Stand-up-Comedian der ersten Stunde: Michael Mittermeier kommt nach Offenbach

Offenbach – Für die einen ist er Deutschlands Langzeit-Stand-up-Comedian, für seine Tochter vor allem ein „alter weißer Mann“. Jetzt startet Michael Mittermeier mit einem Remake seines 1996er-Programmes „Zapped“ eine Jubiläumstour. Für das Fernsehen zeichnet er seine Show am 4. Mai im Offenbacher Capitol auf. Im Gespräch erzählt der 56-Jährige von einem Abend mit den befreundeten Musikern von U2, von seiner selbstbewussten Teenie-Tochter Lilly, von Comedy in Russland und Verschwörungsideologien. Ein bisschen um seinen Auftritt geht’s auch.
Es ist schon Ihre zweite TV-Aufzeichnung im Capitol. Es scheint Ihnen zu gefallen in Offenbach?
Das Capitol ist ein ganz toller Raum, den ich erst entdeckt habe, seitdem ich wieder bewusst kleinere Touren mache und nicht immer nur in großen Hallen auftrete. Er hat die perfekte Größe für Stand-up-Comedy. Als ich ihn das erste Mal betrat, habe ich zu meinem Lichttechniker gesagt: Hier sollten wir mal eine Aufzeichnung machen. Es hat etwas von einem amerikanischen Theater, wo auch solche Figuren rumstehen, wo du denkst: Okay, welches Raumschiff hat die abgeladen? Es hat was zwischen Barock und Space. Und auch jetzt war es mein Wunsch, wieder da aufzuzeichnen.
„Zapped. Ein TV-Junkie kehrt zurück“ ist die Neuauflage eines Programms, mit dem Sie vor 25 Jahren durch Deutschland tourten. Mittlerweile wird gestreamt, das lineare Fernsehen ist out – und das Zappen eine vom Aussterben bedrohte Kulturtechnik. Warum noch mal ein Comedy-Programm darüber?
Es ist ja mein Jubiläums-Special. „Zapped“ war mein Durchbruch. Also zumindest wird mir das von Kollegen erzählt, und so langsam muss ich das auch mal akzeptieren. Es war anscheinend die Revolution in der deutschen Comedy. Heute sagen viele junge Kollegen, sogar welche um die 20, zu mir: „Alter, wir sind mit dir aufgewachsen. Du bist Alpha. Wir haben wegen dir angefangen.“ Es gab halt in dem Segment damals nicht so viele.
TV-Aufzeichnung und Jubiläumstour
„Zapped! 25 Jahre Special“ wird am 4. Mai 2022, um 20 Uhr, im Capitol Offenbach aufgezeichnet. Tickets gibt es bei bekannten Vorverkaufsstellen und unter www.printyourticket.de.
Zum 25. Jubiläum seines Durchbruchs ist Michael Mittermeier mit seinem Special „Zapped! Ein TV-Junkie kehrt zurück!“ auf Tour. Sechs Mal erhielt der 56-Jährige bisher den Deutschen Comedypreis. Seit vielen Jahren spielt er auch englischsprachige Programme im Ausland. Während des ersten Lockdowns startete er mit seiner heute 14-jährigen Tochter Lilly das Videoformat „Synapsen Mikado“, das seit vergangenem Jahr als Podcast produziert wird. Im März ist Mittermeiers Buch „Nur noch eine Folge! Fernsehen von A bis Zapped!“ erschienen (Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten, 18 Euro).
Im Segment der Stand-up-Comedy?
Ja. Als ich Mitte der 80er Jahre angefangen habe, gab es das noch nicht als Genre im deutschen Raum. Wir haben es dann einfach irgendwann so genannt nach dem Vorbild aus Amerika und England. Es gab dann diese Diskussion darüber; was ist besser – Kabarett oder Comedy? Im Grunde war das Quatsch, ich komme ja auch selbst aus dem Kabarett, aus der Kleinkunst. Diese Mär, dass du auf Deutsch kein Stand-up machen kannst, hörst du ja teilweise immer noch.
