe, angeschaut habe sie das Material aber nicht.
Das Gericht wertete diese Aussage in seinem Urteil als Schutzbehauptung. Jeder wisse, dass man Kinderpornos nicht besitzen oder verbreiten dürfe, so Richter Beck. Warum die nicht vorbestrafte Angeklagte dies trotzdem getan habe, darüber könne man nur spekulieren. Möglicherweise sei es „Großtuerei und Dummheit“ gewesen. Hinweise darauf, dass die 32-Jährige das Video selbst erstellt habe, gebe es nicht. Mit seinem Strafmaß von 16 Monaten auf Bewährung folgte das Gericht weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Lediglich die Bewährungszeit wurde von drei auf zwei Jahre verkürzt. Der Verteidiger hatte dagegen Freispruch gefordert. Sein zwischenzeitlicher Antrag, das Verfahren auszusetzen, weil es sich um einen minder schweren Fall handele und solche Verfahren von anderen Gerichten bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt seien, wurde vom Gericht nach dem Anschauen des Videos verworfen.