Nachhaltigkeit liegt im Trend

„Ich war ein Sommerrock“, „Ich war Mesh-Futter“ und „Ich war eine Jeans“ ist als Zettel angeheftet auf den Taschen, die alle Blicke der Marktbesucher auf sich ziehen. Was Elfi Coppik genäht hat, ist ein Paradebeispiel nicht nur für Kreativität, sondern auch für Nachhaltigkeit. Denn statt alte Kleidung wegzuwerfen, bekommt sie neues Leben eingehaucht. Upcycling“ wird das neudeutsch genannt – und kommt gestern bei den Leuten auf dem Wochenmarkt bestens an. Erstmals bietet die Volkshochschule (Vhs) in Zusammenarbeit mit der städtischen Wirtschaftsförderung einen Aktionstag auf dem Wilhelmsplatz an.
Offenbach - Zum einen geht es darum, unter dem Motto „Ich mache es selbst“ das Thema Nachhaltigkeit und plastikfreier Wochenmarkt ganz praktisch und lebensnah umzusetzen. Zum anderen soll die Aktionsreihe einen zusätzlichen Anlass bieten, den Markt zu besuchen.
Elfi Coppik, die seit 51 Jahren Nähkurse an der Vhs leitet, ist jedenfalls eifrig und nahezu pausenlos damit beschäftigt, Alt und Jung ihre Ideen und ihr Vorgehen zu erklären. Wie sie die Ecken hinbekommt. Wie sie es schafft, dass nichts ausfranst. Woher sie das Material nimmt. Bei Letzterem ist fast alles möglich: von der Luftpolsterfolie als Sitzkissen bis zum ausgedienten Rolladengurt als zugfesten Taschenhenkel. Besonders die aus einer ausgedienten Jeans genähte Tasche, in die drei Erdbeerschachteln perfekt reinpassen, kommt bei den Leuten an. „Viele fragen nach Anleitungen, da werden wir fürs nächste Mal auf jeden Fall welche vorbereiten“, sagt sie schmunzelnd.
Sie ist froh, dass nur noch wenige Menschen auf dem Markt Plastiktüten verwenden, Stofftaschen liegen eindeutig im Trend. Eine weitere Transportmöglichkeit – und ein echter Hingucker – sind selbst geflochtene Körbe. Wie diese sich herstellen lassen, können Interessierte direkt nebenan lernen. Der Clou daran: Das Material, das aussieht wie Weidenholz, ist in Wahrheit Altpapier, das zu sehr festen, aber flexiblen „Stäbchen“ geformt wird.
Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit, so beobachten Coppik und Vhs-Leiter Dirk Wolk-Pöhlmann, ist ein Thema, das immer mehr in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Auch deshalb setzt sich die Vhs mit ihrem Themenschwerpunkt „Weltenwandler“ im aktuellen Programm damit auseinander – und nutzt gern die Gelegenheit, sich auf dem Wilhelmsplatz zu präsentieren. „Wir wollen damit auch zeigen, dass wir da sind“, sagt Mitarbeiterin Karin Lüdtke, „und zwar wieder so richtig in Präsenz“. Die Leute reagieren positiv auf die Ansprache, fragen nach, freuen sich, dass Kurse nicht mehr nur online angeboten werden. Nach zwei langen Corona-Jahren dürsten die meisten nach echten Begegnungen.
So lassen sich die meisten auch fürs Quiz nicht lange bitten. Auf einer Pinnwand sollen sie mehr oder weniger bekannte Obst- und Gemüsesorten wie Mangold, Pastinake, Kumquat oder Portulak den richtigen Fotos zuordnen. Zur Belohnung gibt es Äpfel im Wochenmarkt-Stoffbeutel. Auch die treue Marktkundin Andrea Mazur probiert es aus. Wir leben ja in einer Überflussgesellschaft“, sagt sie in Bezug auf Nachhaltigkeit. Es sei eine Schande, wie viele Lebensmittel in Deutschland weggeworfen würden. „Ich fände es toll, wenn es hier auf dem Markt eine Kiste geben würde, in die man für die Tafel spenden kann. Kunden könnten was von ihrem Einkauf reintun und Marktbeschicker von dem, was übrig bleibt.“
Nichts übrig bleibt indes von Beuteln mit den Zutaten für eine „Bowl“ (Schüssel), die vom Start-Projekt der Vhs saisonal zusammengestellt wurde. Für eine Spende von fünf Euro, die Wirtschaftsförderung subventionierte den darüber hinausgehenden Wert, gab es Wochenmarkt-Gemüse tagesfrisch vom Beet oder Feld – und das Rezept für die köstliche Frühlingsbowl direkt dazu. Nach nur zweieinhalb Stunden sind alle 50 Beutel weg. „Davon bereiten wir nächstes Mal mehr vor“, sind sich die Vhs-Mitarbeiter einig, froh über das große Interesse. Beim Termin im Juli gibt es eine Sommer-Bowl, im September eine Herbst-Variante.
Die nächsten Aktionstage sind am Dienstag, 5. Juli, und am Samstag, 5. September, jeweils von 9 bis 13 Uhr.
Von Veronika Schade
