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Kritik an Kollegah-Konzert in Offenbach: Stadt verteidigt Vermietung ihrer Halle

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Von: Agnes Schönberger, Lisa Berins, Hanning Voigts

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Rapper Kollegah
Rapper Kollegah sorgt erneut für erhitzte Gemüter © Matthias Balk/dpa

Die Kritik an dem Auftritt des Rappers Kollegah in Offenbach reißt nicht ab. Aber die Stadt verteidigt die Vermietung der Halle.

Update vom Mittwoch, 4. Dezember, 11.35 Uhr: In einigen deutschen Städten wurden die Konzerte des umstrittenen Skandal-Rappers Kollegah abgesagt. Dem Musiker werden Antisemitismus, Sexismus und Rassismus vorgeworfen. In Offenbach sieht es nicht danach aus, als würde das Kollegah-Konzert am 10. Dezember in der Stadthalle abgesagt werden. Die Stadt verteidigt gegenüber fr.de* die Vermietung ihrer Halle. Von Agnes Schönberger und Hanning Voigts 

Update vom Mittwoch, 27. November 2019, 17:19 Uhr: Die Debatte um das geplante Kollegah-Konzert am 10. Dezember in Offenbach geht weiter. Am heutigen Mittwoch hat sich der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Uwe Becker, im Streit um den Star des deutschen Rap Kollegah zu Wort gemeldet: „Wer mit seiner Musik den Antisemitismus in unserem Land salonfähig macht, ist hier in Hessen nicht willkommen“, teilte er mit. Die künstlerische Freiheit ende dort, wo die Würde des Menschen vorsätzlich verletzt werde. 

Rap: Weiter Kritik an geplantem Kollegah-Auftritt in Offenbach 

„Kollegah überschreitet mit seinen Texten ganz klar eine Grenze, gerade gegenüber den Menschen, die in unserem Land leben und dem jüdischen Glauben angehören“, so Becker. Und weiter: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass und Gewalt unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit legitim werden. Ich fordere die Konzertveranstalter in unserem Land dazu auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und dem Antisemitismus, Rassismus, Sexismus sowie der Gewaltverherrlichung keine Bühne zu bieten.“ 

Schon in der vergangenen Woche hatten sich Parteien und die Jüdische Gemeinde in Offenbach kritisch zum geplanten Auftritt des umstrittenen Rappers Kollegah geäußert. Ein Kollegah-Konzert sei in Offenbach nicht erwünscht, betonte der Sprecher der Offenbacher Grünen, Wolfgang Malik. Aktionen und Proteste gegen das Konzert und die Musik des Rappers seien aber nicht geplant. Als Präsident des Boxclubs Nordend und Mitarbeiter des Jugendamtes sehe Malik es vielmehr als pädagogische Aufgabe an, mit Jugendlichen über die Texte von „Gangsta-Rappern“ und die verbreiteten Klischees in Musik zu sprechen. Rap-Musiker Kollegah geriet im vergangenen Jahr auch mit seinem Buch "Das ist Alpha" in die Schlagzeilen. 

Rap: Kollegah-Konzert in Offenbach - „Rassismus keine Bühne bieten“

Mit dem Ziel über Musik und Rap zu sprechen, laufe beispielsweise seit fast einem Jahr ein Hip-Hop-Projekt in Zusammenarbeit mit der Firma Levi’s in der Heyne-Fabrik. Sich für ein Verbot des Kollegah-Konzerts einzusetzen – das sehe Malik allerdings nicht als zielführend an.

Update vom 23. November 2019, 7:05 Uhr: In der Debatte um den geplanten Auftritt des umstrittenen Rappers Kollegah in der Offenbacher Stadthalle am 10. Dezember haben sich nun auch Grüne und SPD kritisch geäußert. „Genau wie in anderen Städten, ist auch hier ein Kollegah-Konzert nicht erwünscht. Zeilen wie ,mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen‘ gehören nicht nach Offenbach“, teilte der Sprecher der Offenbacher Grünen, Wolfgang Malik, mit.

