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Offenbach: Ukrainische Kinder werden von Mitschülern gemobbt

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Von: Frank Sommer

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Wenn Putins Krieg auch auf dem Schulweg relevant wird: In Offenbach werden zwei ukrainische Kinder von anderen Schülern wegen ihrer Herkunft angefeindet und geschlagen.

Offenbach - In Offenbach ist ein Fall bekannt worden, dass zwei ukrainische Kinder, die mit ihren Müttern wegen des Ukraine-Krieges nach Deutschland geflüchtet sind, von anderen Schülern wegen ihrer ukrainischen Herkunft angefeindet und geschlagen wurden. Neu oder nur auf Offenbach bezogen sind solche Taten nicht, aus vielen Schulen im Land gibt und gab es ähnliche Vorfälle, Nationalitäten und Kulturen sind austauschbar. In der Vergangenheit gab es sie etwa unter Schülern aus dem ehemaligen Jugoslawien oder zwischen Türken und Kurden.

Nun waren es ein acht- und ein neunjähriger Junge, die die Wilhelmschule besuchen und die zuerst von anderen Kindern angefeindet wurden, da man sie für Russen hielt. Als sie erklärten, sie seien Ukrainer, wurden sie von anderen Schülern mit russischen Wurzeln drangsaliert. „Sie wurden vom Rad gestoßen, beschimpft und vom Spielplatz verjagt– erst nach einer Woche hat sich mein Sohn mir anvertraut“, berichtet eine der Mütter im Gespräch mit unserer Zeitung.

Beide Mütter sagten ihren Söhnen, dass sie die Vorfälle ihrer Lehrerin melden müssten, auch ihr Offenbacher Gastgeber, bei dem die Familien Zuflucht gefunden haben, sprach bei der Schule vor und berichtete von den Vorfällen. Die Schulleitung erkannte die Brisanz, doch durch die Sprachbarriere war dies den Müttern zunächst nicht bekannt.

Ukrainische Kinder in Offenbach: „Gekommen, damit sie in Sicherheit leben können“

Die sorgten sich verständlicherweise um das Wohl ihrer Kinder. „Wir sind extra mit ihnen hierher gekommen, damit sie in Sicherheit leben können“, sagt eine Mutter, für die Jungs sei die Situation ohnehin schwierig, da ihre Väter in der Ukraine geblieben seien. Sie zeigt Bilder, die von ihrem Kind gemalt wurden: Eines ist schwarz-weiß, es zeigt, wie sie sich nach dem Überfall der russischen Armee eine Woche im Keller verstecken mussten.

In 21 Willkommensklassen werden ukrainische Kinder im Landkreis beschult. Daraus sollen nun „Brückenklassen“ werden. Allerdings fehlen dafür die Lehrkräfte.
Viele geflüchtete ukrainische Kinder sind längst in ihren neuen Schulklassen integriert. © dpa

Schiedsmann Werner Frei, der von der Angelegenheit erfuhr und sich an die Redaktion wandte, weiß aus Erfahrung, dass das Problem in solchen Fällen in den Elternhäusern liegt. Dort werde das Staatsfernsehen der Heimat geschaut, somit russische Propaganda konsumiert – die Kinder erzählen das nach, was sie dort unkommentiert gesehen haben und übertragen so die Konflikte auf den Schulhof. „Umso wichtiger ist es, dass die Schulen hier eingreifen und aufklären“, sagt er.

Offenbach: Ukraine-Krieg entzweit russischstämmige Familien

Da er auch Vorsitzender des Freundeskreises Offenbach-Orjol ist, sind ihm inzwischen mehrere Fälle bekannt, in denen es auch in Familien zu schweren Konflikten nach Putins Angriff kam: Die einen verurteilen den Überfall, die anderen wiederholen aus fehlgeleiteter Heimatliebe die Staats-Meinung.

In der Wilhelmschule wurde der Konflikt tatsächlich nach Bekanntwerden angegangen, die Lehrer sprachen mit den Kindern, sämtliche Eltern wurden zu Gesprächen geladen und die Situation zwischen den Kindern konnte mittlerweile befriedet werden, sagt Leiterin Sylvia Nowak. Sie betont, dass die Schule solche Vorfälle ernst nehme, von Mobbing möchte sie jedoch nicht sprechen. „Wir haben alle Seiten an einen Tisch gebracht und konnten den Konflikt klären“, sagt sie.

Offenbach: Schulen sollen „Ukraine-Russland-Konflikt“ im Unterricht thematisieren

„Bei solchen Konflikten ist es wichtig hinzuschauen und einzuschreiten“, betont Susanne Meißner, Leiterin des staatlichen Schulamtes, „sie müssen angesprochen und dürfen nicht vertuscht werden.“ Probleme unter Schülern unterschiedlicher Nationalitäten seien nicht neu, deshalb wurde, als die ersten Flüchtlinge nach Deutschland kamen, geraten, dass die Schulen das Thema „Ukraine-Russland-Konflikt“ im Unterricht thematisieren sollten.

Verzweifelt an Bürokratie

Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, ist leider manchmal schwieriger, als es sein müsste. Hier erzählt ein Offenbacher, wie er zwei geflüchtete Frau aufnahm – und an der Bürokratie verzweifelte.

„Es war leider damit zu rechnen, dass so etwas geschieht“, sagt sie. Umgekehrt sei aus einer anderen Schule gemeldet worden, dass Schüler mit russischem Migrationshintergrund angefeindet wurden. „Es muss allen klar sein, dass die Herkunft keine Rolle spielt bei uns“, betont Meißner. Das Land stelle umfangreiches Material zur Verfügung, auch könnten sich die Schulen Beratung wie das Projekt „Demokratie lernen“ holen, um solche Konflikte aufzuarbeiten.

Offenbach: Ukraine-Krieg wird in Meditationsstunde angesprochen

„Für das Thema des Zusammenlebens der Kulturen und Nationalitäten muss beständig sensibilisiert werden“, sagt Schulleiterin Nowak. Sie bestätigt, dass es für Lehrer wie Schüler verschiedenste Angebote gibt, um das Miteinander zu stärken. „Aber es braucht auch Personal und Raum dafür – an der Wilhelmschule haben wir glücklicherweise beides.“

Seit 2005 gibt es an der Schule eine Mediationsstunde in der Woche, um auf Konflikte einzugehen. In dieser werde auch der Ukraine-Konflikt thematisiert. Die dritten Klassen haben zudem einmal im Jahr eine Mediationswoche. „Außerdem bieten wir eine anonyme Erziehungsberatung an, die gut angenommen wird“, sagt Nowak. (Frank Sommer)

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