Experten diskutieren an der Offenbacher Theodor-Heuss-Schule über Ukraine-Krieg

Unter dem Titel „Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Europa“ hat die Theodor-Heuss-Schule die 12. und 13. Jahrgangsstufe zur Podiumsdiskussion geladen.
Offenbach – Ein komplett gefüllter Saal, ein interessiertes Publikum und angeregt diskutierende Referenten: Unter dem Titel „Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Europa“ hatte die Theodor-Heuss-Schule mit einer Podiumsdiskussion die Schüler der 12. und 13. Jahrgangsstufe zur gelebten politischen Bildung eingeladen. Dabei zeigten die Diskutanten auf der Bühne nicht nur Expertise, sondern auch Betroffenheit ob des russischen Angriffskrieges.
So etwa Andreas Schwarzkopf, Ressortleiter bei der Frankfurter Rundschau. Es gebe ein Denken bis zum russischen Angriff am 24. Februar und ein Denken danach, sagte er auf die Frage nach der Ursache des Krieges. Zwar lasse sich im Nachhinein darüber streiten, was der Westen falsch gemacht habe, jedoch: „Auch wenn Fehler passiert sind, so rechtfertigt doch keiner diesen Krieg.“ Dirk Peters von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung wies auf eine lange Historie hin. Bereits mit seiner Rede anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 habe Wladimir Putin seinen Weltblick offenbart. „Er hat Kritik an der Dominanz der USA geäußert und einen Platz auf Augenhöhe reklamiert.“ Die spätere und nun vielfach kritisierte Energiepolitik der Bundesregierung habe allerdings nicht bedeutet, Russland im Sinne einer früheren Großmacht anzuerkennen. „Sie sollte eher ein freundliches Miteinander ermöglichen.“
Unter der gut vorbereiteten Moderation der beiden Schüler Marco Dörr und Nils Domnik wandte sich die Diskussion im Verlauf auch der Frage nach den wirtschaftlichen Folgen des Krieges und der zukünftigen Sicherheitspolitik zu. „Den Unternehmen geht es schon seit der Corona-Krise nicht gut“, betonte Hans-Joachim Jungbluth, Geschäftsführer Hessenmetall Offenbach und Osthessen und Offizier der Reserve. Nun würden auch noch die Lieferketten wegbrechen. Was die geplante Energiewende angehe, so dauerten die Antragsverfahren viel zu lange, dazu komme, dass etwa Windenergie im Norden erzeugt, aber hauptsächlich im Süden gebraucht werde. Jungbluths Fazit: „Wir brauchen eine Art Übergangsenergie.“
Dagegen warnte Jan Schalauske, Fraktionsvorsitzender von „Die Linke“ im Landtag davor, die Abhängigkeit vom russischen Gas durch eine Kooperation mit anderen Autokratien, die Menschenrechte verletzten, zu ersetzen. Auch er hob hervor, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu spät komme, darüber hinaus profitierten die Mineralölkonzerne von der aktuellen Situation. Hartmut Honka, der für die CDU im Landtag sitzt, kündigte an: „Wir werden wohl ein Stück weit unseren Wohlstand aufgeben müssen.“
Mit Blick auf die derzeitigen Sanktionen, die nach Meinung der Schüler nicht greifen würden, stellte Friedensforscher Peters fest: „Nein, die Sanktionen werden die russische Regierung nicht dazu bewegen, den Krieg zu beenden, aber sie haben eine symbolische Wirkung und zeigen, dass wir Kosten in Kauf nehmen, weil wir mit dem, was läuft, nicht einverstanden sind.“ Ebenso streifte die Diskussion das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das die Bundeswehr aufrüsten soll. „Mit dem, was wir heute haben, wäre die Bundeswehr nicht in der Lage, das Land zu verteidigen“, sagte Jungbluth. Mit dem nun fließenden Geld könne man sie gut ausrüsten. Aber: „Das Beschaffungssystem muss grundsätzlich reformiert werden.“
Man könne jetzt schon sagen, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen könne, bilanzierte schließlich Schwarzkopf. Ein endgültiges Ergebnis könne aber Monate oder Jahre dauern. Der Journalist hält einen anhaltenden „Abnutzungskrieg“ für möglich. Trotz der Befürchtungen einiger Schüler, dass auch Deutschland die Wehrpflicht wieder einführe, erhielt in der Schlussrunde der Diskussion der Offizier der Reserve Jungbluth als einziger Teilnehmer spontanen Szenenapplaus. Auf die Frage, ob er in erster Reihe in den Krieg ziehen würde, sagte er: „Ich habe irgendwann einen Eid geleistet, dass ich Deutschland verteidige, und zu diesem Eid stehe ich.“ (Barbara Scholze)