Maßgeschneiderte Therapie

Die Diagnose Krebs ist nach wie vor ein Schock. Trotz erstaunlichen medizinischen Fortschritten in den vergangenen Jahren ist Krebs in Deutschland nach Herz- und Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache mit 230 000 Verstorbenen im Jahr 2020. Wer die Diagnose bekommt, braucht weit mehr als medizinische Versorgung: Psycho-onkologische Unterstützung, soziale und finanzielle Beratung, einen Ernährungsplan, Schmerztherapie, Austausch mit anderen Betroffenen und vieles mehr. Am Sana-Klinikum wird mit der Gründung des Onkologischen Centrums Offenbach (OCO) all dies nun unter einem Dach gebündelt.
Offenbach - „Sektorenübergreifende Zusammenarbeit“ lautet das Stichwort, das Betroffenen eine Behandlung „aus einem Guss“ ermöglichen soll, wie Sana-Regionalgeschäftsführer Sascha John sagt. Unter dem OCO wirken die fünf Organkrebszentren des Klinikums mit allen klinischen und ambulanten Partnern koordiniert zusammen. Dies zeigt sich etwa in den interdisziplinären Tumorkonferenzen, in denen die Patienten vorgestellt und mit allen Behandlungspartnern besprochen werden. Anhand dessen empfiehlt die jeweilige Konferenz einen individuellen Behandlungsplan. „Krebsarbeit ist immer Teamarbeit“, betont John.
Zur Auftaktveranstaltung für das OCO im Offenbacher Achat Plaza-Hotel sind zahlreiche Gäste aus Medizin und Politik erschienen, darunter Hessens Sozial- und Gesundheitsminister Kai Klose und die Offenbacher Bürgermeisterin und Gesundheitsdezernentin Sabine Groß. In Podiumsdiskussionen sprechen die Chefärzte der einzelnen Krebszentren des Sana-Klinikums über die Vorteile der Bündelung zum OCO. Auch Vertreter von Selbsthilfegruppen, der Pflege bis hin zur Palliativversorgung diskutieren zum Thema.
„In den letzten zehn Jahren sind die Entwicklungen in der Krebsforschung wie im Zeitraffer vorangeschritten“, sagt Prof. Thomas Wehler, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie und Leiter des neuen Zentrums. Dieser Prozess sei noch in vollem Gange. Es gehe nicht mehr darum, die Tumoren ausschließlich nach ihrem Ursprungsgebiet zu beurteilen und zu behandeln. „Kein Tumor ähnelt dem anderen.“
Man habe erkannt, dass die molekulare Struktur viel wichtiger sei. Das ist, so Wehler, „eine Revolution der Krebstherapie“. Das OCO mache innovative Behandlungsmethoden aus der Spitzenmedizin für jeden Patienten zugänglich. Zwar sei die klassische Chemotherapie nach wie vor das Rückgrat der Krebsbehandlung: Doch die Therapie der Zukunft erfolge auf molekularer Ebene, maßgeschneidert auf den einzelnen Patienten – was nur im interdisziplinären Kontext möglich sei. „Manchmal genügt es, eine einzelne Weiche umzustellen, schon fährt der Zug in eine andere Richtung“, verbildlicht es Prof. Christian Jackisch, Präsident der Hessischen Krebsgesellschaft und Chefarzt am Gynäkologischen Krebszentrum des Sana-Klinikums. Auch am OCO wird eifrig geforscht.
Die enge Vernetzung aller onkologischen Abteilungen, stationärer und ambulanter Angebote, auch mithilfe niedergelassener Ärzte, soll dazu führen, Krebskranke zielgerichteter und schneller zu versorgen, die Verweildauer im Krankenhaus zu verkürzen. „Das bedeutet für die Patienten mehr Lebensqualität“, sagt Wehler. Auch sollen innerhalb des OCO die Angehörigen mehr eingebunden werden, als es im sonstigen Klinikalltag der Fall ist.
Denn im Kampf gegen den Krebs sind neben der medizinischen Behandlung viele weitere Faktoren entscheidend – wie eben Unterstützung durch die Familie, aber beispielsweise auch durch Pflegedienste und Therapeuten. „Es gibt ein Leben vor der Erkrankung und danach“, weiß Jackisch. Gerade deshalb sei der Austausch mit anderen Betroffenen so wichtig. „Zu merken, dass man nicht allein ist mit dieser Diagnose und dass andere noch Jahrzehnte danach damit leben können, ist ungemein beruhigend“, sagt Axel Schneider von der Offenbacher Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe. Weitere wesentliche Bestandteil des OCO sind die Schmerztherapie und die Ernährungsberatung.
So sehr Krebs immer noch eine Horror-Diagnose ist, so geben Studien leisen Anlass zur Hoffnung: Die Überlebensrate steigt. „Es ist beruhigend, Menschen in seiner Nähe zu wissen, die sich so qualifiziert um die Gesundheit der Bevölkerung kümmern“, dankt Bürgermeisterin Groß.
Von Veronika Schade