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Mehr Beratungsstellen dank Zuschuss der Stadt Offenbach

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Von: Frank Sommer

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Symbolbild sexualisierter Gewalt bei Kindern
Anlaufstelle „Halte.Punkt“ berät bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche © picture alliance / dpa

Die Zahl ist erschreckend: Im Schnitt müsse ein Kind, das sexuelle Gewalt erfahren hat, sich sechs oder sieben Erwachsenen anvertrauen, bis endlich jemand bereit ist, ihm zu glauben und Hilfe anzubieten. „Das Thema ist stark mit Scham behaftet“, sagt Pia Barth von Pro Familia, die seit Anfang des Monats für die Beratungsstelle „Halte.Punkt“ tätig ist.

Offenbach - „Halte.Punkt“ ist seit knapp vier Jahren eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche in Sachen sexualisierter Gewalt. Zwei Berater auf einer halben Stelle gab es bisher für das ganze Stadtgebiet, deren Arbeit konnte nun aufgestockt werden: Bisher wurde deren Arbeit allein vom Land Hessen finanziert, die Stadt Offenbach stockt das Budget jedoch nun freiwillig um 55 000 Euro pro Jahr auf – zunächst für drei Jahre, doch Ziel sei eine Verstetigung des Angebots. „Wir sind zwar in einer schwierigen finanziellen Lage, aber es besteht ein dringender Handlungsbedarf“, sagt Kämmerer Martin Wilhelm. Die halbe Stelle habe nicht ausgereicht, Offenbach sei unterversorgt gewesen. „Hochrechnungen zeigen, dass knapp 1700 Kinder und Jugendliche derzeit sexualisierte Gewalt erfahren – da müssen wir als Stadt handeln.“

Sexualisierte Gewalt beginne im Kleinen, weiß Florian Schmidt, der von Anfang an das Projekt begleitet, zu berichten: Es seien nicht gleich die erschreckenden Vergewaltigungsfälle, sondern es beginne viel kleiner, die Täter tasten sich vorsichtig an ihre Opfer heran, suchen sie gezielt aus. „Es können anzügliche Bemerkungen sein oder auch eindeutige Aufforderungen in den sozialen Medien“, sagt Beraterin Heike Pinne.

Wo bei den Kindern und Jugendlichen die rote Linie verläuft, was als Grenzüberschreitung und Übergriffigkeit aufgefasst werde, sei höchst individuell. „Der Klaps auf den Po im Sport wird von manchen auf einer Skala mal als eins, mal als zehn gewertet“, sagt sie. Wichtig sei es, die Kinder und Jugendlichen überhaupt zu sensibilisieren, dass sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. „Oft gibt es nur ein komisches Gefühl, dass etwas nicht stimmt – bis sie bereit sind, sich Hilfe zu suchen, ist es ein langer Weg“, sagt sie. Die Besonderheit in Offenbach: Während in vielen Städten die Beratung eher feministisch orientiert sei, wird hier darauf geachtet, dass auch Jungs Opfer von sexualisierter Gewalt sein können.

Beratungsstelle „Halte.Punkt“

Im Dezember 2017 hat in der Domstraße 43 in den Räumlichkeiten von Pro Familia die Beratungsstelle „Halte.Punkt“ ihren Betrieb aufgenommen. Ziel des Angebots ist es, dass Kinder und Jugendliche in Sachen sexualisierter Gewalt eine Anlaufstelle finden, in der sie Hilfe erfahren oder sich grundsätzlich zum Thema informieren können. Alle Gespräche werden vertraulich behandelt, der Schutz der Opfer steht bei der Arbeit im Vordergrund. Die Beratung ist kostenfrei, finanziert wurde das Angebot bisher vom Land Hessen. Neben Kindern und Jugendlichen werden auch Eltern und andere Vertrauenspersonen, aber auch Kindergärten, Schulen und Vereine beraten, um diese bezüglich sexualisierter Gewalt zu sensibilisieren. Speziell für Sportvereine existiert für den Kreis Offenbach ein Programm zur Verhinderung von sexualisierter Gewalt, mit diesem Projekt wird kooperiert. Termine für eine Beratung können montags, donnerstags und freitags von 9 bis 12 Uhr und dienstags und mittwochs von 14 bis 17 Uhr unter 069 85096800 oder unter 0176 85645613 sowie unter E-Mail an offenbach@haltepunkt.org vereinbart werden. Seit Beginn des Monats gibt es auch eine Beratungs-App von „Halte.Punkt“, diese ist im Appstore oder im Google Playstore verfügbar.

Dank des städtischen Zuschusses konnte der Stellenplan auf 1,2 Stellen erweitert werden: Somit gibt es nun mehr Kapazitäten, um Workshops an Schulen anzubieten. „Wir haben diesen Monat bereits sieben Schulklassen besuchen können“, sagt Pinne. In den Veranstaltungen wird diskutiert, was sexualisierte Gewalt sein kann und wie man Grenzen setzt. „Wir gehen davon aus, dass pro Klasse ein, bis zwei Kinder betroffen sind“, sagt Schmidt. Wichtig sei es, dass im Anschluss an den Workshop Berater zur Verfügung stünden, damit sich betroffene Kinder direkt an sie wenden können. „Ohne ausreichende Kapazitäten war es daher vorher gar nicht möglich, mehrere Klassen zu besuchen“, sagt er.

Die Beratungsarbeit selbst gestaltet sich aufwendig: Nicht nur mit den betroffenen Kindern wird in mehreren Terminen gesprochen, auch mit Bezugspersonen sowie Stellen, an denen sie Hilfe erfahren können. „2021 gab es 43 bekannt gewordene Fälle von sexualisierter Gewalt in Offenbach – die Anzahl der geführten Gespräche ist um ein Vielfaches höher“, sagt Barth.

Von Frank Sommer

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