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Trotz großer Ablehnung: Offenbacher vertreibt pharmazeutisches Cannabis

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Von: Frank Sommer

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Linus Weber von „Nimbus Health“ betreibt Unternehmen für pharmazeutisches Cannabis
Linus Weber von „Nimbus Health“ betreibt Unternehmen für pharmazeutisches Cannabis © Sommer

Ein Offenbacher betreibt ein Unternehmen für pharmazeutisches Cannabis. Der Weg war jedoch steinig und voller Gegenwind.

Offenbach - Lange wurde Cannabis in Deutschland kaum von der Pharmazie beachtet, der Blick ging nur auf die missbräuchliche Nutzung. Dass das in Hanf enthaltene Tetrahydrocannabinol (kurz: THC) viel mehr kann, denn als Marihuana oder Haschisch eine berauschende Wirkung zu entfalten, dem verschloss sich auch der Gesetzgeber lange. 2017 erfolgte der Wandel: „Versicherte mit schwerwiegenden Erkrankungen haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis“, heißt es seitdem im Sozialgesetzbuch. Doch wo kommt das Mittel dann eigentlich her? Bei denen, die Cannabisblüten zur Verarbeitung in Apotheken oder THC-haltige Arznei verschrieben bekommen, stehen die Chancen gut, dass sie aus Offenbach beliefert werden. Genauer gesagt, aus Bieber-Waldhof.

Hier sitzt „Nimbus Health“, eines der führenden pharmazeutischen Unternehmen für Cannabis-Arzneimittel. Gegründet wurde es vom Neu-Isenburger Linus Weber im Dezember 2018. Der heute 30-Jährige war im Banken- und Pharmaziesektor beschäftigt, bevor er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. In einem Urlaub kam er erstmals mit verschreibungspflichtigem Cannabis in Berührung. „Ich war in Florida und lernte einen Dialyse-Patienten kennen, der rudimentär Cannabis bekam – da fragte ich mich, wie das zusammenpasst, und habe angefangen nachzuforschen.“

Legales Cannabis in Offenbach: Unternehmer erfuhr Gegenwind von Ärzten

Doch als er bei Ärzten nachfragte, bekam er kräftigen Gegenwind ab, wie er sagt: Kaum einer wollte etwas mit „dem Rauschmittel“ zu tun haben. Wie nachhaltig die missbräuchliche Nutzung das Produkt Cannabis stigmatisiert hat, zeigt sich etwa an der Episode, als eine Boulevardzeitung Linus Weber drängen wollte, fürs Foto Jamaika-Hut und Rastalocken-Perücke aufzusetzen. Natürlich lehnte Weber ab. „Cannabis ist ein medizinisches Produkt, kein Genussmittel – und wir sind ein seriöses Unternehmen im Pharmazie-Sektor“, sagt er.

Da das Unternehmertum seiner Familie im Blut liege, habe er sich eingehend mit medizinischem Cannabis als Geschäftsmodell beschäftigt und nach dem entsprechendem Urteil die Entscheidung getroffen, in den Markt zu investieren. „Viele haben mich erst einmal belächelt, als ich das machte – gerade ältere Ärzte winkten ab“, erinnert er sich. Doch der Erfolg hat ihm Recht gegeben, so mancher der einstigen Zweifler trat inzwischen an ihn heran und bat um Information zu seinen Produkten.

