Live-Stream aus Offenbacher Stadtverordnetenversammlung gefordert

Alle Jahre wieder steht in den Parlamenten der hessischen Kommunen das Thema „Übertragung der Debatte im Internet“ auf der Tagesordnung.
Offenbach - Auch in Offenbach ist das Thema nicht neu – es ist sogar schon ziemlich alt, wie die Fraktion Offenbach für alle (Ofa) aus Piraten, Partei und Jungem Offenbach verdeutlicht. 2011 hatten die damalige Koalitionäre von SPD, Grünen und Freien Wählern einen entsprechenden Antrag der Piraten abgewandelt und wollten prüfen, ob Audio- oder Video-Übertragungen des Stadtparlaments ins Internet möglich wären.
Doch wie bei sehr vielen Prüfanträgen war dann lange Zeit nichts mehr zu hören. Die Zusammensetzung des Magistrats wechselte seitdem mehrfach, zehn Jahre gingen ins Land, ohne dass den Stadtverordneten ein Prüfergebnis vorgelegt wurde. Selbst eine entsprechende Anfrage der Ofa vom Juli 2021 wurde erst nach fünf Monaten vom Magistrat beantwortet. Die ernüchternde Antwort: Es wurde quasi nichts gemacht.
„Als Begründung heißt es, dass die Stadt damals zu diesem Themenkomplex noch nähere Festlegungen durch Anpassungen der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) abwarten wollte“, schreibt Piraten-Fraktionsvorsitzende Annette Schaper-Herget. Und weiter: „Dazu hätten allerdings zwei Monate ausgereicht, denn die Anpassung ist zum 1. Januar 2012 erfolgt. Aber auch danach ist nichts unternommen und das Parlament nicht einmal darüber informiert worden.“
Nach nun elf Jahren bringt die Ofa das Thema erneut und fordert die Übertragung der Sitzung über das Format „Open Parliament TV“.
„Anfragen nach Übertragungen gibt es immer wieder“, sagt Stadtverordnetenvorsteher Stephan Färber. Bis vor einigen Jahren waren sie jedoch rechtlich nicht umsetzbar, da die HGO diese untersagte.
„Inzwischen gilt ein Verbot mit Ausnahmetatbestand, das heißt, Kommunen dürfen Übertragungen gestatten“, sagt er. Allerdings gebe es auch da einiges zu beachten, denn zwar gelten Oberbürgermeister oder Stadtverordnetenvorsteher als „Personen der Zeitgeschichte“, was Bild- und Tonaufnahmen von ihnen gestatte, doch die einzelnen Stadtverordneten fielen nicht in diese Kategorie. Jeder Mandatsträger müsste somit der Übertragung zustimmen, ansonsten dürfen dessen Beiträge nicht gesendet werden. Zudem, gibt Färber zu bedenken, hätten Stadtverordnete keine Indemnität wie Bundestagsabgeordnete: „Alles, was sie sagen, ist prinzipiell strafrechtlich relevant“, sagt Färber, „und in den vergangenen Jahren gab es bei manchem Stadtverordneten sehr angreifbare Formulierungen“.
Audio-Übertragungen aus der Stadtverordnetenversammlung gibt es in der Region bereits: In Frankfurt werden ganze Sitzungen im Internet gestreamt, in Darmstadt zumindest Teile über Radio Darmstadt. Mehr Zugänglichkeit wegen der Besucher-Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gibt es aber auch in Offenbach: Einen Live-Ticker zur Sitzung hat Färber bereits 2020 eingeführt. „Nach Vorbild des Kickers-Ticker bei der Offenbach-Post“, wie er schmunzelnd hinzufügt.
Ob durch siebenstündige Übertragungen der Debatten gegen Politikverdrossenheit angekämpft werden kann, ist jedoch fraglich. Denn es ist nicht so, dass in Vor-Corona-Zeiten die Besucher Schlange gestanden hätten: Wenn wirklich einmal mehr als zehn Besucher sich auf den Plätzen im Rathaus einfanden, handelte es sich größtenteils entweder um neue Angestellte der Stadtverwaltung oder Jura-Studenten. Selbst bei der Debatte um die Grundsteuererhöhung 2010 waren gegen Mitternacht, als das Thema behandelt wurde, nur noch eine handvoll Besucher im Saal.
Die Kosten für eine Übertragung schätzt Parlamentschef Färber auf rund 20 000 Euro im Jahr.
Von Frank Sommer