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Kinder aus Migrantenfamilien sprechen schlechter Deutsch als die Jahrgänge vor Corona

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Viele Grundschüler mit Migrationshintergrund haben in der Pandemie schlechter Deutsch gelernt, als die Jahrgänge vor Corona. An Offenbacher Grundschulen wird dieses Problem in besonderem Maße sichtbar
Viele Grundschüler mit Migrationshintergrund haben in der Pandemie schlechter Deutsch gelernt, als die Jahrgänge vor Corona. An Offenbacher Grundschulen wird dieses Problem in besonderem Maße sichtbar © PantherMedia / tomwang

Schon vor Corona hatten es Kinder aus Migrantenfamilien schwerer mit der Deutschen Sprache als ihre gleichaltrigen Klassenkameraden. Dann kam die Pandemie. Und mit ihr viele Monate, in denen die Schulen geschlossen und bestenfalls am Bildschirm unterrichtet wurde. Das einstmals durch diverse Förderprojekte gut beherrschbare Sprachproblem ist für zwei Grundschuljahrgänge nun zu einer echten Barriere auf ihrem Bildungsweg geworden.

Offenbach - Dass gerade die Stadt Offenbach durch ihren extrem hohen Migrantenanteil besonders betroffen ist, zeigen die Schilderungen von Goethe-Schulleiterin Vassiliki Alexouda. „Wenn wir mal eine aktuelle Klasse nehmen, dann sprechen dort von 20 Schüler fünf sehr schlechtes Deutsch, sieben bewegen sich im Mittelfeld und acht Schüler sprechen wirklich gut“, sagt sie. „Das ist schon immer Offenbacher Realität. Aber durch Corona hat sich die Lage noch mal zugespitzt.“

Durch die Schulschließungen und den Distanzunterricht hätten viele Kinder die Zeit in ihren Familien verbracht, in denen im Alltag meist kein Deutsch gesprochen würde. „Den Kindern fehlt so nicht nur die Sprachroutine durch den Unterricht und den Kontakt zu ihren Mitschülern“, erklärt die Pädagogin. „Der Wortschatz hat in der Pandemie wirklich sehr gelitten.“ Besonders schlimm habe es die Kinder der Klassen getroffen, die bei Beginn der Coronakrise das erste Halbjahr hinter sich gehabt hätten. „All das, was sie sich mühevoll erarbeitet hatten, haben sie in der Pandemie wieder verlernt.“ Nun müssten sie im Grunde von vorne beginnen. „Das ist wirklich eine dramatische Situation, weil diese Kinder es ja sowieso schwerer haben als Muttersprachler.“

Susanne Meißner, Leitende Direktorin des Staatlichen Schulamts für Stadt und Kreis Offenbach, bestätigt die problematische Lage: „Wir haben zwar noch keine validen Daten vorliegen, aber wir erhalten diese Rückmeldungen aus unseren Schulen.“ Demnach habe das temporäre Aussetzen des Distanzunterrichts überall zu Defiziten beim Spracherwerb geführt. „Kinder, die Deutsch als Bildungssprache in der Grundschule nicht gut beherrscht haben, waren durch die Schulschließungen plötzlich wieder in ihrer Sprachblase unterwegs und hatten dadurch auch keine Gelegenheit zum Üben“, berichtet die Schulamtsdirektorin. Und auch wenn die Schulen mittlerweile schon länger wieder Präsenzunterricht anbieten, bleibt das Erlernen der deutschen Sprache für Migranten weiterhin erschwert. Der Grund: die Maskenpflicht im Unterricht. „Eine fremde Sprache wird zu einem großen Teil durch die Mimik und die Lippenbewegungen des Gegenüber unterstützt“, erklärt Meißner. „Etwa durch Wörter, die laut und langsam vorgesprochen werden. Singen ist auch eine gute Methodik. All das ist aber gerade in dieser Zeit stark eingeschränkt.“

Schulleiterin Vassiliki Alexouda hat bemerkt, dass die Problematik in den Regelklassen stärker vorhanden ist. „In den Ganztagsklassen haben wir eine bessere Situation.“ Das hänge vor allem mit dem sprachlichen Bildungsstand der Eltern zusammen. „In einem Haushalt, in dem beide Eltern arbeiten gehen, wird in den meisten Fällen besser Deutsch gesprochen, und die Kinder sind eine längere Zeit des Tages damit beschäftigt, unsere Sprache zu sprechen.“

Das Problem ist erkannt. Was dagegen zu tun ist, weiß man im Schulamt und bei der Stadt offenbar auch schon. Augenmerk wird auf die sogenannten Vorlaufkurse gelegt. In diesen bekommen Kinder in ihrem letzten Kindergartenjahr stundenweise Deutschunterricht, damit sie gewappnet ins erste Schuljahr gehen. „Um der aktuellen Situation entgegenzusteuern haben wir dieses Angebot intensiviert“, sagt Alexouda. Von ehemals drei Schülern, die innerhalb eines Jahrgangs teilgenommen hätten, seien es an ihrer Schule aktuell 25. „Und im kommenden Schuljahr planen wir mit 50.“

Auch Schuldezernent Paul-Gerhard Weiß schreibt den Kitas eine besondere Bedeutung beim Spracherwerb zu. „Wir unternehmen umfangreiche Anstrengungen zur Deutschförderung.“ Deshalb sei es für die Stadt wichtig, mit ergänzenden Sprachlernangeboten weiterzumachen und diese auszubauen. Natürlich sei es gerade für Kinder aus Migrantenfamilien wichtig, dass sie in die Kita gingen. Weiß: „Wir registrieren da eine sehr gute Entwicklung was die sprachlichen Grundfähigkeiten angeht.“

Von Christian Reinartz

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