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Kein Transport für Kind mit Behinderung: Inklusionsverein wirft Offenbach Gesetzesbruch vor

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Von: Lena Jochum

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Der Inklusions-Verein IGEL kritisiert das städtische Schulamt, weil  dort immer wieder für Kinder mit schweren Behinderungen die Schulbeförderung abgelehnt wird.
Der Inklusions-Verein IGEL kritisiert das städtische Schulamt, weil dort immer wieder für Kinder mit schweren Behinderungen die Schulbeförderung abgelehnt wird. © Archiv: Georg

Das Schulamt in Offenbach lehnt immer wieder ab, Kinder mit Behinderungen zur Schule zu transportieren – obwohl sie den Weg alleine und zu Fuß nicht bewältigen können. Der Inklusionsverein kritisiert diese Entscheidung heftig.

Offenbach – Pausenbrot einpacken, Ranzen auf den Rücken schnallen und ab geht‘s in die Schule. Meistens mit den Nachbarskindern, zu Fuß oder mit dem Bus. Was für viele Schülerinnen und Schüler alltägliche Routine ist, wird für andere Familien zur Herausforderung, die jeden Tag aufs Neue zu meistern ist.

Denn längst nicht alle Eltern können ihre Kinder am Morgen alleine auf den Schulweg schicken. Aufgrund körperlicher oder geistiger Behinderungen sind manche Schülerinnen und Schüler dazu schlicht nicht in der Lage.

Und immer wieder kommt es in Offenbach vor, das Familien damit alleine gelassen werden, das berichtet Dorothea Terpitz. Sie ist Vorsitzende der Initiative Gemeinsames Lernen (IGEL-OF), die sich für die Inklusion von Kindern mit Behinderung engagiert. Eltern suchen dort in verschiedenen Belangen Unterstützung. „Seit 2017 diskutieren wir immer wieder mit dem Schulamt darüber, dass es für Kinder mit schweren Behinderungen die Schulbeförderung ablehnt“, sagt Terpitz. Derzeit gehe es um vier Fälle an der Fröbelschule.

Schulamt in Offenbach verteidigt Entscheidung „Wir haben uns sehr intensive Gedanken gemacht.“

Die IGEL-Vorsitzende berichtet von einem Erstklässler: „Der Junge hat frühkindlichen Autismus, ist geistig behindert, im Alltag räumlich und zeitlich orientierungslos, er braucht ständige Fürsorge und Schutz.“ Dennoch lehnt das Schulamt den Antrag der Eltern auf einen Transport des Jungen ab. „Begründet wird das damit, dass das Kind laufen kann und der Weg sicher ist“, sagt Terpitz. Immer wieder stünde auch die Frage danach im Raum, ob und warum Mütter und Väter ihren Nachwuchs nicht einfach selbst zur Schule bringen. „Das ist aber laut Hessischem Schulgesetz schlicht nicht ihre Aufgabe“, macht Terpitz deutlich und lässt eine Rabeneltern-Diskussion nicht gelten. Sie sieht einen Verstoß gegen das Gesetz, das festlegt, wann der Schulträger in Sachen Beförderung in der Pflicht ist.

Zusammengefasst ist das der Fall, wenn die Entfernung zur Schule bei Grundschülern mehr als zwei, ab Klasse fünf mehr als drei Kilometer beträgt. Abgesehen davon „kann die Beförderung als notwendig anerkannt werden, wenn der Schulweg eine besondere Gefahr für die Sicherheit und die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler bedeutet oder eine Schülerin oder ein Schüler ihn aufgrund einer Behinderung nicht ohne Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel zurücklegen kann.“ Art und Grad der Behinderung müssen dabei berücksichtig werden. Was genauso gehandhabt werde, sagt Thomas Löhr, Leiter des städtischen Schulamts: „Wir haben uns sehr intensive Gedanken gemacht.“

Offenbach: Letztlich wird der Transport an den Eltern liegen – „das ist Diskriminierung“

Anders als Dorothea Terpitz sieht er die Gesetzesvorgabe voll erfüllt. „Zunächst einmal müssen alle zu Fuß gehen, wenn die Entfernung nicht zu groß ist“, betont Löhr. Im Sinne von Inklusion und Gleichbehandlung sei es schließlich gewollt, dass auch Kinder mit Behinderung am normalen Alltag teilhaben. „Wir schauen uns natürlich jedes Kind separat an.“ Dann wird entschieden, ob ein Transport – etwa mit Kleinbussen durch die Behindertenhilfe oder im Zweifelsfall mit einem Taxi – zu übernehmen ist. „Sitzt jemand im Rollstuhl, ist ja ganz klar, dass das nicht anders geht“, erläutert der Schulamtsleiter.

Sehr selten gebe aber eben Fälle, in denen entschieden wird, keinen Transport zu übernehmen. „Am Ende wird die Kinder jemand begleiten müssen“, sagt Löhr. Dafür sei aber nicht das Schulamt zuständig, beim Sozialamt könne dann eine Teilhabeassistenz beantragt werden.

Aussichtslos, meint Dorothea Terpitz. Die Fröbelschule habe einen Pool solcher Helfer, der ohnehin knapp bemessen sei. Für den täglichen Schulweg einzelner Kinder wird sich ihrer Meinung nach niemand finden lassen. Noch dazu koste das die Stadt deutlich mehr als eine Fahrt mit dem Taxi, für die laut Terpitz im Beispiel-Fall zehn Euro am Tag anfallen würden. Letzten Endes, und das kritisiert die IGEL-Vorsitzende aufs Schärfste, wird es dann an den Eltern liegen. „Und das ist Diskriminierung.“ (Lena Jochum)

Das Schulamt Offenbach geriet in der Vergangenheit bereits wegen anderer Vorfälle in die Kritik. So mussten Eltern etwa monatelang darauf warten, dass sie die Kosten für eine abgesagte Klassenfahrt zurückerstattet bekommen.

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