Nachlassabteilung beim Offenbacher Amtsgericht aufgestockt

Der Obertshausener Alfred R. gehört zu den bevorteilten Erben der Region. Kein halbes Jahr musste der 90-Jährige nach dem Tod seiner Frau am 1. Mai warten, bis er eine Abschrift des eröffneten gemeinsamen Testaments hielt. Für Offenbachs Nachlassgericht ist das, wie Berichte unserer Zeitung über die Klagen von Hinterbliebenen belegen, ein geradezu sensationeller Wert.
Offenbach - R. hat sich nicht durch gerichtliche Aufforderungen irritieren lassen, Unterlagen vorzulegen, die längst bei der Justiz hinterlegt waren. Geschrieben hat er an Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann und Amtsgerichtspräsident Stefan Mohr. Das Ministerium beantwortete seinen Brief vom 21. August am 16. September: Man habe den Gerichtspräsidenten um Stellungnahme gebeten, bitte um Geduld. Die war aber nicht mehr nötig: Am 15. September hatte R. die Mitteilung des Gerichts erreicht, Testament seiner Ehefrau und gemeinsamer Erbvertrag seien am 13. September eröffnet worden. Vorher hatte der Witwer keine Antworten auf seine Eingaben erhalten.
Es wird nun keine Bestätigung zu erhalten sein, dass die Anfrage unserer Zeitung bei der Leitung des Amtsgerichts vom 9. September zur Beschleunigung beigetragen hat. Antwort darauf vom 16. September: „Erbvertrag und Testament wurden am 10.09.2021 aus der Verwahrung erhoben und dem zuständigen Rechtspfleger vorgelegt.“ In nur drei Tagen war dann Eröffnung.
Zwischenzeitlich konnte eine Kontaktaufnahme unserer Zeitung auch erreichen, dass ein Geldinstitut nach vorheriger Weigerung eine Kopie des R.schen Erbvertrags akzeptierte, sodass der Rentner dringend benötigten Zugriff auf Konten seiner verblichenen Gattin erhielt.
Örtliche Banken versprechen angesichts der oft langwierigen Bearbeitung von Nachlassangelegenheiten bei unstrittigen Erbverhältnissen Kulanz in Sachen Erbschein. Eine Niederschrift der Testaments- oder Erbvertrags-Eröffnung verlangen indes alle. „In Einzelfällen kann zusätzlich die Vorlage eines Erbscheines erforderlich sein, wenn mit den genannten Dokumenten die Erbfolge nicht eindeutig nachgewiesen werden kann“, erläutert Christina Laible, Sprecherin der Frankfurter Volksbank, in der Maingau aufging. Zur Vorbeugung empfiehlt sie Vollmachten, die im Todesfall weiter Gültigkeit haben.
„Bei Grundstücken und Immobilien ist immer ein Erbschein erforderlich“, ergänzt Manfred Bernjus, der Leiter des Vorstandsstabs der Städtischen Sparkasse. Karlo Uhlein, Vorstand der Raiffeisenbank Bieber, sagt auf die Frage, ob sein Institut auch auf Erbscheine verzichte: „Wo sich einer zur Regelung des Nachlasses vermeiden lässt, natürlich ja. Es kommt auf den Einzelfall an.“
Nun lassen Eröffnungen in Offenbach bisher lange auf sich warten. Dass Amtsgerichtspräsident Stefan Mohr in der Zeitung empfahl, sich in dringenden Fällen an einen Notar zu wenden, hat acht Notare der Offenbacher Kanzlei Conscienta auf den Plan gerufen. Sie stimmen zu, dass die notarielle Vorbereitung Rückfragen durch das Gericht vermeiden könne, kritisieren jedoch: „Unserer Erfahrung nach ändert dies an den generellen Bearbeitungszeiten nichts. Von uns übermittelte Erbscheinsanträge haben selbst in einfach gelagerten Fällen häufig eine Bearbeitungszeit von mehr als einem Jahr.“ Ein Vergleich zu anderen Amtsgerichten in der Umgebung zeige, dass es auch deutlich schneller gehen könne
Aber vielleicht gibt es berechtigte Hoffnung. Richter Andreas Gimmler, Sprecher des Amtsgerichts, teilt auf Anfrage mit: „Die Nachlassabteilung wurde personell erheblich aufgestockt. Die leider immer noch vorhandenen Rückstände werden unter anderem durch,Arbeitseinsätze am Wochenende weiter reduziert.“
Von Thomas Kirstein