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Nach Aus für Offenbacher Kaufhof: Belegschaft in Katerstimmung

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Von: Frank Sommer, Christian Reinartz

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Kunden auf Schnäppchenjagd, ehe geschlossen wird. F.: RZ
Kunden auf Schnäppchenjagd, ehe geschlossen wird. F.: RZ © RZ

Am Tag nach der Verkündung, dass die Kaufhof-Filiale in Offenbach geschlossen wird, ist das Entsetzen unter den Mitarbeitern groß. Eine neue Nutzung der Immobilie wird nicht einfach.

Offenbach – Die Augen von Amalia L. sind trockengeweint. „Da ist nichts mehr“, sagt die 51-Jährige Offenbacherin. Über 20 Jahre lang war der Kaufhof an der Frankfurter Straße ihr Leben, jetzt steht sie verloren in der Herrenabteilung und wartet. Wartet auf die förmliche Kündigung. Wartet aber auch auf Kunden, die nach den Meldungen vom Montag über das Kaufhof-Aus in Scharen auf Schnäppchenjagd gehen.

Amalia L. ringt mit sich. Eigentlich darf sie nichts sagen. Die Firmenchefs haben es ihr und ihren Kollegen strikt verboten, haben Druck gemacht. Dann gibt sie sich einen Ruck, redet doch, will aber nicht ihren richtigen Namen nennen. Da ist immer noch ein Funken Resthoffnung, dass sie in eine Filiale übersiedeln darf, die nicht geschlossen wird. „Als wir das mitgeteilt bekamen, war es furchtbar“, sagt sie. Gestandene Kolleginnen und Kollegen seien in Tränen ausgebrochen. Vor allem, weil es so schnell gehen soll. „Wir stehen seit Montag, 14 Uhr, vor den Scherben unserer beruflichen Existenz“, sagt sie und hängt eine Jeans weg, die ihr ein Kunde mit aufmunternd gemeinten Worten gegeben hat: „Sie schaffen das schon.“

Kaufhof-Aus: „Damit stirbt ein Stück Offenbacher Seele“

Amalia L. weiß die Geste zu schätzen, bedankt sich höflich, professionell, ganz Verkäuferin alter Schule. Als sie sich von dem Mann wegdreht sagt sie: „Ich schaffe das nicht.“ Nun glänzen ihre bis dahin trockenen Augen doch wieder. Sie sei schlecht darin, sich an etwa Neues zu gewöhnen. „Hier hatte ich jahrzehntelang dieselben Routinen und Rituale. Das alles ist von einer auf die andere Sekunde weg.“

Ihr Kollegin Dilek H. arbeitet erst seit zwei Jahren im Kaufhof. Der Schmerz über den Verlust ihres Arbeitsplatzes ist dennoch riesig. „Ich bin 57. Wer will mich noch einstellen?“, fragt sie verbittert. „Die haben uns einfach aussortiert. Dabei ist der Kaufhof für die Stadt so wichtig.“ Amalia L. sieht das genauso: „Damit stirbt ein Stück Offenbacher Seele.“

Kaufhof-Aus in Offenbach: Unsicherheit in der Belegschaft

Ihre zwei jungen Kolleginnen im dritten Stock stehen an der Rolltreppe und tratschen. Es geht um die Schließung, das ist von weit her zu hören. „Wir kommunizieren nicht mit der Presse“, murmeln sie etwas verunsichert, schauen sich um, als wenn es schlimm wäre, gesehen zu werden. Dilek H. hat dafür eine Erklärung: „Die beiden haben noch ihr ganzes Berufsleben vor sich“, meint sie. „Die hoffen, dass sie in Frankfurt übernommen werden, und wollen sich nichts verbauen.“

Schon an dem Tag, als die Schließung bekannt gegeben wurde, hatte sich auch Oberbürgermeister Felix Schwenke betroffen gezeigt. „Für die Mitarbeiter ist es sehr schlimm, dass sie ihre Arbeitsplätze verlieren – auch noch so kurzfristig.“ Wie berichtet, hatte sich der OB zuvor mit der Essener Konzernzentrale in Verbindung gesetzt, um für den Standort Offenbach zu werben.

Überlegungen für Nachnutzung des Kaufhof-Gebäudes in der Offenbacher Innenstadt

Das Aus ist auch in einer weiteren Hinsicht ein harter Schlag: Jahrelang war Offenbach die Stadt mit der niedrigsten Kaufkraft, doch dies hat sich zuletzt geändert. „Die Zahl der Menschen mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen ist in den vergangenen Jahren gigantisch gestiegen, mehr als anderswo in Hessen – daher ist die Schließung wirklich bitter“, sagt Schwenke.

Was die Zukunft der Immobilie in bester Lage angeht, so sucht die Stadt erneut das Gespräch mit dem Eigentümer: Denn es liege zuvorderst an ihm, eine Nachnutzung zu finden. Der Eigentümer müsse sich positionieren, ob er sich weiter – zumindest im Erdgeschoss – eine Nutzung durch den Handel vorstellen könne, sagt Schwenke. Ab dem ersten Obergeschoss seien mehrere alternative Nutzungen denkbar, auch etwa Wohnen oder Ateliers für Künstler. „Das Gebäude ist jedoch nicht eins zu eins für Wohnraum umnutzbar“, gibt der Verwaltungschef zu bedenken.

(Von Frank Sommer und Christian Reinartz)

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