Obwohl Rapper Kollegah die Antisemitismusvorwürfe zurückweise, falle er auch in anderer Musik und Videos mit antisemitischen, gewaltverherrlichenden und sexistischen Botschaften auf. „In einem anderen Musikvideo beispielsweise stellt er die Menschheitsgeschichte als Kampf von ,Gut‘ gegen ,Böse‘ dar, wobei im Video das Böse in Gestalt des Teufels einen Ring mit Davidstern trägt“, hieß es in der Mitteilung am Freitag weiter. „Wir müssen ein klares Zeichen setzen und deutlich machen, dass es in Offenbach keinen Platz für Rassismus gibt. Kollegah ist hier jedenfalls nicht willkommen – genau wie jeder, der hier versucht, Hassbotschaften zu verbreiten.“

Rap: Kollegah in Offenbach: SPD will Konzert nicht absagen

Auch die Offenbacher SPD-Fraktion sieht dem Auftritt des "Gangsta-Rappers" skeptisch entgegen: „Die Musik Kollegahs beziehungsweise seine Texte halten wir für äußerst kritikwürdig und lehnen sie einerseits inhaltlich ab“, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung. „Andererseits halten wir die verfassungsrechtlich verbürgte Kunstfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes für ein hohes Gut. Diese ist von der Stadt und ihren Gesellschaften zu achten.“

Aufgrund dieses Spannungsfeldes werde sich die SPD nicht für eine Absage des Konzertes oder ähnliche Maßnahmen einsetzen, schrieb der Offenbacher Fraktionsvorsitzende Martin Wilhelm in seinem Statement. „Eine öffentliche Stellungnahme oder Aktion gegen den Künstler und seine Musik behalten wir uns aber vor.“

Rap: Kollegah-Konzert in Offenbach ist „ein Schlag ins Gesicht“

Erstmeldung vom Freitag, 22.11.2019: Offenbach – Wo er auftaucht, scheint die Aufregung derzeit programmiert: Rapper Kollegah ist auf Tournee durch Deutschland, und die Kritiker laufen Sturm. Anfang November hat die Stadt Rastatt ein Konzert des Rappers abgesagt, in Köln organisierten Politiker, Aktivisten und einige Redakteurinnen der Zeitschrift „Emma“ einen Protest vor der Konzertlocation in der Kollegah seine Musik darbieten wollte. In München, wo Kollegah vier Tage nach seinem Gig in Offenbach auftreten will, ist ebenfalls ein heftiger Streit entbrannt, einige fordern die Absage des Konzerts*. Und in Offenbach? Am 10. Dezember soll Kollegah dort in der Stadthalle auftreten. Der große Protest bleibt bisher allerdings aus.

Rap: Skandal-Musiker Kollegah vor Auftritt in Offenbach

Vorgeworfen wird Kollegah einiges: Seine Musik sei vulgär, gewaltverherrlichend, frauen- und menschenverachtend, homophob, sexistisch und antisemitisch. Spätestens seit dem Eklat um die Verleihung des „Echo“-Preises für das Album „Jung Brutal Gutaussehend 3“ und die viel zitierten Textzeilen „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ im gemeinsamen Song mit Farid Bang und „Mache wieder mal ‘nen Holocaust, komm an mit dem Molotow“ hat Kollegah den Ruf als Skandal-Rapper weg.

Strafbar sind seine Texte zwar nicht – die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft stellte im Juni 2018 ihre Ermittlungen ein – so ganz ohne Bedenken sind sie dann aber auch nicht: Im September vergangenen Jahres setzte die Bundesprüfstelle das Album „JBG3“ auf den Index der jugendgefährdenden Medien. Ein Musiker, der solche umstrittenen Zeilen rappt, wird in knapp zweieinhalb Wochen auf der Bühne der Offenbacher Stadthalle stehen. Wirklich?

Rap: Kollegah in Offenbach: „Schlag ins Gesicht“ für Jüdische Gemeinde

Es gebe keine „Gründe, die den Auftritt unmöglich machen“, sagt Regina Preis, die Sprecherin der Stadthalle. Sie sehe keine strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Bedenken – das sei im Vorfeld, wie bei anderen Veranstaltungen auch, mit Ordnungsamt und Polizei abgeklärt worden.