Offenbacher Unternehmer: „Cannabis ist als Arzneimittel anerkannt“

„Cannabis hat mir die Möglichkeiten gegeben, die Hürde zu überspringen, die Pharmaprodukte sonst haben“, sagt er. Denn Weber verarbeitet die Pflanze nicht, er beliefert Apotheken mit ganzen oder zerstoßenen Cannabis-Blüten oder mit Produkten aus dem Extrakt der Cannabis-Pflanze. „Tabletten bräuchten eine Zulassung, der Rohstoff dafür aber nicht, da Cannabis als Arzneimittel anerkannt ist.“ Und so liefert „Nimbus Health“ nur den Rohstoff, den Apotheker dann auf Arzt-Rezept weiterverarbeiten. Über eine Herstellungslizenz verfügt Weber allerdings auch, da rechtlich die Einfuhr der Pflanzenteile als Herstellung betrachtet wird. Seinen Rohstoff bezieht er aus aller Welt,

Für den Standort Offenbach sprach die zentrale Lage der Stadt im Rhein-Main-Gebiet: Innerhalb von 24 Stunden lassen sich Apotheken in ganz Deutschland beliefern. Gut gesichert in einem Tresorraum lagern Blüten und Extrakte vakuumverpackt oder abgefüllt in kleinen Fläschchen. Neun Mitarbeiter hat seine Firma, vom Lageristen bis zu den Außendienstmitarbeitern, die mit Ärzten und Apotheken im Austausch stehen.

Offenbacher Unternehmer: „Von gut 348 000 Ärzten in Deutschland verschreiben nur etwa 2 500 Cannabis“

Denn obwohl Deutschland in Sachen Cannabis-Verschreibung eine Vorreiterrolle in Europa übernommen hat, das Stigma der Partydroge ist spürbar: „Von gut 348 000 Ärzten in Deutschland verschreiben nur etwa 2 500 Cannabis“, sagt er, die jahrzehntealten Vorbehalte ließen sich nicht einfach wegwischen. Das will Weber das auch nicht so einfach, er möchte mit Fakten, mit Studien, überzeugen. Zu diesem Zweck hat er mit anderen Unternehmern den Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen gegründet, um so Fördergeld für Studien und Forschung erhalten und sich mit Patientenverbänden austauschen zu können.

Staaten wie Australien seien da schon weiter, ergänzt Weber, dort gebe es schon große Studien etwa mit 16 000 Therapieverläufen, um Vor- und Nachteile der Verabreichung von Cannabinoiden bei bestimmten Krankheiten nachzuweisen. Besonders in der Schmerztherapie sei das in der Pflanze enthaltene THC gefragt und erziele sehr gute Ergebnisse – ohne die Nebenwirkungen wie etwa bei Mitteln aus der Opiad-Familie, die ein hohes Risiko für eine Abhängigkeit aufwiesen.

Unternehmer über Marihuana: Cannabis ist kein Wundermittel

Doch ein Allheil- oder Wundermittel, wie manche Händler ihre Hanf- oder THC-freien Cannabis-Produkte wie Salben oder Öle anpreisen, ist es freilich nicht, betont Weber. „Cannabis ist ein medizinisches Mittel und wie bei jeder Arznei kommt es auf die Anwendung und Dosierung an.“

Den aktuellen Boom mit THC-freien Cannabis-Produkten oder Rufe nach einer Freigabe von Cannabis – auch Offenbachs Stadtverordnete haben jüngst den Weg für ein entsprechendes Modellprojekt freigemacht – sieht Weber kritisch: Eine unkontrollierte Freigabe ohne jede ärztliche Kontrolle sei problematisch. Denn etwa bei psychischen Erkrankungen könne eine völlig unkontrollierte Einnahme von THC ohne jegliche ärztliche Aufsicht gefährliche Folgen haben – wie bei sämtlichen anderen Arznei-Wirkstoffen machten auch hier Menge, Darreichungsform und ärztliche Kontrolle den Unterschied. Leicht ist das nicht für ihn, denn Weber muss noch immer um Akzeptanz für sein Produkt ringen. Und doch ist er zufrieden mit seinem Entschluss, ins Pharmazie-Geschäft eingestiegen zu sein. Am Standort Offenbach hält er fest, hier hat er die Option auf Erweiterungsflächen. (Frank Sommer)

Erst kürzlich setzten sich die Linken in Offenbach für eine Entkriminalisierung von Cannabis ein.

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