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Gasmangel in Offenbach? EVO ist „nicht machtlos“

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Von: Christian Reinartz

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Die Gaskrise als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist auch in Offenbach ein Thema. Zwei EVO-Vorstände erklären, warum Offenbach in einigen Punkten gut gerüstet ist.

Offenbach – Seitdem Gas aus Russland keine Selbstverständlichkeit mehr ist, macht sich in Deutschland die Angst vor einem Winter breit, in dem irgendwann das Erdgas ausgeht und die Wohnung kalt bleibt. Dabei unterscheidet sich die Situation von Versorger zu Versorger. Wir haben deshalb den Vorstandsvorsitzenden der Energieversorgung Offenbach (EVO) Christoph Meier und Technikvorstand Günther Weiß zum Interview gebeten. Sie sprechen darüber, warum Offenbach in einigen Punkten besser dasteht, als andere Städte, wie man es schaffen kann ohne eine Versorgungslücke durch den nächsten Winter zu kommen und warum dabei jeder einzelne mithelfen kann.

Wie abhängig ist Offenbach von russischem Gas?

Meier: Wir selbst importieren gar kein Gas aus Russland; wir kaufen unser Erdgas auf dem Großhandelsmarkt. Man muss sich das so vorstellen: Alle Lieferungen an Erdgas laufen in Deutschland zu einem großen See zusammen. Dieser See wird aus verschiedenen Quellen gespeist. Eine davon, und zwar die größte, ist bisher aus Russland zu uns geflossen. An diesem See bedienen wir uns. Man kann also gar nicht wissen, wo das Gas, das hier in Offenbach landet, herkommt. Wir wissen nur, dass wenn die Pegel sinken, wir alle im selben Boot sitzen.

Offenbach sitzt also genauso in der Tinte wie alle anderen?

Meier: Nicht ganz. Die Stadt Offenbach steht im Vergleich zu anderen Kommunen recht gut da, weil sie einen sehr hohen Anteil an Haushalten mit Fernwärme hat. Das sind in Offenbach etwa die Hälfte. In Frankfurt oder anderen Städten in Westdeutschland liegt dieser Wert oft deutlich darunter.

15 000 Tonnen Kohle lagern unter dem EVO-Kran am Main.
15 000 Tonnen Kohle lagern unter dem EVO-Kran am Main. © Reinartz

Offenbach: EVO-Gasspeicher derzeit etwas über 60 Prozent befüllt

Warum ist das ein Vorteil?

Weiß: Wir erzeugen die Fernwärme selbst in unserem Kraftwerks-Verbund. Wir setzen dabei zum großen Teil auf die Verwertung von Abfällen. Da die Abfälle aus der Rhein-Main-Region stammen, ist deren Verfügbarkeit durch die Ukraine-Krise nicht gefährdet. Daher ist die Fernwärme auch unter den aktuellen Bedingungen ein überaus sicherer Energieträger. Und wir haben auch in anderer Hinsicht vorgesorgt; denn der Rest unserer Energie stammt aus Kohle: Dazu haben wir in Stockstadt am Rhein vorsorglich ein Kohlelager am Main eingerichtet. Dort lagern wir 30 000 Tonnen Kohle zusätzlich ein. Das ist etwa die Hälfte dessen, was wir im Winter benötigen. Dazu lagern noch einmal in Offenbach direkt am Main etwa 15 000 Tonnen. Wir sind also mehr als abgesichert. Die Hälfte der Offenbacher Haushalte wäre nicht unmittelbar von einer Gasmangellage betroffen.

Was würde denn konkret in Offenbach geschehen, wenn Russland den Gashahn komplett zudreht?

Weiß: Erstmal nicht all zu viel. Die Gasspeicher sind gerade dabei, weiter befüllt zu werden. Normalerweise ist es vorgeschrieben, dass diese Speicher im Oktober zu 80 und im November zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Davon sind wir aktuell weit entfernt, etwa bei 63 Prozent. Je nachdem, wie voll die Speicher sind, wird sich auch das Szenario entwickeln.

Das heißt, wir müssen nur hoffen, dass Putin möglichst lange Gas liefert?

Meier: Genau das wäre falsch. Wir dürfen jetzt nicht wie das Kaninchen erstarrt vor der Schlange sitzen. Denn wir sind nicht machtlos. Wir können alle viel tun, um die Situation abzufedern.

Offenbach: Vorhersagen für den Winter nur schwer möglich

Was wäre das?