Begeistert sind aber nicht alle darüber, dass der Rapper, der 1984 in Friedberg (Wetteraukreis) geboren wurde, mit seiner Musik in Offenbach auftritt. Kollegah „bedient und verstärkt sämtliche Klischees und Vorurteile“, findet Henryk Fridman vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Offenbach. Dass jemand, der sich derart respektlos über den Holocaust äußert, eine Bühne bekommt, empfindet er als „Schlag ins Gesicht“ von Shoah-Überlebenden und ihren Nachfahren.

Rap: Jüdische Gemeinde Offenbach verzichtet auf Protestaktionen gegen Kollegah

Die Jüdische Gemeinde Offenbach verzichte dennoch auf Protestaktionen oder Forderungen nach einer Absage des Konzerts. „Jede Aufmerksamkeit für diesen ,Künstler‘ ist zu viel“, findet Fridman. Letztendlich seien der Musiker und seine Äußerungen „gedeckt von der demokratischen Gesellschaft und der Meinungsfreiheit“.

Der Rapper selbst weist die Vorwürfe gegen ihn zurück; er habe nichts mit Antisemitismus zu tun, auch sei er weder frauenfeindlich noch homophob, wie er jüngst gegenüber der Presse betonte. Seine harten Worte in der Musik und sein polarisierendes Auftreten – für Fans des Gangsta-Rap sind das legitime künstlerische Mittel des Genres, und Kollegah gilt ihnen als ein Meister der überspitzten, provozierenden und ironischen Selbstinszenierung.

Rap: Kunst- oder Witzfigur? Jan Böhmermann zieht über Life-Coach Kollegah her

Befremden löst der Rapper mit dem bürgerlichen Namen Felix Blume dennoch auch neben der Musik immer wieder aus: etwa mit seiner Zweitkarriere als Life-Coach und seinem „Mentoring-Programm“ und Buch "Das ist Alpha!", in dem er Männer zu „Alphas“, zu Anführern, erziehen will. Dann machte er in diesem Jahr mit einem Video von sich reden, in dem der selbsternannte „Boss der Bosse“ als verbissen-aggressiver Verkünder seines eigenen Comebacks zu sehen ist. Über das Video wurde sich im Internet hauptsächlich lustig gemacht, Jan Böhmermann zog satirisch darüber her.

Ob nun ein Star des Rap, Kunst- oder Witzfigur – Kollegah bleibt umstritten. Sollte der Betreiber einer Konzertstätte einen solchen Künstler deshalb im Vorhinein aus dem Programm nehmen und erst gar nicht erst mit seiner Musik auf die Bühne holen?

Rap: Konzert von Kollegah in Offenbach findet statt - wegen Kunstfreiheit

Regina Preis sieht das nicht so: „Wo würden wir da anfangen, wo aufhören?“, sagt sie. Es gelte die Kunstfreiheit der Musik. Die Auswahl der Acts für die großen Veranstaltungsorte in Offenbach wie dem Capitol und der Stadthalle werde nach der Maßgabe getroffen, „im Rahmen von Recht und Gesetz zu handeln, und das tun wir. Die anderen Dinge sind letztlich Geschmackssache.“ Über Kollegah, fügt sie hinzu, „kann man natürlich geteilter Meinung sein.“

VON LISA BERINS

Kollegah und Co.: Gibt es Antisemitismus im deutschen HipHop und Rap?

Seit der umstrittenen Echo-Auszeichnung der Gangsta-Rapper Kollegah und Farid Bang wird über die Judenfeindlichkeit im deutschen Rap und der Musik-Szene diskutiert. So antisemitisch ist der deutsche HipHop wirklich*.

Eine Dokumentation des Westdeutschen Rundfunks (WDR) beschäftigte sich im vergangenen Jahr ebenfalls mit dem Thema Antisemitismus im deutschen Rap. Insider aus der Hip-Hop-Szene wie P.A. Sports oder die Antilopen Gang erklären dabei ihre Sicht auf die umstrittenen Songs. Auch Jugendliche aus Offenbach, die im Video zu sehen sind, haben eine klare Meinung dazu.

*op-online.de und fr.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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