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Offenbacherin zog vor Gericht: Rosa Kötter erwirkt Grundsatzurteil

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Von: Frank Sommer

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Offenbach: Die ehemalige Stadtverordnete Rosa Kötter hat vor dem Landessozialgericht Darmstadt ein Grundsatzurteil zur Aufwandsentschädigung von Stadtverordneten erzielt.
Offenbach: Die ehemalige Stadtverordnete Rosa Kötter hat vor dem Landessozialgericht Darmstadt ein Grundsatzurteil zur Aufwandsentschädigung von Stadtverordneten erzielt. © Sommer

Das langwierige Bemühen einer Lokalpolitikerin aus Offenbach könnte große Auswirkungen haben. Durch ein Grundsatzurteil zählt ihre Aufwandsentschädigung nicht für Pflichtversicherungen.

Offenbach - Was sich hinter dem unscheinbaren Aktenzeichen L1 KR 412/20 verbirgt, hat eine Signalwirkung für ganz Hessen, möglicherweise für die ganze Bundesrepublik: Rosa Kötter aus Offenbach, ehemalige Stadtverordnete der SPD in Offenbach, hat vor dem Landessozialgericht Darmstadt ein Grundsatzurteil erwirkt, wonach die Aufwandsentschädigungen der ehrenamtlichen Politiker nicht als Einkommen für Kranken- und Pflegeversicherung zu werten sind. Vorausgegangen ist ein langwieriger Streit zwischen Kötter und der in Hamburg ansässigen Techniker Krankenkasse (TK) – wegen eines falsch deklarierten Eintrags im Steuerbescheid.

Die heute 72-Jährige hat sich über viele Jahre in der Stadtpolitik engagiert, wurde von 1985 bis 1990 und von 1997 bis 2021 in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Wie alle ehrenamtlichen Politiker erhielt auch Kötter eine Aufwandsentschädigung für ihr Engagement. „Man hat schließlich einen Haufen Arbeit: Anträge müssen ausgedruckt, gelesen oder formuliert werden, man sitzt in vielen Arbeitskreisen und besucht Institutionen und Vereine“, sagt sie.

Offenbach: Stadtverordnete gibt Aufwandsentschädigung bei Krankenkasse an

Während sie noch im Berufsleben war, hatte sie keine Probleme mit ihrer Krankenkasse. Das änderte sich aber mit Renteneintritt zum 1. Januar 2015: Pflichtbewusst gab sie bereits im Dezember zuvor auf Nachfrage an, dass sie als Stadtverordnete und OPG-Aufsichtsratsmitglied eine Aufwandsentschädigung von 480 Euro im Monat erhielt. „Ich habe aber geschrieben, dass es kein Einkommen, sondern eine Aufwandsentschädigung ist“, betont sie.

Was darauf folgt, ist ein Briefwechsel, der inzwischen mehrere Aktenordner füllt. Im Dezember 2016 erhielt sie schließlich eine Zahlungsaufforderung: Rückwirkend vom 1. November 2015 bis Dezember 2016 sollte sie einen Betrag zahlen und anschließend 75 Euro als monatlichen Krankenkassenbeitrag.

„Ich war richtig verärgert, denn ich habe natürlich mit den anderen Rentnern in der Stadtverordnetenversammlung gesprochen und kein anderer hatte ähnliche Probleme“, sagt Kötter. Auch das Stadtverordnetenbüro bestätigte ihr, dass die Aufwandsentschädigung nicht anrechenbar sei für Krankenkassenbeiträge, ebenso der Hessische Städtetag, doch vergebens: Sämtliche Telefonate oder Briefe mit der Krankenkasse liefen ins Leere.

Grundsatzurteil über Aufwandsentschädigung: Zorn bei Stadtverordneter aus Offenbach

Das Problem: Im Einkommensteuerbescheid wird die ordnungsgemäß angegebene Aufwandsentschädigung nämlich mangels eines geeigneten vorgegebenen Feldes unter „sozialversicherungspflichtige Einkünfte“ geführt – während andere Krankenkassen dabei aber durchaus differenzieren können, wollte die TK wohl an ihr ein Exempel statuieren, wie Kötter sagt.

Mehrfach legte Kötter Widerspruch ein, der stets mit Verweis auf die Steuererklärung abgelehnt wurde. Unter Vorbehalt beglich sie die Nachzahlungsforderung, versuchte aber weiter, die TK zu überzeugen. Im September 2017 lehnte der Widerspruchsausschuss der TK ihre Einwände ab. Nur der Klageweg stand ihr noch offen.

„Ich war wirklich zornig über diese Ungerechtigkeit“, sagt Kötter. Am 13. Oktober 2017 ging ihre Klage beim Sozialgericht in Darmstadt ein. Erster Verhandlungstag war der 12. März 2018. „Ich war ziemlich aufgeregt, aber das Stadtverordnetenbüro und der Städtetag hatten mich vorbereitet“, sagt sie. „Mir ging es einfach um Gerechtigkeit.“ 20 Minuten dauerte die Verhandlung, dann sollte viel Zeit vergehen, bis Kötter wieder vom Sozialgericht hörte: Der zweite Verhandlungstag war erst am 24. Juli 2020.

Offenbach: Gericht gibt Stadtverordneter Rosa Kötter Recht

Dafür erließ das Gericht auch gleich ein Urteil, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ: Der Bescheid der TK müsse aufgehoben werden, hieß es darin. Denn „die Klägerin befindet sich nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis“. Und weiter betonte das Gericht: „Bei der Aufwandsentschädigung handelt es sich nicht um ein Arbeitseinkommen.“

Über dieses eindeutige Urteil habe sie sich sehr gefreut, sagt Kötter, doch die TK ging am 6. November 2020 in Revision mit der Begründung, dass im Steuerbescheid die Einkünfte als aus selbstständiger Arbeit ausgewiesen würden. „Da habe ich gedacht, dass die mich wirklich auf dem Kieker haben.“

Genugtuung für Stadtverordnete: Trotzdem Unverständnis gegenüber Krankenkasse

Das nun zuständige Landessozialgericht Darmstag unter Vorsitz seines Präsidenten Alexander Seitz beraumte für den 12. Januar 2021 eine Videokonferenz ein, Kötter legte die Problematik erneut dar. 13 Monate später, am 17. März dieses Jahres, wird endgültig Recht gesprochen und die Berufung der TK zurückgewiesen. Die Worte des Gerichtspräsidenten sind eindeutig: „Sozialrechtlich ist es nicht sachgerecht, die Aufwandsentschädigung als Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit zu bewerten.“

„Das war wirklich eine Genugtuung und ich hoffe, dass damit andere vor vergleichbarem Ärger geschützt sind“, erklärt Kötter. Dass ihre Krankenkasse, mit der sie stets gut auskam, wegen rund 3 000 Euro in einer völlig eindeutigen Angelegenheit so unnachgiebig war, versteht sie bis heute nicht. (Frank Sommer)

Ein anderer Fall vor dem Gericht in Darmstadt: Untreue-Urteil gegen Ex-Vorsitzenden eines Gartenbauvereins.

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