Klingspormuseum wird 70 Jahre alt

Der erhaltene Nachlass der Firma und die Buchsammlung Karl Klingspors bildeten 1953 den Grundstock des Klingspormuseums an der Herrnstraße. In dem Haus von Weltruf wird heute die Faszination internationaler Buch- und Schriftkunst erfahrbar.
Offenbach –Die große Sammlung des Klingspormuseums verdichtet, was Offenbach stark gemacht hat, in vielen ledergebundenen Büchern, erlesenen Druckschriften, künstlerischen Kalligrafien, wertvollen Schriftteppichen aus Rudolf Kochs Werkstatt sowie Maler- und Künstlerbüchern. All das gibt es nur im Südflügel des Büsingpalais zu sehen. Das Museum wurde am 7. November 1953 eröffnet, wird also demnächst 70 Jahre alt.
37 Jahre davon arbeitet Bibliothekarin Martina Weiß im Museum mit seinen mehr als 80 000 Exponaten. Seit August ist sie dessen stellvertretende Leiterin. Sie kennt sich besonders gut aus in der Sammlung, auch zu internationaler Buchbinde- und Lederkunst, zu Musterbüchern von Schriftgießereien und Druckereien sowie zu Kunstwerken von Koch und seinen Technischen Lehranstalten (heute HfG). Vieles davon hat Weltformat.
Weiß wollte aber von Anfang an auch „ein Offenbacher Kunstmuseum für Kinder, jede Frau und jeden Mann haben, nicht abgehoben aus gesellschaftlicher Wirklichkeit, und ein Haus, bei dem man zu jedem Thema andocken kann“. Das vertritt sie mit Leidenschaft bei der Digitalisierung der Bestände, bei im Team gestalteten Ausstellungen, Workshops und Führungen.
Die gebürtige Offenbacherin hat in ihrer Zeit drei Museumsleiter erlebt: den detailversessenen Buchmenschen Christian Scheffler, den international erfahrenen Kunsthistoriker Dr. Stefan Soltek und nun die so experimentierfreudige wie druckerfahrene Germanistin Dr. Dorothee Ader. Weiß war und ist dabei eine wichtige Konstante, die wesentlich zum guten Weg des Hauses beigetragen hat.
Sie erinnert daran, dass das Museum schon im Eröffnungsjahr vom kunstsinnigen Bundespräsidenten Theodor Heuss besucht und gelobt wurde. Weiß blickt zurück: „Scheffler hat bis zur Kalligrafieszene Japans neue Welten erschlossen, die Sammlung erweitert und konsolidiert.“ Er öffnete sein Offenbacher Schatzhaus aber nicht so gern zur Gesellschaft. Zuvor hatte Kunsthistoriker Professor Hans A. Halbey Sammlungen und Museum vorangebracht: „Er hat das Museum durch die Einrichtung der Internationalen Kinderbuchausstellung für Kinder und Jugendliche interessant gemacht.“ Der Weggang dieses Experten zum Mainzer Gutenberg-Museum war ein Verlust.
Davor hatte die Stadt Buchkünstler Georg Alexander Mathéy zum Leiter bestellt. Er übernahm den 3 000 Nummern starken Nachlass des Namensgebers und Schriftgießerei-Unternehmers Karl Klingspor sowie Schenkungen zu großen Schriftkünstlern wie Rudolf Koch und Rudolf „Rudo“ Spemann. 1956 kam die kostbare Sammlung des emigrierten jüdischen Rechtsanwalts Siegfried Guggenheim – das verschaffte internationales Renommee.
Auch durch Malerbücher, Illustrationen und Originalgrafiken wie Marc Chagalls illustrierte Bibel, Georges Braques Originalradierungen, Buntstiftzeichnungen von Henri Matisse, Lithografien von Joan Miró sowie Illustrationen von Pablo Picasso und Paul Klee. 1959 zeigte das Klingspor seine Bestände in zehn Städten der USA als „Modern German Book Design“. Damals bildete sich die Fördergemeinschaft „Vereinigung der Freunde des Klingspor-Museums“. 1965 erhielt das Museum den Erweiterungsbau im wieder errichteten Südflügel des Büsingpalais, im Erdgeschoss wurde neuer Raum geschaffen, und ins Obergeschoss kam das Archiv.

Dadurch war Platz für Neuerwerbungen wie De-Stijl-Drucke des niederländischen NS-Opfers Hendrik N. Werkman, Schriftkunst von Georg Trump und den Nachlass des Holzschneiders Frans Masereel. Vor dem Mauerfall gab es Kontakte zu Künstlern und Sammlungen der DDR, die sich heute in den Beständen niederschlagen. Bei der ersten Typen-Messe standen 1990 BRD und DDR mit hochwertigen Pressendrucken nebeneinander. 1994 schenkte Werner Klemke, der große DDR-Illustrator, seine illustrierten Werke komplett an Offenbach.
Stefan Soltek verstärkte den weltoffenen Kurs, sorgte mit Stundenbüchern von Robert Schwarz und einer Miró-Schriftrolle für Zugewinn. Mit den Klingspor-Freunden, der Stadt und Sponsoren realisierte er den weiteren Ausbau des Museums, auch um Raum zu haben für Workshops sowie eine Dauerausstellung zu Rudolf Koch und der Firma Klingspor.
Die Reputation des Museums nutzten Ader und Soltek 2022 mit der ersten Schau in Südkorea. Aders hervorragend besuchtes erstes „Hot-Printing“-Festival in Büsinghof und Museum zeigte, was in Offenbach möglich ist.
2023 soll die Erfolgsgeschichte weitergehen mit Ausstellungen zum Thema Reisen, Notiz- und Tagebüchern und einem April-Wochenende zu Picassos 50. Todestag. Auch in der Darstellung von Rap und Poetry ist das Museum im Jetzt angekommen.
In der Präsenzbibliothek können sich interessierte Besucher von Montag bis Donnerstag nach vorheriger Anmeldung Objekte aus den Sammlungen vorlegen lassen: telefonisch 069 8065-2065 oder -2066 und unter klingspor-museum.de. (Reinhold Gries)