Offenbach: Bezahlbares Wohnen erhitzt Gemüter

Der große Wurf in Sachen Wohnen oder nur Augenwischerei – die Meinungen über die Anträge der Ampel-Koalition rund um das Thema Wohnen sind am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung weit auseinandergegangen. Die Koalitionäre aus SPD, Grünen und FDP loben sich erwartungsgemäß für ihre Vorhaben, die Opposition, insbesondere Linke und CDU, spart nicht mit Kritik und Spott.
Offenbach - Mit der Einrichtung einer Wohnungssicherungsstelle, der Änderung der Förderrichtlinie von Ankäufen von Belegungsrechten, einer neuen Sanierungssatzung zur Anhebung der Wohnqualität und einem Vorschlag für bezahlbares Wohnen gibt es gleich vier Anträge – einer hätte schon im Mai behandelt werden sollen, musste aber aus Zeitnot auf die Juni-Sitzung verschoben werden.
Mit der Einrichtung einer Wohnungssicherungsstelleals Anlaufpunkt für Menschen, die ihre Wohnung verlieren können, haben die wenigsten Stadtverordneten ein Problem, deutlich mehr Kritik gibt es für die Sanierungssatzung und den Verhandlungsauftrag für bezahlbares Wohnen. Das liegt bei der Sanierungsangelegenheit nicht zuletzt daran, dass eine knappe halbe Stunde vorher die Stadtverordneten für drei schon seit Jahren geforderten und für diese Sitzung angekündigte Satzungen erneut vertröstet werden: Für die Gestaltungssatzungen Bieber, Bürgel und Rumpenheim brauche die Verwaltung nun doch mehr Zeit, erst nach der Sommerpause im September sollen diese vorliegen, erklären Ampel-Vertreter wie der verantwortliche Dezernent, Stadtrat Paul-Gerhard Weiß.
Dass gleichzeitig Koalitionsvertreter aber betonen, die Verwaltung werde schnellstens eine Sanierungssatzung vorlegen, mit deren Hilfe die Wohnqualität angehoben werden könnte, sorgte bei der Opposition für Kopfschütteln und Spott.
Zumal auch inhaltlich die Anträge unscharf formuliert seien, wie Anja Fröhlich (CDU) am Beispiel der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum für Normalverdiener bemängelt. „Was ist bezahlbares Wohnen, was ist ein durchschnittliches Einkommen, was eine moderate Miete?“, fragt sie, „Offenbach ist zwar Schwammstadt, aber das sollte sich nicht auf schwammig formulierte Anträge beziehen.“ Markus Philippi von den Linken schlägt in die gleiche Kerbe, fordert mehr Präzision. Man werde zwar zustimmen, aber nur der Überschrift „bezahlbares Wohnen“ wegen, nicht wegen der Ausgestaltung.
Dominik Schwagereit von der FDP hat da alle Mühe, den Antrag zu verteidigen. Man fordere den Magistrat auf, künftig mit Baugesellschaften zu verhandeln, damit nicht nur 30 Prozent gefördertes Wohnen bei Bauprojekten entstehe, sondern auch ein bestimmter Anteil an Wohnungen für Normalverdiener. „Es ist ein abstrakter Antrag, da kann man keine Konkretheit erwarten“, erklärt er, schließlich brauche der Magistrat Verhandlungsspielraum, auch sei jedes Projekt anders. Zu eng gesteckte Vorgaben könnten Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen verhindern, statt neuen zu schaffen, gibt Holger Hinkel (SPD) zu bedenken.
Zwischen 2010 und 2020 sind rund 4 000 Wohnungen in der Stadt entstanden, für die kommenden Jahre seien rund 3 000 weitere geplant. Offenbach unterliege einer immensen Dynamik im Baubereich, sagt Stadtrat Weiß. „Ich traf erst kürzlich den Oberbürgermeister von Gelsenkirchen – der kann ein Lied davon singen, wenn es in einer Stadt keine bauliche Dynamik gibt.“
In Offenbach seien gerade auch hochwertige wie hochpreisige Wohnungen entstanden, doch darüber solle man nicht die Nase rümpfen, das neue Publikum täte der Stadt gut. „Es muss aber auch geschaut werden, dass genug bezahlbare Wohnungen angeboten werden“, erklärt Weiß. Die Stadt verhandele da schon immer mit Investoren, das solle durch den Antrag noch einmal bekräftigt werden.
Wünschenswert seien gemischte Quartiere, betont Weiß: Mit geförderten, bezahlbaren sowie hochpreisigen Wohnungen. Dass Quartiere nur für Transferempfänger oder im Luxussegment entstünden, täte weder der Stadt gut noch sei es das Ziel der hiesigen Politik.
Im Goethequartier sei es etwa gelungen, bezahlbare Wohnungen zu schaffen – allerdings sei das mit dem Bauträger Nassauische Heimstätten auch leicht gefallen, räumt er ein. Beim Liebigquartier, ebenfalls von Nassauischen Heimstätten, auf dem ehemaligen Postgelände, sei ähnliches vereinbart, das Projekt werde bald vorgestellt. Die Zustimmung für die Einrichtung der Wohnungssicherungsstelle fällt am Ende am breitesten aus, lediglich Koalition und Ofa (Offenbach für alle) stimmen für die Neufassung der Sanierungssatzung unter dem Titel „Wohnen für Alle für mehr Wohnqualität“. Hier fallen die Einschätzungen besonders unterschiedlich aus: Die Linke fürchtet Verdrängung durch Sanierung, während es von der SPD heißt, dass durch die Sanierung von Wohnungen sich die Miete nicht ändern dürfe.
„Schrottimmobilien“ seien dabei explizit nicht gemeint, erklärt Christian Grünewald (SPD). Die Koalition werde sich schon bald eigens mit dem Thema unwürdiger und unseriöser Wohnangebote beschäftigen, kündigt er an. Dass dieses Problem in Offenbach existiert, ist schon länger bekannt.
Von Frank Sommer