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Stadtspaziergang und Gesprächskonzert auf den Spuren der Familie Offenbach

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Auf den Spuren der Familie Offenbach: Ralf-Olivier Schwarz (links) und Chasan Nikola David während des Stadtspaziergangs vor der alten Synagoge in der Marktstraße.
Auf den Spuren der Familie Offenbach: Ralf-Olivier Schwarz (links) und Chasan Nikola David während des Stadtspaziergangs vor der alten Synagoge in der Marktstraße. © Echtler

Offenbach ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Wie fruchtbar und inspirierend das schon immer sein konnte, führte ein musikalischer Stadtspaziergang „Auf den Spuren von Offenbach durch Offenbach“ vor Augen. Die evangelische Dekanatskantorin Bettina Strübel hat die Idee dazu entwickelt und zusammen mit dem Kulturamt im Rahmen der Aktion „Ein Tag für die Musik“ beim Hessischen Rundfunk in die Tat umgesetzt. Ergänzt wurde der Rundgang durch ein Gesprächskonzert in der Lutherkirche.

Offenbach – Der 200. Geburtstag von Jacques Offenbach, des weltberühmten Komponisten und Urvaters der Operette, wurde 2019 auch hier mit einer Veranstaltungsreihe gewürdigt. Damit geriet auch der Vater ins Rampenlicht, der als Isaak Eberst um 1780 in Offenbach geboren wurde und später den Namen seiner Geburtsstadt annahm.

Der Begründer der Musikerdynastie Offenbach hatte den Beruf des Buchdruckers gelernt, seine Leidenschaft aber galt den Tönen. Das Geigenspiel hat er sich, glaubt man den Aufzeichnungen seiner Tochter Julie, „aus sich selbst beigebracht“, schließlich beherrschte er mehrere Instrumente und hatte eine schöne Tenorstimme. Das prädestinierte ihn, als Vorsänger in der Synagoge zu wirken, aber auch als „Lezan“ bei Festen aufzuspielen – „eine Art jüdischer Spaßmacher“, wie es der Musikhistoriker und Offenbach-Biograf Ralf-Olivier Schwarz charakterisiert.

Diese Qualitäten führten ihn schon bald weg aus Offenbach. Vor der ehemaligen Synagoge an der Marktstraße zeigte Schwarz eines der wenigen erhaltenen Dokumente, einen Pass des Oberamtes der Grafen von Isenburg, der Isaak gestattete, zu reisen, um auch an anderen Orten zu musizieren. Sesshaft wurde er schließlich in Köln, dort wurden seine zehn Kinder geboren, er war Kantor der jüdischen Gemeinde und ein führender Kopf der neu entstehenden bürgerlichen Musikkultur.

Die Cellistinnen Clara Franz und Julia Panzer musizieren im Büsingpark.
Die Cellistinnen Clara Franz und Julia Panzer musizieren im Büsingpark. © Echtler

„Dort konnte er aus dem Vollen schöpfen“, sagte Schwarz. Doch die Wurzeln liegen in Offenbach. In der Stadt habe eben schon damals jene „Bouillon de culture“ gekocht, so Schwarz, in der verschiedenste Einflüsse zusammentrafen, die den jungen Isaak prägten und inspirierten. Neben den jüdischen Traditionen war es vor allem das Wirken des hugenottischen Musikverlegers Johann Anton André, der den Nachlass Mozarts erwarb und als Erster veröffentlichte. Das noch heute existierende Musikhaus in der Frankfurter Straße sowie der Lilipark, in dem Goethe seine erste große Liebe erlebte, waren weitere Stationen auf dem Stadtspaziergang.

Mozart war der „Hausgott“ des Sohnes Jacques. Doch auch Isaak Offenbach stand unter dem Einfluss des großen Klassikers. Das zeigen die „Niggunim“, Gesänge ohne Text, die oft auf bestimmte jüdische Feste und Gebete Bezug nehmen. Bettina Strübel hat die Handschriften Isaaks, die heute in Amerika lagern, transkribiert und präsentierte eine Auswahl mit dem jüdischen Chasan Nikola David und Mitgliedern der Offenbacher Kantorei. „Es gibt noch viele Rätsel bei diesen Stücken“, sagte Strübel. Musikalisch überzeugen sie – ebenso wie die Duette von Jacques Offenbach, vorgetragen von den jungen Cellistinnen Clara Franz und Julia Panzer. Sie zeugen von der Virtuosität eines jungen Musikers, der als „Teufelscellist“ galt und die Welt der Pariser Salons überzeugen wollte.

Die Spuren der Familie Offenbach sind heute fast verschwunden. Eine solche verwischte Spur führte die etwa 15 Teilnehmenden des Spaziergangs nach Bürgel. Dort, an der Ecke Schifferstraße/Am Maingarten, stand das Café Schlesinger – eine einst bekannte Adresse. Dort hat Jacques Offenbach in den 1860er Jahren seine Tante mehrmals besucht, auf der Durchreise von Bad Ems und Bad Homburg, wo er während der Sommerzeit seine Werke aufführte. „Hier traf er auf eine andere Welt“, sagte Schwarz. Der Kontrast zum Glamour der Pariser Theater jener Zeit konnte kaum größer sein. Die ehemalige Synagoge in der Bürgerstraße, an die eine in den Bürgersteig eingelassene Gedenktafel erinnert, war eine weitere Station. Hier stimmte Nikola David ein weiteres „Niggun“ an – zur Erinnerung daran, dass auch die berühmte Musikerfamilie von den Folgen des Antisemitismus nicht verschont blieb. (Von Jörg Echtler)

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