Klimawerkstatt Offenbach zeigt zehn künstlerische Denkanstöße

Mitten im Extremsommer 2022 bezieht Britt Baumann, Kunstwissenschaftlerin der Stadt Offenbach, klare Position: „Unsere Stadtgesellschaft kann nicht so weiter machen wie bisher mit Wetter und Klima. Wir müssen lernen, Diskussionen zu führen. Nur gemeinsam können wir die drängenden Probleme lösen.“ Als Kuratorin präsentiert sie deshalb zehn künstlerische Positionen in der Wetterwerkstatt Offenbach, um Denkanstöße zu liefern.
Offenbach – Die Bedeutung der Schau „In der Mitte des Wetters“ zeigt sich bereits bei der Eröffnung, bei der sich auch OB Felix Schwenke, Ex-Kultusministerin Karin Wolff als Geschäftsführerin des Kulturfonds RheinMain und ZDF-Wettermoderatorin Karin Horneffer hinter dieses Projekt stellen – eifrig interviewt von Hörfunksendern. Schwenke zeigt sich erleichtert über das zunehmende Interesse an der Werkstatt. Wolff findet den aufgebauten Parcours faszinierend: „Das Unbeherrschbare stellt uns vor große Aufgaben, dabei müssen wir Negatives in Positives umwandeln, auch mit künstlerischen Mitteln.“
Unterstützt wird die Präsentation dazu von der Dr. Marschner-Stiftung, der Kulturstiftung der Städtischen Sparkasse Offenbach und der Stiftung Flughafen Frankfurt Nach der musikalischen Gestaltung der Vernissage durch DJ Weller gastiert morgen um 20 Uhr das Isenburg Quartett mit Streicherklängen von Haydn, Rodriguez und Mendelssohn-Bartholdy. Am 13. August (20 Uhr) stellt die Künstlergruppe PARA im Rathauspavillon am Stadthof ihre Mixed-Media-Show „Haze“ vor, eine „Bezeugung in Rauch“, die sich bissig mit dem Verbrennungszeitalter befasst. Vor dem Rathaus wehen dazu Raul Walchs „Heat Flags“ im Wind, farbige Wärmekarten ins Bild setzend.
Die Ausstellung der Wetterwerkstatt möchte auch emotional ansprechen. Am Eingang ragt eine technisch wirkende Installation mit Kompressor, chemischen Glaskolben und Katalysator auf, die Baumann „Wolkenmaschine“ nennt. Installationskünstlerin Marie-Luce Nadal hat diese „La Fabrique du Vaporeux Nr. 2“ als mobiles Labor aus recycelten Geräten konstruiert, um Proben aus der Umwelt zu nehmen. Auf Erkundungsreisen fängt sie damit Partikel von Wolken und elektrische Rückstände von Gewittern ein.
Das funktionierende, aber auch symbolisch gemeinte Konstrukt produziert hin und wieder laute Geräusche, knüpft mit dem Ausgangsmaterial Honig an Ideen von Joseph Beuys an, einem der ersten Warner vor Folgen der Umweltzerstörung. Mit Ängsten unserer Zeit befasst sich auch Sophie Utikals Textilarbeit „The Fires Inbetween“ aus großformatigen Stoffbannern mit figurativen Szenen. Ironisch nähert sich Swaantje Günzel der Umweltkritik in ihrer Serie „Können Sie nicht mal was Schönes machen?“ Dabei zeigen gerahmte Fotos Tiefseeboden, auf dem zuhauf Müll und Mikroplastik gefunden wird.

Über den Köpfen schwebt derweil eine handgeknüpfte mexikanische Hängematte, bis über den Rand mit Kisten und Kartons beladen. „Cargo“ nennt sie Wolfgang von Kries, der damit Unerreichbarkeit umweltzerstörender, ausbeuterischer Warenströme andeutet. Daneben stehen großformatige Buchstabenskulpturen aus Holzplatten im Raum: das „H“ für Hitze, das „W“ für Wärme. Anja Uter und Andrea Grill möchten diese „poetische Installation“ mit der Gruppe „Präposition“ erweitern und dazu in Gesprächen mit Besuchern herausfinden, was typische Offenbacher Worte für Hitze und Wärme sind. Ein Stimmenbarometer soll dann die Vielsprachigkeit der Interviews darstellen.
Achtsam beobachtet auch Julius Bockelt vom Atelier Goldstein Wetter und Klima. Seine Eindrücke hält er in fotografischen Wolkenbildern fest und in filigranen Notationen zu Tonschwingungen und Tonfolgen, die mit dem Rapidographen aufs Papier gebracht werden. Bockelts kurzes Video zeigt Seifenblasen-Experimente in Performance-Geschwindigkeit, während Elke Marhöfers filmische Untersuchung „Who Does the Earth Think It Is? Becoming Fire“ 50 Minuten dauert. Sie dokumentiert die fast verschwundene japanische Produktionsmethode von Holzkohle, die ökologische Perspektiven eröffnet.
Auch zur ständigen interaktiven Wandinstallation „Dreh am Wetter“, in die man sich einbringen kann, sagt Baumann: „Ja, unsere Ausstellung ist wirklich elementar.“ (Reinhold Gries)
Die Ausstellung „In der Mitte des Wetters“ ist in der Wetterwerkstatt, Frankfurter Straße 39, noch bis 29. Oktober zu sehen. Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr; weitere Infos: wetterwerkstatt.de