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Helge Herget (Piraten): Bürgerbeteiligung im Fokus

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Von: Thomas Kirstein, Matthias Dahmer

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„Den Verkehrsinfarkt können wir nur durch ein sehr gutes Fahrradwegenetz verhindern“, sagt Helge Herget, der für die Piraten zur OB-Wahl antritt.
„Den Verkehrsinfarkt können wir nur durch ein sehr gutes Fahrradwegenetz verhindern“, sagt Helge Herget, der für die Piraten zur OB-Wahl antritt. © Kirstein

Offenbach - OB-Kandidaten im Interview: Heute spricht Helge Herget (Piraten) über Geld, Transparenz und den Verkehrsinfarkt in Offenbach. Von Matthias Dahmer und Thomas Kirstein

Herr Herget, was ändert sich für den Offenbacher Bürger, wenn Sie Oberbürgermeister sind?

Meine Pläne sind alles Prozesse, die lange wirken. Man muss dabei auch schauen, welche Aufgabe und welche Funktion ein Oberbürgermeister hat. Er ist vor allem Verwaltungschef, eine Aufgabe, die nicht öffentlichkeitswirksam ist. Er ist verantwortlich für den Umgang mit den Mitarbeitern. Er muss offen und transparent agieren, Vertrauen aufbauen und seine Leute an der Entscheidungsfindung beteiligen.

Ist das nicht ein Kernthema der Piraten, so viel Input wie möglich von außen zu holen?

Absolut richtig. Wenn man die Leute im Vorfeld ernsthaft einbindet, dann ist da eine ganz andere Akzeptanz.

Kann das nicht auch lähmend auf gestaltende Politik wirken, zumal oft versucht wird, Einzelinteressen durchzusetzen?

Da haben Sie vollkommen recht. Aber genau das ist Aufgabe der Politik, der permanente Ausgleich von Interessen. Man muss sozial verträglich schauen, was machbar ist.

Auch wenn sich mit Ihnen als OB zunächst mal nicht viel ändert. Sie haben doch ein Wahlprogramm. Wie sieht das in Grundzügen aus?

Erst mal müsste ich mich in die Verwaltung einarbeiten. Dann würde ich Bürgerbeteiligung und Transparenz komplett in den Fokus nehmen. Dabei geht es vor allem darum, Entscheidungen – auch die des Parlaments – transparent zu machen. Das ist das A und O.

Gestalten ist nur möglich, wenn Geld da ist. Offenbach ist damit nicht gerade reich gesegnet...

Die Stadt unter dem Schutzschirm hat kaum Möglichkeiten zu agieren. Deshalb kommt es auf die Bürger an. Man muss schauen, was beispielsweise über Genossenschaften oder andere Zusammenschlüsse erreicht werden kann. Dabei geht es gar nichtmal so sehr ums Monetäre. Nehmen sie zum Beispiel die Kunstansichten an. Die Stadt hat da eigentlich nichts gemacht außer einen Flyer gedruckt. Alles andere kam von den Bürgern. Solche Aktionen brauchen wir viel, viel mehr.

Es soll also auch ohne große finanzielle Mittel gehen. Sie nennen Geld die „undemokratischste Erfindung aller Zeiten“. Wollen sie zurück zum Tauschhandel?

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Dazu muss ich ein wenig ausholen. Es gibt eine Tagungsreihe von mir, die heißt „Demokratisierung von Geld“. Diese hat am 24. Juni begonnen. Darin werden Fachleute ergebnisoffen den Begriff Geld definieren und seine heutige Bedeutung beleuchten. Schon jetzt kann man festhalten: Wer das Geld hat, hat die Macht, er kann bestimmen und kann gestalten. Deshalb ist Geld undemokratisch.

Für Offenbach bringen Sie die Überlegung ins Spiel, die Städtische Sparkasse zu versilbern.

Das Gesetz macht es einem Stadtkämmerer unmöglich, eine ganze Sparkasse zu verkaufen. Doch die Sparkassen stehen vor zunehmenden Problemen. Ein Thema, das derzeit quer durch die gesamte Republik geht, ist, dass die Verwaltungsräte der Sparkassen offen legen müssen, wie viele Milliarden in den Rücklagen stecken und was ausgeschüttet werden soll. Während die Kreditinstitute möglichst viel Geld bunkern möchten, wollen die Kommunen, dass es verwendet wird. Hinzu kommt die EU-Vorgabe, dass in den Verwaltungsräten künftig Profis sitzen sollen.