Meier: Zum Beispiel beschafft die Bundesregierung auf dem weltweiten Gasmarkt zusätzliche Flüssiggas-Kapazitäten. Und jeder Einzelne kann Energie sparen. So albern es vielleicht klingt, aber nehmen wir mal ein Beispiel. Ich koche meinen Kindern dreimal pro Woche morgens Nudeln für die Schule. Wenn ich den Topfdeckel benutze, anstatt einfach so das Wasser zu erhitzen, brauche ich statt Stufe acht am Gasherd nur die Stufe fünf. Und es geht schneller. Das mag jetzt nicht viel erscheinen, aber wenn das auf einen Schlag Millionen Haushalte tun, dann spart das erhebliche Mengen an Gas. Solche alltäglichen Handgriffe können unheimlich viel Wirkung entfalten, wenn alle mitmachen.

Und so kommen wir dann heil durch den Winter?

Weiß: Die Chancen stehen gut. Aber es gibt viele Parameter, die das beeinflussen können. Etwa, wie kalt der Winter wird. Oder, wie voll die Gasspeicher am Beginn der Heizperiode sind. Das sind alles Dinge, die wir nur schwer vorhersehen können.

Was würde denn geschehen, wenn Russland gar kein Gas mehr liefert? Fallen dann die Gasthermen in den Wohnungen aus? Und wann wäre das überhaupt zu erwarten?

Weiß:Wenn wir mal von der schlechtesten Konstellation ausgehen, einem harten Winter und nicht ausreichend gefüllten Gasspeichern, könnte es etwa im Februar zu so einer Situation kommen. Meier: Aber auch dann sind noch lange nicht die Privathaushalte betroffen. Diese gelten genau wie Krankenhäuser und Altenheime als besonders schützenswert und werden deshalb länger beliefert als etwa die Großindustrie.

Günther Weiß EVO-Technikvorstand
Günther Weiß EVO-Technikvorstand © Privat

Offenbach: EVO-Kunden müssen mit Preissteigerungen rechnen

Voraussagen kann man aber, dass die Preise für Energie deutlich steigen werden, oder?

Meier: Die Kunden müssen in den nächsten Monaten in ganz Deutschland mit massiven Preissteigerungen rechnen. Wie hoch diese Preise ausfallen werden, steht allerdings noch nicht fest. Eine genaue Prognose können wir nicht geben. Insgesamt werden wir uns damit abfinden müssen, dass Energie teurer wird und auch teuer bleiben wird.

Haben höhere Preise auch etwas Gutes?

Meier: In der aktuellen Situation haben höhere Preise einen wichtigen Nebeneffekt: Die Leute fangen an, aktiv Energie zu sparen. Also: Letzten Endes können Preiseffekte auch sinnvoll sein, da sie einen bedachteren Umgang mit Energie fördern.

Viele Offenbacher haben Sorgen, dass sie im Winter frieren müssen, weil sie sich die Energie nicht leisten können?

Meier: Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst. Wir sind gerne bereit, jeden Einzelfall zu prüfen. Dafür steht uns seit Jahren ein bewährtes Instrumentarium zur Verfügung – etwa können wir Ratenzahlungen vereinbaren oder Stundungsvereinbarungen schließen. Das ist nichts Neues für uns. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass wir das auch jetzt hinbekommen werden.

Weiß: Das Wichtigste ist, dass die Menschen mit uns rechtzeitig in Kontakt treten, wenn sich eine schwierige Situation abzeichnet. Dann suchen wir gemeinsam eine Lösung mit dem Ziel, Energiesperren zu verhindern.

Christoph Meier EVO-Vorstandsvorsitzender
Christoph Meier EVO-Vorstandsvorsitzender © Privat

Offenbach: EVO will „unabhängig von fossiler Energieerzeugung werden“

Geben Sie uns eine Prognose, wohin der Weg der Energieversorgung und der EVO führen wird.

Meier: Auf jeden Fall zeigt die Situation, wie hoch die Dringlichkeit ist, dass wir durch die Energiewende unabhängig von fossiler Energieerzeugung werden. Wir selbst wollen bis 2040 klimaneutral werden – durch den massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien. Langfristig benötigt es Energieautarkie, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Umbau der Fernwärme auf klimaneutrale Quellen. Die Energiewende ist nicht nur der richtige Kurs für den Klimaschutz, sondern auch der entscheidende Hebel für die Unabhängigkeit von Energielieferungen aus Russland.

Das Gespräch führte Christian Reinartz.

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