Tauben besiedeln Offenbacher Norden

Der Offenbacher Norden, insbesondere das Hafengebiet zieht nicht mehr nur scharenweise Mieter an, sondern seit neuestem auch schwärmeweise Stadttauben. Die graugefiederten Vögel bevölkern seit diesem Jahr die Offenbacher Riviera und kapern dort Balkone, Dächer, Winkel und Ecken der Stadthäuser. Dazu kommt ein weiteres Phänomen. Während noch bis vor einiger Zeit Krähen in den Nachtstunden zu Hunderten die Bäume am Offenbacher Main besiedelt haben, sind die schwarzen Räuber plötzlich ausgeflogen.
Offenbach – Derweil häufen sich Berichte aus dem Frankfurter Stadtgebiet, dass die Zahl der Krähen dort zugenommen habe.
„Wir wohnen seit fünf Jahren im Nordend, aber es war noch nie ein Taubenproblem zu spüren“, sagt Karin H. Im Frühsommer dann seien die Tauben gleich im Großaufgebot eingeflogen. Täglich habe sie mehrmals auf ihrem Balkon die gurrenden Flattermänner verscheuchen müssen. „Trotzdem haben sie es irgendwie geschafft, ein Nest in einem unserer Blumenkübel zu bauen“, berichtet H. Sie habe das natürlich dann dort belassen, „auch wenn die Tauben uns den ganzen Balkon mit ihren Exkrementen versaut haben.
Weniger Verständnis hatten offenbar die Mieter des Wohnkomplexes des Gemeinnützigen Siedlungswerks (GSW) auf der Hafeninsel. „Im September vergangenen Jahres erhielten wir die ersten Hinweise und haben daraufhin Maßnahmen zur Vergrämung der Tauben geplant und umgesetzt“, bestätigt Unternehmenssprecherin Katja Förster. Großflächig wurden kürzlich Balkone und auch der Innenhof mit Taubenschutznetzen überzogen. Seitdem ist dort Ruhe.
Nicht so ein paar hundert Meter weiter am Gebäude der Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft ABG. Dort haben die Tauben die zum Main gewandten Balkone als lohnenswerte Verweilstätte auserkoren, insbesondere die Geländer. Bewohner Markus M. ist deshalb schon zum richtigen Taubenhasser mutiert. „Die haben mir sämtliche Küchenkräuter vollgekotet“, sagt er wütend. „Die konnte ich alle wegschmeißen.“ Auch seine Nachbarin, ein Stockwerk darunter, ist genervt. „Wir haben hier früher oft abends gesessen und auf den Main geschaut“, berichtet sie. „Aber das ist in diesem Jahr wegen der Tauben nicht möglich.“ Denn durch die Gitterbalkone falle der Kot durch alle Stockwerke nach unten. „Wir hatten schon mehrmals Taubenkot auf dem Kopf. Diese Tiere sind eine echte Plage geworden.“
Doch was hat die Tauben veranlasst, sich gleich scharenweise im Offenbacher Norden niederzulassen? Gudrun Stürmer vom Frankfurter Stadttaubenprojekt und ausgewiesene Kennerin der Tiere stellt gleich klar: „Die Taubenpopulation ist insgesamt nicht gewachsen.“ Dennoch räumt sie ein, dass die vielen Tauben mit der Schließung eines Taubenhauses im Fechenheimer Tierheim auf der gegenüberliegen Mainseite zusammenhängen könnten. Auch Stürmer betreibt solche Taubenhäuser. Sie bieten ideale Lebensbedingungen und ziehen die Tauben regelrecht an, sodass diese aus dem Stadtbild verschwinden.

„Durch die Schließung sind die Tiere natürlich mit einem Schlag auf der Suche nach einer Bleibe. Da Tauben sehr standorttreu seien, könne es gut möglich sein, dass sie sich von Fechenheim aus nach Offenbach orientiert hätten.
Auch Nabu-Hessen-Sprecher Berthold Langenhorst sieht darin eine der möglichen Erklärungen für die aktuelle Stadttaubenschwemme. Er ist allerdings auch davon überzeugt, dass das plötzliche Verschwinden der Krähen damit in Zusammenhang stehen kann. „Das Ganze muss man sich schlicht als Platzproblem vorstellen“, sagt der Biologe. Bisher sei das Gebiet um den Offenbacher Hafen offenbar durch Krähen besetzt gewesen. Folglich habe es für die Tauben gar keinen Raum gegeben, um sich dort niederzulassen. „Durch die Abwanderung der Krähen hat sich das geändert und die Tiere lassen sich dort nieder.“ Die Schließung des Taubenhauses in Fechenheim verstärke diesen Effekt.
Dass die Krähen plötzlich Offenbach den Rücken gekehrt haben, überrascht Langenhorst nicht. Seine Erklärung: „Es ist ganz normal, dass Krähen im Lauf der Zeit ihre Schlafbäume wechseln und sich einen neuen Lebensraum suchen, etwa, wenn das Futterangebot nicht mehr ausreicht.“ (Christian Reinartz)