Nach Aufruf in der OP: Kissenflut für Patienten am Sana-Klinikum

Ein Hilferuf wird zur Erfolgsgeschichte: Das Sana-Klinikum in Offenbach ist von einer Welle an Kissen und anderen Geschenken für Patienten erfasst - auch dank dieser Zeitung.
Offenbach - Damit hat Christiane Gog, Chefärztin der Palliativstation am Sana-Klinikum, nicht gerechnet. Seit unsere Zeitung am 18. Januar einen Aufruf startete, dass herzförmige Stützkissen für die bettlägerigen Patienten benötigt werden, ist eine wahre Kissenflut über sie hereingebrochen. „Ich hatte gehofft, dass etwa 50 Kissen zusammenkommen. Jetzt sind es genau 462 und weitere 200 sind schon angekündigt“, sagt sie und strahlt.
Chefärztin Christiane Gog: „Es vergeht kein Tag, an dem sich niemand meldet“
Bereits am ersten Tag haben sich mehrere Privatpersonen gemeldet, aber etwa auch der Nähladen Ideenreich, der die Aktion auf Instagram bewarb. Das Telefon stand kaum noch still, das E-Mailfach quoll über, Menschen standen plötzlich vor der Tür, um persönlich Kissen abzugeben oder sich ein Schnittmuster zu holen. „Es vergeht seitdem kein Tag, an dem sich niemand meldet“, erzählt die Chefärztin. Ihre Arbeitstage haben sich deutlich verlängert, weil sie jedem antwortet, jedem eine Rückmeldung gibt, jedem danken möchte. „Ich bin einfach überwältigt vom großen Herz der Offenbacher.“
Besonders beeindruckt sie daran, wieviel Freude die Menschen dabei haben, zu helfen. „Ehemänner haben mitgenäht und Stoffe ausgesucht, ganze Nähgruppen haben Sonderschichten eingelegt und ich hatte sehr viele nette Gespräche.“ Niemand verlange eine Gegenleistung, jeder biete weitere Unterstützung an. „Viele haben Stoffreste oder Füllwatte zu Hause und freuen sich, dass sie dafür eine schöne Verwendung finden.“ Täglich kommen weitere Pakete an – und es sind nicht nur Kissen darin, sondern auch Decken, Socken, Schals, gestrickte „Sorgenwürmer“, aber auch Süßigkeiten und Geldspenden. Und immer Karten mit lieben Worten. Gog: „Es ist seitdem wie Weihnachten – jeden Tag neue Geschenke!“

Ein Kissen als Begrüßungsgeschenk bricht das Eis
Vorher hatte die Station die Kissen von der Frauenhaftanstalt in Frankfurt-Preungesheim, deren Insassinnen in der Corona-Zeit zu Stoff und Nähnadel griffen. Nachdem sie sich aber wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmen konnten, standen sie nicht mehr zur Verfügung – gerade als neue Kissen gebraucht wurden. „Wir sind davor zwei Jahre lang mit 50 Kissen ausgekommen“, blickt die Chefärztin zurück. Und freut sich, dass auch die JVA sich nach dem Artikel gemeldet und angeboten hat, weitere Kissen zu liefern.
Mittlerweile darf sich jeder Patient, der in der Station aufgenommen wird, ein Kissen aussuchen, auch diejenigen, die nicht bettlägerig sind. „Es ist ein wunderbarer Eisbrecher“, sagt Gog. Denn ein solches Begrüßungsgeschenkwürde niemand erwarten, man komme darüber gut ins Gespräch. Nach der Entlassung dürfen Patienten ihr Kissen selbstverständlich mitnehmen, Angehörige nehmen sie gern als Erinnerung an ihre Verstorbenen. „Es wurden auch schon Patienten mitsamt Kissen beerdigt“, berichtet die Chefärztin. Doch zugleich ist es ihr wichtig, mit dem Vorurteil aufzuräumen, die Palliativabteilung sei die letzte Station und der Ort, an den man zum Sterben komme. „Es stimmt, dass alle unsere Patienten Erkrankungen in einem fortgeschrittenen Stadium haben, die nicht mehr heilbar sind. Wenn wir sie aufnehmen, wissen wir nicht, wohin die Reise geht, es wird sich zeigen.“ Ziel sei es, dass sie möglichst schmerzfrei werden und in einem stabilen Zustand nach Hause können – was 60 Prozent gelingt.
Aufklärungsarbeit zu leisten sei ein schöner Nebeneffekt der Kissenaktion gewesen, denn bei den Gesprächen habe sie viel über die Station und ihre Aufgaben erzählen können.
Ambulantes Team des Sana-Klinikums beliefert jetzt Pflegeeinrichtungen in Stadt und Kreis
Mit den hunderten Kissen in prall gefüllten Lagerräumen der Station könnte sie noch jahrelang ihre Patienten versorgen, doch sie möchte die herzförmigen Helfer dort nicht so lange ungenutzt liegen lassen. So kam die Idee auf, dass ihr ambulantes Team Pflegeeinrichtungen in Stadt und Kreis damit beliefert. „Die ersten Kissen sind schon ausgeliefert und die Resonanz ist sehr positiv. Auch einige andere Kliniken haben sich schon Kissen abgeholt.“ So ist die Palliativ-Abteilung des Sana-Klinikums nur noch als die Station der Herzen bekannt....
Von Veronika Schade