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Immer weniger Schulanfänger können Deutsch

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Von: Marian Meidel

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Der Vergleich der Einschulungsjahrgänge 2011 bis 2017 zeigt, dass frisch gebackene Erstklässler mit Migrationshintergrund in den letzten zwei Jahren zunehmend Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache bekommen haben. Nur 28,4 Prozent von ihnen sprechen fehlerfrei.
Der Vergleich der Einschulungsjahrgänge 2011 bis 2017 zeigt, dass frisch gebackene Erstklässler mit Migrationshintergrund in den letzten zwei Jahren zunehmend Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache bekommen haben. Nur 28,4 Prozent von ihnen sprechen fehlerfrei. © Gesundheitsamt

Offenbach - Die Zahl der Schulanfänger, die fehlerfrei Deutsch sprechen, sinkt – das geht aus dem Jahresbericht 2017 des Stadtgesundheitsamtes hervor. Von Marian Meidel

74,2 Prozent der 1369 Kinder, die das Amt seiner alljährlichen Schuleingangsuntersuchung unterzog, haben Migrationshintergrund. Von ihnen sprechen allerdings nur 28,4 Prozent gutes Deutsch – im Vorjahr waren es noch 32 Prozent. Seit 2006 werden in Offenbach alle neuen Grundschüler vor Schulbeginn mithilfe des sogenannten Screenings des Entwicklungsstandes (S-ENS) untersucht. 2017 waren es 1369 Kinder – der bislang größte Jahrgang seit Einführung der jährlichen Tests. Fast Dreiviertel der Untersuchten haben einen Migrationshintergrund. Das Gesundheitsamt hat alle Kinder mit genormten Tests auf Gewicht, körperliche Verfassung, Gehör- und Sehvermögen, Motorik sowie sprachliche Kompetenz geprüft.

Dabei ergab sich: Nur 28,4 Prozent der Schulanfänger mit Migrationshintergrund sprechen fehlerfrei Deutsch, gut dreieinhalb Prozent weniger als noch im Vorjahr. Untersucht wurden die Deutschkenntnisse nur bei Kindern mit Migrationshintergrund. Daran gemessen, dass es sich dabei um 74,2 Prozent aller Schulanfänger in Offenbach handelt, offenbart sich also ein alarmierender Trend. Nicht weniger bestürzend: Auch die Kinder von Müttern, die selbst fehlerfrei Deutsch sprechen, beherrschen nur zu 55 Prozent gutes Deutsch.

Dr. Barbara Schneider verantwortet in Offenbach die alljährliche Schuleingangsuntersuchung. -  Foto: Archiv
Dr. Barbara Schneider verantwortet in Offenbach die alljährliche Schuleingangsuntersuchung. © Archiv

„Das liegt vor allem daran, dass viele Mütter mit Migrationshintergrund zuhause ausschließlich ihre alte Muttersprache mit den Kindern sprechen“, berichtet Dr. Barbara Schneider, Sachgebietsleiterin Kinder- und Jugendmedizin des Gesundheitsamts. „Sobald wir das bei unseren Tests bemerken, empfehlen wir den Eltern dringend, zuhause schnell auf Deutsch umzusteigen und aus deutschen Büchern vorzulesen.“ Da die Eingangsuntersuchungen mitunter ein halbes Jahr vor Schulbeginn stattfinden, sei es dafür auch nicht immer zu spät. Die gute Nachricht: „Ich renne damit offene Türen ein“, so Schneider. Seit 2018 werde ein neuer Test angewandt, der noch detailgenauer auf die Sprache eingeht. „Viele Eltern sind schockiert, wenn ihnen bewusst wird, wie schlecht ihre Kinder Deutsch sprechen, und wollen daran dann selbst etwas ändern.“

Überhaupt sind Sprachfähigkeiten ein Problem. „Die altersgerechte Sprache schwankt in den letzten Jahren zwischen 68 und 82 Prozent“, so Schneider. 2017 sind es lediglich 68,2 Prozent, deren Fähigkeiten von Grammatik und Aussprache her ihrem körperlichen Entwicklungsstand entsprechen. Auch die Zahl der grobmotorischen Auffälligkeiten ist gestiegen, von etwa zehn auf 13,9 Prozent. Das feinmotorische Äquivalent betreffend, ist 2017 erstmals ein leichter Anstieg zu beobachten, und zwar auf 21,8 Prozent. Jungen sind hier dreimal so häufig von Schwächen betroffen wie Mädchen. Gemessen werden die Fähigkeiten durch einen genormten Test, bei dem die Kinder unter anderem Bilder abzeichnen.

Der Anteil der übergewichtigen Kinder ist im Vergleich zu den Vorjahren etwa gleichbleibend hoch, wenn auch kurzfristig rückläufig. Im Durchschnitt sind 12,3 Prozent übergewichtig oder adipös. 2016 waren es noch 15 Prozent. Wie im vergangenen Jahr, ist auch 2017 der Anteil der Übergewichtigen bei Kindern mit Migrationshintergrund leicht höher. Die aktuellen Vergleichszahlen zum hessischen Durchschnitt liegen der Stadt nicht vor.

Neben den Resultaten der Schuleingangsuntersuchung hat die Stadt gestern auch ihre Jahresbilanzen bezüglich meldepflichtiger Infektionskrankheiten, Trinkwasserqualität und Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen vorgestellt. Neben manchen erfreulichen Tendenzen (12-Jährige pflegen ihre Zähne immer besser, das Trinkwasser ist laut Bürgermeister Peter Schneider „ganz gut“), fällt eine Zahl besonders auf: 71 Fälle von Krätze gab es im vergangenen Jahr, 2016 waren es hingegen nur sechs.

Woher der Anstieg? Dr. Christiane Faust vom Gesundheitsamt erklärt: Die Krätze ist besonders schwer zu vertreiben, wo Menschen sich lange Zeit ein Bett teilen oder anhaltenden Körperkontakt haben. Sie selbst habe die Krätze Anfang des Jahres vermehrt bei osteuropäischen Migranten gesehen, die hier in beengten Verhältnissen leben.

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