Kleingartenvereine können sich vor dreisten Bewerbern kaum retten

Die Nachfrage für Kleingärten in Offenbach ist enorm. Die Wartelisten sind ellenlang und viele wollen kein Gemüsebeet mehr bepflanzen.
Offenbach – Es ist ein Phänomen der Krise. Soviel ist klar. Seit die Pandemie wütet, haben sich bei den hiesigen Vereinen mehr Menschen um einen Schrebergarten beworben als jemals zuvor. Und der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Energiekrise haben die ohnehin schon übervollen Wartelisten regelrecht explodieren lassen – mit zum Teil unangenehmen Folgen für die Vereinsvorsitzenden.
„Unsere Wartelisten sind brechend voll“, sagt der Vorsitzende des Kleingärtnervereins Süd, Zacharias Leis. Viele hundert Offenbacher hätten mittlerweile Interesse angemeldet. „Wir haben aber nicht mal ansatzweise genug Gärten zu vergeben.“ In der Folge wird Leis immer wieder von allzu penetranten Schrebergarten-Anwärtern bedrängt. „Die rufen an, schreiben Mails, zum Teil auch in wirklich barschem und manchmal auch unverschämten Ton“, berichtet er. Eine besonders penetrante Interessentin habe sogar ihr Bewerbungsschreiben mit Klebeband auf seinen Briefkasten geklebt.
Kleingärten in Offenbach: Die Wartelisten sind überfüllt – Einige Anwärter verstehen das nicht
Auch seine Kollegin Jacqueline Reumann, Vorsitzende des KGV Odenwaldring, dem größten Verein in Offenbach mit 560 Parzellen, kennt diese Spielchen. „Manche denken, dass wenn sie permanent nerven, eher genommen werden.“ Manch einer versuche es gar mit Einschüchterung. „Wir haben einen ganz speziellen Kandidaten, der jede Woche anruft, mit dem Anwalt droht und uns vorwirft, dass wir ihn diskriminieren würden, weil er Ausländer sei“, sagt Reumann. Sie stellt aber klar, dass der Verein eine hohe Anzahl Migranten unter den Mitgliedern habe, solche Vorwürfe deshalb aus der Luft gegriffen seien. „Manche Leute sind wirklich bereit, für einen Kleingarten sämtliche Register zu ziehen.“ Allein 300 Bewerber würden mittlerweile auf ihrer Warteliste stehen. „Aber ich kann ja keinen Garten vergeben, wenn ich keinen frei habe.“
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Hans Peter Maier, Chef des KGV Ost in Bieber, kämpft ebenfalls mit der langen Warteliste. „Ich kann die Leute immer nur vertrösten, weil einfach nicht genug Gärten vorhanden sind.“ Dazu komme ein weiteres grundlegenderes Problem. „Die jüngeren Bewerber, die jetzt auf einen Garten drängen, wollen in den meisten Fällen keinen klassischen Schrebergarten mit Gemüsebeeten, sondern einen reinen Freizeitgarten.“ Die neue Generation igele sich zunehmend in ihren Gärten ein, errichte Holzzäune und hohe Hecken, damit keiner reingucken kann.
Kaum Gemüsebeete: Hohe Nachfrage an Kleingärten in Offenbach mit anderem Ziel
Dasselbe Bild zeichnet die stellvertretende Vorsitzende des KGV Lehmfeld, Heike Kasprik. „Vielen der neuen Bewerber geht es nur noch darum, nach Feierabend im Grünen auszuspannen, anstatt Gemüse anzubauen. Das beobachten wir verstärkt.“
Jacqueline Reumann bestätigt diese Entwicklung. „Da geht es bei vielen nur noch ums Grillen, Feiern, Sandkasten und Planschbecken.“ Der eigentliche Geist des Kleingärtnerns gehe zunehmend verloren. „Und es ist sehr schwer, dagegen anzukommen“, sagt Reumann. Zwar versuchen die Kleingartenvereine mit Festen und gemeinsamen Aktivitäten gegenzusteuern, haben dabei aber nur mäßigen Erfolg. Maier berichtet: „Da macht man dann zum Beispiel ein Kinderfest in der Anlage, aber die Eltern kommen nicht.“
Beweggründe für Kleingärten in Offenbach ändern sich: Kleingarten-Erbe soll erhalten bleiben
Auch beim KGV Erlensteg kämpft die Vereinsvorsitzende Jennifer Groß mit der Umwälzung in der Kleingärtnerstruktur. „Die meisten wollen nur noch ihr eigenes Ding machen und nicht Teil des Vereins sein“, berichtet sie. „Aber so funktioniert Kleingarten eben nicht.“ Gerade der Austausch mit den Nachbarn und die gegenseitige Hilfe machten die Seele des Kleingartens aus. Groß selbst ist erst 30 Jahre alt, hat ihren Kleingarten am Erlensteg seit sieben Jahren.
„Es ist also keinesfalls nur etwas für ältere Leute, aber man muss sich eben darauf einlassen“, sagt sie. „Wer nur ein Stück Wiese sucht, um die Kinder Ballspielen zu lassen, ist hier definitiv falsch.“ Deshalb überprüfe sie auch jeden Bewerber genau auf seine wahren Beweggründe, schließlich gelte es, das Kleingarten-Erbe in die kommende Generation zu tragen. „Das funktioniert ganz gut, aber eben nicht immer.“ (Christian Reinartz)