Wie kam es jetzt zum Remake Ihres „Zapped“-Programms?
Ich hatte die Idee für das 25-Jahre-Special, als ich bei den Jungs von U2 in Rom war, auf ihrer 30-Jahre Anniversary-Tour. Und es war so ein geiler Abend. Die haben ihr Programm so fresh gespielt. Und wir saßen nachher oben auf dem Dach und hatten sehr, sehr guten Whiskey, was ja meine zweite große Leidenschaft ist. Wobei meine Tochter sagen würde, dass es mein einziges Hobby sei. Und in dem Moment dachte ich mir: Ich wollte ja nie ein Best-of machen, aber das wäre eine Challenge: Du nimmst ein Programm, das 25 Jahre alt ist und das für viele die Erweckung war. Und du versuchst es, so hinzukriegen, dass es mit neuen Sachen geschliffen wird, dass du es so hinstellst, als ob es ein aktuelles Comedy-Programm wäre. So, dass ein 25-Jähriger danach sagt: „Alter Schwede, das war ‚ne geile Comedyshow“ – das wäre eine echte Herausforderung. Das Ziel war nicht, Nostalgikeraugen feucht werden zu lassen.
Sie haben sich den aktuellen Trash auf den privaten Programmen angeschaut. War es sehr schlimm, ist es sogar schlimmer geworden als damals?
Ich sag es so: Früher war Fernsehen kiffen, heute ist es Crystal Meth – also „Love Island“ ist es definitiv. Wobei ich auch Ehrfurcht vor den Dialogen in solchen Formaten habe. Shakespeare hätte sich nicht getraut, in einem Liebesdialog zu seiner Angebeteten zu sagen: „Dann hab ich eine Frau mit nach Hause genommen, und sie hat sich ausgezogen, und die sah schon ziemlich stabil aus.“ Das sind Sätze für die Ewigkeit. Und dieser Rosenverkäufer, der „Bachelor“, dem seine Leute immer eine Rose zu wenig mitgeben für die Menschen da. Wir nennen sie mal Menschen, meine Tochter würde „Bitches“ sagen. Ich zitiere nur.
Scheint, als würden Sie von Ihrer Tochter, mit der Sie ja auch einen Podcast haben, einiges lernen?
Das Coole ist, dass ich von meiner 14-jährigen Tochter einen ungefilterten, unverbrauchten Input kriege. Diese Brille kann ich mir ja nicht mehr aufsetzen. Und da clashen wir oft in unseren Dialogen, die sich dann auch in das Programm reingewuselt haben. Das war nicht geplant, der Podcast „Synapsen Mikado“ ist passiert, er hat sich aus den Gesprächen am Abendessenstisch ergeben. In mein neues Buch „Nur noch eine Folge!“ sind dann auch eins zu eins unsere Dialoge eingeflossen, die ich gar nicht lustiger hätte erfinden können. Ich spreche mit ihr über „Bonanza“, eine Serie meiner Kindheit, und dann sagt sie: „What the crack, das ist so unwoke.“ Sie sieht einen Mann, der drei Söhne von drei verschiedenen, kurz nach der Geburt verstorbenen Frauen hat. Und sagt dann: „Papa, fällt dir das nicht auf? Das ist echt creepy.“
Zu Ihrem 55. Geburtstag hat sie Ihnen ein Buch über „alte weiße Männer“ geschenkt. Was hat Ihre Tochter von einer Unterhaltung mit einem Vertreter dieser Spezies?
Sie liebt es schon sehr, mit mir über alles Mögliche zu quatschen, das sagte sie mir erst gestern. Das macht mich stolz. Es freut das Elternherz. Außerdem kann ich ihr auch den ein oder anderen Trashfilm nahebringen. Wir sind bei „The Fast and The Furious“, Teil 7.
Zu sehen sind protzige Autos und Geschlechterklischees – auch ein bisschen unwoke, oder?
Total unwoke. Wir gucken das mit einem ironischen Zwinkern, genauso wie „Germany’s Next Topmodel“.
