Massenweise gefälschte Impfpässe in Offenbach – Polizei ermittelt

Spätestens seit der Verschärfung der Corona-Regeln werden zunehmend gefälschte Impfpässe entdeckt. Allein in Offenbach laufen Ermittlungen in Hunderten Fällen.
Offenbach – Restaurants, Bars, Weihnachtsshopping – für Ungeimpfte ist all das zurzeit tabu. Der Druck auf Impfverweigerer wird seit Wochen immer weiter erhöht. Wer noch nicht gegen Corona geimpft ist, ist weitestgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Doch anstatt sich für den Piks zu entscheiden, wählen immer mehr Impfkritiker den Weg in die Illegalität – und fälschen ihre Impfausweise.
Die Zahlen sind alarmierend. Von konkret 300 aktuellen Verfahren beim Polizeipräsidium in Offenbach berichtet ein Ermittler. Auf Nachfrage bestätigt Pressesprecherin Andrea Ackermann immerhin: „Die Anzahl der derzeit von unserem Fachkommissariat für Betrugsdelikte bearbeiteten Anzeigen mit Verdacht auf gefälschte Impfausweise liegt im niedrigen dreistelligen Bereich.“ Der Großteil der mutmaßlich gefälschten Ausweise sei dabei in Offenbach vorgelegt worden. Die Ermittlungen laufen.
Gefälschte Impfpässe in Offenbach: Blanko-Ausweise aus dem Internet
Zu den Verfahren kommen noch zahlreiche Betrugsversuche, die allerdings nicht immer in einer Anzeige münden. Denn in den meisten Fällen scheitern die Täter bereits in den Apotheken vor Ort. Dort versuchen sie, mit gefälschten Impfpässen das Personal zu täuschen. Ihr Ziel: Sich ein gültiges digitales Impfzertifikat zu erschleichen. Die Mittel dafür beschaffen sich die Fälscher ganz legal aus dem Internet, etwa vom Branchen-Riesen Amazon. Dort werden den Kunden, passend zu den Blanko-Ausweisen gleich passende, bedruckbare Etiketten und Stempel vorgeschlagen.
„Wir haben immer wieder Kunden, die wir abweisen, weil sich bei der Überprüfung des Ausweises Ungereimtheiten ergeben“, sagt Dorothea Kralle. Sie ist Apothekerin in der Apotheke zum Löwen in der Offenbacher Fußgängerzone und prüft mit ihren Kollegen zurzeit Impfpässe im Akkord. Die Zahl der Abgewiesenen variiere täglich, berichtet sie. Das sei vor allem davon abhängig, wie viel am Tag in der Stadt geimpft werde. „Aber es gab schon Tage, an denen wir vier bis fünf Fälle hatten, bei denen etwas auffällig war.“

Ein ähnliches Bild bietet sich in der Schwanen-Apotheke am Marktplatz. Auch hier kommt es immer wieder zu Ungereimtheiten bei der Impfpass-Kontrolle. Dort werden die Zertifikate jedoch nicht gleich, sondern von einem auf den anderen Tag erstellt. „Das gibt uns die Möglichkeit, die Daten genau zu prüfen“, erklärt Apothekerin Milena Müller.
Gefälschte Impfpässe in Offenbach: Arztstempel als guter Anhaltspunkt
Die Anhaltspunkte, einen Betrüger zu entlarven, sind jedenfalls vielfältig. Müller berichtet etwa von ungewöhnlichen Impfabständen. Dazu gebe es auch bei den Chargen-Etiketten gewisse Merkmale, die überprüft werden könnten. „Ein guter Anhaltspunkt sind auch die Arztstempel“, sagt ihre Kollegin Dorothea Kralle. „Wir kennen hier natürlich jede Praxis im Umkreis“, erklärt sie.
Wenn dann plötzlich ein völlig unbekannter Stempel auftaucht, prüft die Apotheke das nach und nimmt Kontakt mit der Praxis auf. „Wenn wir da an Grenzen stoßen oder es nicht verifizieren können, lehnen wir so jemanden im Zweifelsfall ab“, sagt Kralle. Wobei das nicht automatisch heiße, dass jeder Abgewiesene ein Fälscher sei. Ist jedoch klar ersichtlich, dass manipuliert wurde, kennen die Apotheken keine Gnade. „Wenn wir feststellen, dass da etwas nicht stimmt, geben wir die Daten direkt an die Polizei weiter“, stellt Milena Müller klar.
Dass Impfnachweise gefälscht werden, ist schon seit vielen Wochen ein Problem. Wobei anfangs offenbar auf eher naive Art und Weise versucht wurde, sich Zutritt zu Restaurants oder Veranstaltungen zu verschaffen. „Da wurden dann einfach Screenshots von gültigen digitalen Impfzertifikaten herumgeschickt“, berichtet der Leiter der Offenbacher Stadtpolizei, Lothar Haack. „Mittlerweile habe sich jedoch überall die Kontrolle des Personalausweises durchgesetzt, sodass das nicht mehr funktioniert.“
Gefälschte Impfpässe in Offenbach: Landespolizei nutzt spezielles System
Deshalb konzentriere sich jetzt der größte Teil des Missbrauchs auf die Impfbücher. Wobei seinen Leuten bisher nicht sonderlich viele Menschen mit gefälschten Impfausweisen ins Netz gegangen seien. „Das liegt aber auch daran, dass wir nicht gezielt danach suchen“, sagt Haack. „Eine solche Fälschung ist eine Straftat und liegt damit in der Zuständigkeit der Landespolizei.“ Wenn überhaupt stießen seine Stadtpolizisten wenn überhaupt nur im Zuge normaler Kontrollmaßnahmen etwa in Gaststätten auf mögliche Betrüger. „Das sind dann aber Zufallsfunde, die wir direkt an die Landespolizei übergeben.“ Schwierig wird es vor allem deshalb, weil „gefälschte Stempel für uns nur sehr schwierig zu erkennen sind.“ Eine Software zur sogenannten Plausibilisierung von Impfchargennummern gebe es zwar, aber die Stadtpolizei habe darauf noch keinen Zugriff.
Währenddessen setzt die Landespolizei dieses System schon seit längerem im großen Stil ein. Wer also mit einem gefälschten gelben Impfbuch erwischt wird, ist mittlerweile ziemlich schnell entlarvt. Das wiederum erklärt den aktuellen Ansturm auf die Apotheken. Denn schafft es ein Betrüger tatsächlich, dort ein digitales Impfzertifikat zu erhalten, kann er bei einer Kontrolle selbst vom geschultesten Polizisten nicht mehr enttarnt werden – weil das Zertifikat ja echt ist. (Christian Reinartz)
Zumindest ist in den vergangenen Wochen die Nachfrage an Impfungen deutlich gestiegen. Um diese decken zu können, baut Offenbach seine Impfkapazität weiter aus. Nun gibt es auch eine Impfstation im Stadthaus. Allerdings können sich dort nicht alle Menschen aus Offenbach impfen lassen.