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Offenbach: Ausbildung und Nachwuchsarbeit bei der Feuerwehr eingeschränkt

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Von: Frank Sommer

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An eine Großübung wie hier 2019 in Rumpenheim ist momentan nicht zu denken.
An eine Großübung wie hier 2019 in Rumpenheim ist momentan nicht zu denken. © P

Jeder Handgriff muss sitzen, wenn die Feuerwehrleute zum Einsatz gerufen werden: „Wie im Schlaf“ muss jede Feuerwehrfrau, jeder Feuerwehrmann wissen, wie die Atemschutzausrüstung anzulegen ist oder Rettungsgeräte zu bedienen sind. Denn im schlimmsten Fall zählt jede Sekunde, geht es um Menschenleben.

Offenbach - Damit dies alles reibungslos funktioniert, muss jeder Griff, jede Aktion immer und immer wieder eingeübt werden. „Feuerwehr hat viel mit Handwerk zu tun“, sagt der Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Bieber, Patrick Schmidt, „wir müssen jeden Handgriff stetig üben.“

Doch die Corona-Pandemie stellt die Floriansjünger vor Probleme: Um die Einsatzfähigkeit zu gewährleisten, gelten strenge Hygiene-Regeln, Übungen und Schulungen sind kaum möglich. Und die Nachwuchswerbung, ob als hauptberuflicher Retter oder als ehrenamtlicher, ist durch die Pandemie fast zum Erliegen gekommen.

„Momentan sind keine Übungen in Präsenz möglich“, sagt Markus Wenzel, Ausbildungsleiter der Berufsfeuerwehr. Das Land hatte dies am 22. Dezember angeordnet und zunächst bis Ende Januar befristet, kürzlich erfolgte die Verlängerung bis Ende Februar. Grund ist die wesentlich ansteckendere Omikron-Variante.

Bis November habe man noch Übungen und Fortbildungen abhalten können, jedoch nur unter strengen Hygieneauflagen. „Mit weniger Personen und mehr Abstand“, sagt Wenzel. Vor jeder Übung wurde ein Test gemacht und die Teilnehmer mussten FFP2-Masken tragen. „Wir haben viel Zeit in Hygienekonzepte gesteckt und genau geplant, dass es keine Berührungspunkte mit der jeweiligen Einsatzabteilung gibt – wenn ungünstigenfalls eine komplette Wachabteilung ausfällt, ist natürlich die Sicherheit der Bürger in Gefahr“, sagt er.

Die Einsatzfähigkeit der jeweiligen Wachen müsse um jeden Preis erhalten werden, betont Schmidt von der Freiwilligen Feuerwehr Bieber. „Infektionsketten dürfen wir gar nicht erst entstehen lassen.“ Daher werde peinlich genau darauf geachtet, dass die einzelnen Abteilungen sich nicht begegnen.

„Wir haben überall Einschränkungen hingenommen: Die Fahrzeugbesatzung wurde von neun auf vier Personen reduziert und die Wachen sind abgeriegelt“, sagt Wenzel. Wenn, dann werde momentan online unterrichtet, hauptsächlich Theorie-Themen.

Ansonsten sei der Feuerwehrschulbetrieb für die Freiwilligen per Erlass momentan ausgesetzt: „Das betrifft etwa die Übungen mit Atemschutzgeräten, also Dinge, die grundlegend für unsere Arbeit sind“, sagt Wenzel. Doch selbst wenn im März das Infektionsgeschehen wieder Schulungen zulasse, sei das nur unter Auflagen möglich. „Da wir zur kritischen Infrastruktur zählen, dürfen alle, die zu Übungen hier sind, etwa nicht bei uns duschen. Die müssen dann in voller Montur entweder zu ihrer Heimatwache oder nach Hause fahren“, sagt er.

Für die Freiwilligen Wehren sagt Schmidt, dass der Ausbildungsstand in Offenbach gut sei. „Es ist also noch vertretbar, dass wir eher auf Online-Angebote setzen – wenn die Gefahr durch Omikron aber länger andauert, kann es problematisch werden.“ In Bieber gäbe es etwa fünf Frauen und Männer, die nur darauf warten würden, in die Einsatzabteilung zu wechseln – eine willkommene Verstärkung. Doch noch fehlt ihnen ein Lehrgang, um sämtliche Anforderungen zu erfüllen. „Wir hoffen alle, dass sie diesen bald absolvieren können“, sagt Schmidt.

Die strikte Trennung der Abteilungen bringe aber gerade mit Blick auf die Nachwuchsarbeit Probleme mit sich: „Was darunter leidet, ist natürlich die Gemeinschaft, ob bei der Freiwilligen oder der Berufsfeuerwehr“, sagt Schmidt. Auch Wenzel betont, dass Feuerwehr eine „Team-Geschichte“ sei: „Und die ist grad nicht umsetzbar.“

Die Jugendfeuerwehren müssten hauptsächlich auf Online-Angebote setzen, in Bieber gibt es für die Kinderfeuerwehr alle zwei Wochen Aufgaben, die sie im Freien vor dem Tor erfüllen können. „Die Wache betreten dürfen sie ja nicht“, sagt der Wehrführer, „das schmerzt schon sehr, denn das ist ja die Gruppe, aus der normalerweise dann der Nachwuchs rekrutiert wird.“

Praktika seien bis auf Weiteres ausgesetzt. „Vorher war es einfach: Interessierte kamen zur Wache und konnten ein Praktikum machen. Etwa eine Wochenendschicht miterleben um zu sehen, was alles gefordert ist und ob einem das liegt“, sagt Wenzel. Auch Angebote wie den Girls Day gibt es vorerst nicht mehr. „Sachen, wie einfach mal die Schutzmontur anziehen um zu spüren, welche körperlichen Voraussetzungen es braucht – diese Erfahrungen fehlen nun völlig“, sagt er. Doch nicht nur die Feuerwehren leiden unter dieser Problematik, sie beträfe sämtliche Hilfsorganisationen.

Dabei, das betont Wenzel, wäre Werbung für das Berufsbild wichtig, da die Anzahl der Bewerber seit Jahren rückläufig ist: Gab es vor fünf Jahren noch rund 130 Bewerber, waren es in den letzten drei nur noch zwischen 99 und 106 Personen.

Auch die Feuerwehrvereine der Freiwilligen Wehren stünden vor Herausforderungen: Die Festaktivitäten und die Geselligkeit sei zum Erliegen gekommen. „Wir haben seit zwei Jahren kein Pfingstfest oder Weihnachtsfeiern, das macht sich bemerkbar“, sagt Schmidt. Um wenigstens etwas anbieten zu können, hat Schmidt im vergangenen Jahr die Sticker-Aktion initiiert. „So konnten wir unsere Arbeit wenigstens ein wenig öffentlich machen.“

Von Frank Sommer

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