Würde denn der Verkauf der Sparkasse die Finanzprobleme Offenbachs lösen?

Wie gesagt, das Gesetz macht das nicht möglich. Doch keiner weiß, wie die wirtschaftliche Situation der Städtischen Sparkasse wirklich aussieht. Die Vorträge in meiner Reihe werden da hoffentlich ein wenig zur Klärung beitragen.

Wie wollen Sie mit diesem speziellen Thema Bürger davon überzeugen, Sie zu wählen?

Ich gebe zu: Das Thema Geld ist schwierig zu erklären. Deshalb muss es auf einen einfachen Nenner gebracht werden.

Und der lautet wie?

Das soll in der Tagungsreihe erarbeitet werden.

Ist das für die OB-Wahl nicht ein bisschen zu spät?

Wir haben in zwei Jahren eine Europawahl. Das Thema wird 2018/2019 an Brisanz gewinnen und dafür es ist es teilweise auch gedacht.

Anderes Thema: Wir haben den Eindruck, bei den Piraten ist der Schwung raus, der sie in die Parlamente getragen hat?

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Da haben Sie vollkommen recht. Man muss sich überlegen: Die Partei kam aus dem nichts und auf einmal gab es Mandate. Da waren am Anfang unwahrscheinlich viele Spinner und Karrieristen dabei. Das hat der Sache nicht gutgetan. Mittlerweile sind die Kernmannschaften übrig. Auf dieser Basis gilt es nun aufzubauen. Da sind wir im Moment dabei.

Wie viele Mitglieder haben die Piraten in Offenbach?

Wir haben noch 30 Mitglieder, davon zehn Aktive. Hinzu kommen noch Symphatisanten, die bei uns Freibeuter heißen und mithelfen.

Herr Herget, Sie sind passionierter Radfahrer. Geben Sie doch mal dem Offenbacher Radwegenetz eine Note zwischen eins und sechs.

Ich gebe dem einfach mal ne Sechs, obwohl es vielleicht keine ist. Denn ich gehe von einem hohen Anspruch aus. Den Verkehrsinfarkt können wir nur durch ein sehr gutes Radwegenetz verhindern. Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass Radfahren in Offenbach für die Leute wirklich bequem ist, sonst nehmen sie es nicht an. Wir müssen eine Fahrradstadt werden.

Was hat Sie bewogen zu kandidieren?

Ich war schon immer politisch interessiert. Ich habe schon alles gewählt – CDU, SPD, Grüne, FDP. Aber es war nie eine Partei dabei, bei der ich hätte sagen können: Das passt, da trete ich ein. Bei den Piraten hat alles gepasst. Vielleicht weil es eine kleinere Partei ist, in der man mehr Gestaltungsspielraum und weniger Zwänge hat.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei der OB-Wahl ein?

Wenn ich Erfolg haben will, muss ich viel investieren. Ich muss alle Medien bespielen, muss über alle Kanäle bekannt werden und ich muss schauen, ob sich die Bürger für Transparenz, Teilhabe und Bürgerbeteiligung entscheiden. Dann hätte ich eine Chance in der Stichwahl. Ich wäre nicht angetreten, wenn ich es nur als Spaß ansehen würde.

Sie rechnen sich also Chancen aus, in die Stichwahl zu kommen?

Ja. Wir haben auch noch mehr vor und wollen den Wahlkampf ausbauen. Es ist halt alles ein Zeitproblem. Ich habe einen Vollzeitjob, einen Garten, ich keltere selbst Apfelwein und wir machen Hauskonzerte. Ich wollte eigentlich schon einen Burn-out bekommen, aber ich habe gar keine Zeit dafür. Es ist schwierig: Man sieht die Chance, man sieht, was man machen müsste, nur stellt sich Frage, ob man das zeitlich schafft. Wenn wir fünf, sechs Leute mehr wären, ginge das sicher einfacher. Aber: Wenn es beim ersten Mal nicht klappen sollte – in sechs Jahren kann ich immer noch kandidieren.

Falls Sie es doch nicht in die Stichwahl packen – werden Sie einen der anderen Kandidaten unterstützen?

Eine ganz schwierige Frage. Wähler sind kein Eigentum, dem man eine Empfehlung geben kann. Ich empfehle dem Wähler deshalb grundsätzlich, selbst zu denken. Letztlich weiß ich aber noch nicht, was ich machen werde, das hängt von den Konstellationen ab.

Zum Schluss: Ihr Wahltipp?

Ich werde Oberbürgermeister.

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