Die Sendung schreibt sich jetzt auf die Fahne, diverser zu sein, indem auch andere „Bodytypes“ und ältere Frauen mitmachen dürfen.
Dazu meine Tochter: „Den Scheiß braucht ihr mir nicht erzählen. Ich bin zwar 14, aber nicht blöd.“
Als Comedian verabreichen Sie Politik in leichter Dosis. Würden Sie sagen, dass es schwieriger, vielleicht auch riskanter für Komiker geworden ist, sich politisch zu äußern?
Ein Kumpel von mir ist Stand-up-Comedian in Burma. Er saß 13 Jahre im Gefängnis für seine politischen Witze. Ein anderer Kumpel ist Comedian in Russland. Er muss sehr vorsichtig sein, was er sagt. Noch vor ein paar Jahren sind wir zusammen in Moskau aufgetreten, zum Schluss sind wir nachts über den Roten Platz gelaufen. So eine Veranstaltung, so eine Freiheit – das gibt es dort nicht mehr. In Deutschland ist das anders. Da sind in den letzten drei, vier Jahren die Beschimpfungen extremer geworden. Jetzt hast du die Impfgegner, die Coronaleugner, die Verschwörer. Aber wenn ein Kabarettist oder Comedian sagt: „Du darfst heutzutage nichts mehr sagen“, dann sage ich: „Ja, dann hast du den falschen Job ausgesucht, dann werd’ halt Bäcker.“
Gilt diese Freiheit auch für solche grenzwertigen Äußerungen wie die von Dieter Nuhr, der keinen Hehl aus seiner Skepsis gegenüber der Corona-Politik macht?
Ob es einem Dieter Nuhr gefällt oder nicht: Er hat nie alle Corona-Regeln infrage gestellt. Und es gibt natürlich auch Vorschriften, wo du sagst: Das versteht man einfach nicht. Wenn in einem Restaurant 200 Leute ohne Maske sitzen, aber das Theater nebenan monatelang zumachen muss oder nur 25 Plätze belegen darf, mit Maskenpflicht, dann weißt du einfach nicht, was das bedeuten soll. Das ist unlogisch. In Deutschland ist ja sowieso das Erste, was zumacht, die Kultur.
Wenn Sie im Ausland, in England und den USA auftreten, sind Sie auch als Aufklärer unterwegs – das sagten Sie in unserem Gespräch vor neun Jahren einmal. Sie wollten das Bild vom Deutschen als Nazi korrigieren. Jetzt haben wir eine Reihe rechtsterroristischer Anschläge erlebt: den Mord an Walter Lübcke, den Anschlag in Halle, den Terror in Hanau. Ist Ihre Botschaft noch glaubwürdig?
Zuerst einmal: In Amerika gibt es mehr Nazis als in Deutschland, und das kann ich sagen, denn ich kenne mich in der amerikanischen Politik sehr gut aus. Was Deutschland betrifft: Ich denke schon, dass genau hingeguckt wird. Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Was mich bei dem Attentäter von Hanau beschäftigt, ist das Verschwörungs-Pamphlet, das er geschrieben hat. Das ist eine astreine Qanon-Ansage. Der Attentäter ist nicht ,nur’ ein Nazi, sondern ein Verschwörer dazu. Und da höre ich zu wenig Zusammenhang. Die Querdenker laufen mit einem Q auf ihren T-Shirts durch die Straßen, oder jetzt mit einem Z. In diesen Verschwörungstheorien ist eine Radikalisierung passiert, diese Leute haben das rechte Spektrum aufgesogen.
Jetzt sind wir ziemlich ins Politische abgedriftet. Noch ein abschließendes Statement zu Ihrem Comedy-Programm?
Vielleicht noch das: Auch die „Zapped“-Fans, die meinen, alles gesehen und gehört zu haben, werden auf ihre Kosten kommen, das verspreche ich. Das Programm ist ein Crossover von alt und neu. Es wird sehr reloaded, yeah! Ich freue mich auf die Fernsehaufzeichnung in Offenbach.